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Knorpel, Knochen und Gelenke …

<p class="article-intro">… standen im Fokus beim „Fachtag Arthrose, Rheuma & Osteoporose“ im April in Wien. Großes Potenzial bei der Behandlung von Knorpeldefekten liegt in Eingriffen zur Wiederherstellung der Gelenksachse, kombiniert mit regenerativen Maßnahmen. In der Therapie der rheumatoiden Arthritis werden „small molecules“ eine neue Ära einleiten. </p> <hr /> <p class="article-content"><p>Arthrose, Osteoporose, Rheuma &ndash; das sind die chronischen Erkrankungen des Bewegungsapparats, die insgesamt fast ein Drittel der Bev&ouml;lkerung betreffen. &bdquo;Die gro&szlig;e Herausforderung liegt einerseits in der Pr&auml;vention dieser Erkrankungen, andererseits in der rechtzeitigen Diagnose und der Umsetzung optimaler Behandlungskonzepte&ldquo;, sagt Prof. Dr. Stefan Nehrer, wissenschaftlicher Leiter des Fachtags. <br />Moderne Bildgebungsmethoden haben wesentlich zum besseren Verst&auml;ndnis der Arthrosepathogenese beigetragen. Mittels MRT k&ouml;nnen bereits minimale Ver&auml;nderungen der Knorpelmatrix und des subchondralen Knochens (&bdquo;bone bruise&ldquo;) dargestellt werden, von denen man mittlerweile wei&szlig;, dass sie im weiteren Verlauf zu makroskopischen Knorpelsch&auml;den und letztlich Arthrose f&uuml;hren k&ouml;nnen. &bdquo;Auch das Wissen um die Knorpelbiologie hat unsere Denkweise ver&auml;ndert, sodass es angebracht erscheint, die konservativen und operativen Behandlungsmethoden von Knorpelsch&auml;den neu zu definieren und kausale Ans&auml;tze zur Wiederherstellung und Protektion zu &uuml;berlegen&ldquo;, sagt Nehrer. Auch bei j&uuml;ngeren Patienten mit Sportverletzungen oder systemischen Erkrankungen sollte auf beginnende Knorpelsch&auml;den geachtet werden. Nehrer: &bdquo;Wie weit der initiale Knorpeldefekt oder die minimale Knorpelsch&auml;digung beim Jugendlichen mit der Arthrosepr&auml;valenz beim &Auml;lteren zusammenh&auml;ngt, ist zwar quantitativ ungekl&auml;rt, ein Zusammenhang ist aber offensichtlich.&ldquo; <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1604_Weblinks_Seite81.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Gelenkerhaltende Methoden</h2> <p>F&uuml;r die Behandlung von Knorpeldefekten steht eine Reihe verschiedener gelenkerhaltender Methoden zur Verf&uuml;gung. Bei kleineren Defekten zeigt die Mikrofrakturierung des Knochens kurzfristig gute Ergebnisse. Die dadurch erzielte Stimulation des Knochenmarks setzt Reparaturmechanismen in Gang: Stammzellen und Wachstumsfaktoren werden an die Oberfl&auml;che gesp&uuml;lt und regen die Knorpelregeneration an. Eine Weiterentwicklung dieser Technik ist die Nanofrakturierung, bei der d&uuml;nnere, aber l&auml;ngere Nadeln bzw. Bohrer eingesetzt werden.</p> <p>Bei der sogenannten Mosaikplastik (osteochondrale Knorpel-Knochen-Transplantation) werden hyaline Knorpel-Knochen-Zylinder aus unbelasteten Gelenksbereichen in das defekte Gewebe eingebracht. &bdquo;Der Vorteil dieser Methode ist, dass das Gelenk schon nach wenigen Wochen wieder voll belastbar ist, nach drei Monaten ist der Patient sportf&auml;hig&ldquo;, so Nehrer. <br />Zur Knorpelzelltransplantation mit oder ohne Unterst&uuml;tzung durch Biomaterialien (Kollagenvlies, Kollagengel) gibt es mittlerweile gute Langzeitdaten auch bei gr&ouml;&szlig;eren Defekten, mit Nachbeobachtungszeitr&auml;umen bis zu 17 Jahren. <br />Ausschlaggebend f&uuml;r den Erfolg dieser Techniken ist das D&eacute;bridement: &bdquo;Das gesch&auml;digte Knorpelgewebe muss vorher vollst&auml;ndig abgetragen werden&ldquo;, betont Nehrer. <br />Eine innovative Weiterentwicklung der autologen Knorpelzelltransplantation ist die einzeitige Technik: Hier werden Chondrozyten des Patienten noch im Operationssaal isoliert, angereichert und reimplantiert (siehe Artikel &bdquo;Neues Verfahren der Knorpelchirurgie&ldquo;, Seite 76 ff). Weiters besteht auch die M&ouml;glichkeit der Knochenmarkentnahme aus dem Beckenkamm mit Anreicherung von mesenchymalen Stammzellen, die dann auf ein Hyalurons&auml;urevlies aufgebracht werden (Hyalofast). <br />&bdquo;Voraussetzung f&uuml;r jegliche Wiederherstellung der Gelenkfunktion ist die Korrektur von Achsabweichungen&ldquo;, betont Nehrer. Mit Umstellungsosteotomien k&ouml;nnen orthograde Gelenksverh&auml;ltnisse wiederhergestellt werden, ein endoprothetischer Gelenksersatz kann damit um 10 bis 15 Jahre hinausgez&ouml;gert werden: &bdquo;Vor allem Patienten zwischen 40 und 60 Jahren, die fr&uuml;hzeitig an Arthrose erkranken, sind optimale Kandidaten f&uuml;r eine Umstellungsosteotomie.&ldquo;</p> <h2>Medikament&ouml;se Arthrosetherapie</h2> <p>F&uuml;r kaum eine andere Erkrankung werden so viele Medikamente angeboten wie f&uuml;r Arthrose. Als Chondroprotektiva befinden sich Chondroitinsulfat, Glucosamin (als Hydrochlorid und Sulfat), Diacerin sowie eine Reihe von Phytopharmaka, von Avocado&ouml;l bis Weihrauch, am Markt. Einen eindeutigen Wirksamkeitsnachweis kann keines dieser Pr&auml;parate liefern. Jedoch ist zu ber&uuml;cksichtigen, meint Prof. Dr. Ronald Dorotka aus Wien, dass harte Evidenz bei Arthrose schwer zu erbringen ist. &bdquo;Was soll als Endpunkt dienen? Meist ist es der Schmerz, aber dieser variiert auch bei unbehandelten Arthrosepatienten. Schmerzfreie Intervalle sind bei Arthrose immer m&ouml;glich.&ldquo; Zudem ist auch der Placeboeffekt bei medikament&ouml;ser Arthrosetherapie sehr gro&szlig;. So kommt es, dass die Ergebnisse der Studien widerspr&uuml;chlich sind. Trotzdem sei die Verschreibung von Chon&shy;droitinsulfat &amp; Co. gerechtfertigt, denn obwohl die Wirkung nicht belegt ist, ist doch auch das Gegenteil nicht erwiesen: &bdquo;Unsichere Wirkung bedeutet, es k&ouml;nnte auch wirken. Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.&ldquo; Diese Medikamente und Nahrungserg&auml;nzungsmittel sind laut Dorotka jedenfalls eine nebenwirkungsfreie Alternative zu NSAR, die bei Langzeiteinnahme zu teils schwerwiegenden Magen-Darm-Komplikationen f&uuml;hren k&ouml;nnen.</p> <h2>Pr&auml;vention und Lebensstil</h2> <p>Gehen ist wichtig. Nicht nur, dass man es kann, sondern auch, dass man es tut. &bdquo;Wer mehr als 10.000 Schritte pro Tag macht, wirkt pr&auml;ventiv einer Arthrose entgegen&ldquo;, so Nehrer. Durchschnittlich tun wir 7.000 bis 12.000 Schritte pro Tag, reduzieren dies allerdings nach dem 60. Lebensjahr: Dann gehen wir jedes Jahr 90 Schritte weniger am Tag als im Jahr davor. Menschen, die schon eine Knie- oder H&uuml;ftarthrose haben, machen um 30 % weniger Schritte, w&auml;hrend Patienten mit einer H&uuml;ftprothese bis zu 17.000 Schritte am Tag tun. <br />Lebensstil&auml;nderungen sind auch bei bereits bestehender Arthrose ein wichtiger Faktor der Behandlung. Denn hohes K&ouml;rpergewicht hat nicht nur wegen der Gelenksbelastung einen negativen Einfluss auf Arthroseentstehung und -verlauf. Fettgewebe produziert Entz&uuml;ndungsmediatoren, welche Arthrose f&ouml;rdern. Dies zeigt sich zum Beispiel daran, dass auch Handarthrose bei Menschen mit hohem BMI h&auml;ufiger auftritt als bei normalgewichtigen.</p> <h2>Arthrose und Osteoporose &ndash; gibt es Zusammenh&auml;nge?</h2> <p>Der Frage nach m&ouml;glichen Gemeinsamkeiten von Osteoporose und Arthrose ging Prof. Dr. Hans Peter Dimai, Medizinische Universit&auml;t Graz, in seinem Vortrag nach. Zu diesem Thema gibt es noch sehr wenige Studien. Diskutiert werden Zusammenh&auml;nge zwischen den beiden Erkrankungen auf den Ebenen Risikofaktoren, Knochenstruktur und -mikroarchitektur sowie Molekularbiologie. Einen &Uuml;berblick &uuml;ber konvergente und divergente Risikofaktoren zeigt Abbildung 1.</p> <p>Auf der Suche nach gemeinsamen Pathomechanismen r&uuml;ckt der subchondrale Knochen in den Fokus des wissenschaftlichen Interesses. Neue Erkenntnisse sprechen n&auml;mlich daf&uuml;r, dass subchondrale Ver&auml;nderungen schon in einem sehr fr&uuml;hen Stadium der Arthrose stattfinden. &bdquo;Diese Ver&auml;nderungen sind denen der Osteoporose sehr &auml;hnlich, inklusive Verd&uuml;nnung der Trabekel, Abnahme der Trabekelzahl und &Auml;nderung des Trabekelquerschnitts von platten&auml;hnlich auf stab&auml;hnlich&ldquo;, berichtet Dimai. <br />Gemeinsamkeiten zwischen Osteoporose und Arthrose wurden auch auf biologischer Ebene entdeckt. &bdquo;Ma&szlig;gebliche zellul&auml;re Interaktionen und Signalwege sind ident&ldquo;, so Dimai. &bdquo;Jedoch ist das Outcome teilweise unterschiedlich.&ldquo;</p> <h2>Knochen aufbauen und erhalten</h2> <p>Neues aus der Osteoporoseforschung berichtete Prof. Dr. Heinrich Resch, Leiter des Karl-Landsteiner-Instituts f&uuml;r Gastroenterologie und Rheumatologie: &bdquo;Zus&auml;tzlich zur Perfektionierung der Knochendichtemessung wurden in den letzten Jahren neben der hochaufl&ouml;senden MRT auch CT-basierte Spezialverfahren entwickelt, die eine Beurteilung der Knochenmikroarchitektur erm&ouml;glichen.&ldquo; Diese Verfahren sollen in Zukunft die Knochenbiopsie ersetzen. <br />&bdquo;Therapeutisch stehen wir am Anfang einer neuen Generation von zielgerichteten Medikamenten&ldquo;, so Resch weiter. Derzeit stehen f&uuml;r die Osteoporosebehandlung Bisphosphonate, der RANKL-Antik&ouml;rper Denosumab, der &Ouml;strogenrezeptormodulator Raloxifen, das dual wirksame Strontiumranelat und das osteoanabole Teriparatid zur Verf&uuml;gung. Zu Denosumab liegen mittlerweile 9-Jahres-Daten f&uuml;r postmenopausale Frauen vor, die eine anhaltend niedrige Frakturrate und gute Vertr&auml;glichkeit best&auml;tigen. &bdquo;Denosumab wirkt rasch, stark und ist gut steuerbar&ldquo;, berichtet Resch, der an den Zulassungsstudien mitgearbeitet hat. Starke Wirksamkeit zeigt auch ein neuer Sclerostin-Antik&ouml;rper: &bdquo;Die Phase-III-Studiendaten f&uuml;r Romosozumab werden noch heuer erwartet&ldquo;, sagt Resch. <br />Die derzeit einzige verf&uuml;gbare osteoanabole Therapie ist Teriparatid. Wichtig nach erfolgtem Knochenaufbau ist laut Resch die sofortige Initiierung einer antiresorptiven Erhaltungstherapie, um die gewonnene Knochendichte zu erhalten. Die beste Wirkung sei mit einer anabol-antiresorptiven Kombinationstherapie zu erzielen, z.B. mit Teriparatid und einem Bisphosphonat. &bdquo;Bei Patienten mit immunologischen Erkrankungen und Kortisondauertherapie zeigt Teriparatid deutlich bessere Ergebnisse als orale Bisphosphonate und sollte daher bei schwerer glukokortikoidinduzierter Osteoporose in Betracht gezogen werden&ldquo;, meint Resch.</p> <h2>&bdquo;Small molecules&ldquo; auf dem Weg</h2> <p>Einen &Uuml;berblick &uuml;ber die Therapiekonzepte in der Behandlung der rheumatoiden Arthritis gab Prof. Dr. Ludwig Erlacher, Leiter des Karl-Landsteiner-Instituts f&uuml;r Autoimmunerkrankungen und Rheumatologie. Mit einer Methotrexat-Therapie sollte sofort nach der Diagnosestellung begonnen werden. Sollten 3 Monate sp&auml;ter immer noch Gelenkschwellungen vorhanden sein, kann zus&auml;tzlich ein Biologikum verabreicht werden. Die Auswahl des &bdquo;richtigen&ldquo; Biologikums erfolgt individuell. Zwar sind im Studienvergleich auf Gruppenniveau alle Biologika ann&auml;hernd gleich gut wirksam, das individuelle Ansprechen kann jedoch prim&auml;r nicht vorausgesagt werden. &bdquo;Etwa 40 % bis 50 % der Patienten sprechen auf das erste verabreichte Biologikum mit einer 50 % igen Verbesserung (ACR50) an&ldquo;, berichtet Erlacher. Es ist daher nicht un&uuml;blich, dass bei Nichtansprechen ein anderes Biologikum zum Einsatz kommt. Bei anhaltender Remission pl&auml;diert Erlacher daf&uuml;r, die Dosis der Biologika zu reduzieren bzw. das Applikationsintervall zu verl&auml;ngern, insbesondere wegen der hohen Kosten der Behandlung. &bdquo;Sollten nach Absetzen abermals Gelenkschwellungen auftreten, f&uuml;hrt der erneute Einsatz eines Biologikums &uuml;blicherweise wieder zu einem guten Behandlungserfolg.&ldquo; <br />Demn&auml;chst werden sogenannte &bdquo;small molecules&ldquo; die RA-Therapie erweitern. Diese Medikamente, die &uuml;ber eine Blockierung des JAK-STAT-Signalwegs arbeiten, sind laut bisherigen Studiendaten zumindest gleich gut wirksam wie Biologika und k&ouml;nnen oral verabreicht werden.</p></p>
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