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Knorpel, Knochen und Gelenke …
Jatros
30
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07.07.2016
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<p class="article-intro">… standen im Fokus beim „Fachtag Arthrose, Rheuma & Osteoporose“ im April in Wien. Großes Potenzial bei der Behandlung von Knorpeldefekten liegt in Eingriffen zur Wiederherstellung der Gelenksachse, kombiniert mit regenerativen Maßnahmen. In der Therapie der rheumatoiden Arthritis werden „small molecules“ eine neue Ära einleiten. </p>
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<p class="article-content"><p>Arthrose, Osteoporose, Rheuma – das sind die chronischen Erkrankungen des Bewegungsapparats, die insgesamt fast ein Drittel der Bevölkerung betreffen. „Die große Herausforderung liegt einerseits in der Prävention dieser Erkrankungen, andererseits in der rechtzeitigen Diagnose und der Umsetzung optimaler Behandlungskonzepte“, sagt Prof. Dr. Stefan Nehrer, wissenschaftlicher Leiter des Fachtags. <br />Moderne Bildgebungsmethoden haben wesentlich zum besseren Verständnis der Arthrosepathogenese beigetragen. Mittels MRT können bereits minimale Veränderungen der Knorpelmatrix und des subchondralen Knochens („bone bruise“) dargestellt werden, von denen man mittlerweile weiß, dass sie im weiteren Verlauf zu makroskopischen Knorpelschäden und letztlich Arthrose führen können. „Auch das Wissen um die Knorpelbiologie hat unsere Denkweise verändert, sodass es angebracht erscheint, die konservativen und operativen Behandlungsmethoden von Knorpelschäden neu zu definieren und kausale Ansätze zur Wiederherstellung und Protektion zu überlegen“, sagt Nehrer. Auch bei jüngeren Patienten mit Sportverletzungen oder systemischen Erkrankungen sollte auf beginnende Knorpelschäden geachtet werden. Nehrer: „Wie weit der initiale Knorpeldefekt oder die minimale Knorpelschädigung beim Jugendlichen mit der Arthroseprävalenz beim Älteren zusammenhängt, ist zwar quantitativ ungeklärt, ein Zusammenhang ist aber offensichtlich.“ <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1604_Weblinks_Seite81.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Gelenkerhaltende Methoden</h2> <p>Für die Behandlung von Knorpeldefekten steht eine Reihe verschiedener gelenkerhaltender Methoden zur Verfügung. Bei kleineren Defekten zeigt die Mikrofrakturierung des Knochens kurzfristig gute Ergebnisse. Die dadurch erzielte Stimulation des Knochenmarks setzt Reparaturmechanismen in Gang: Stammzellen und Wachstumsfaktoren werden an die Oberfläche gespült und regen die Knorpelregeneration an. Eine Weiterentwicklung dieser Technik ist die Nanofrakturierung, bei der dünnere, aber längere Nadeln bzw. Bohrer eingesetzt werden.</p> <p>Bei der sogenannten Mosaikplastik (osteochondrale Knorpel-Knochen-Transplantation) werden hyaline Knorpel-Knochen-Zylinder aus unbelasteten Gelenksbereichen in das defekte Gewebe eingebracht. „Der Vorteil dieser Methode ist, dass das Gelenk schon nach wenigen Wochen wieder voll belastbar ist, nach drei Monaten ist der Patient sportfähig“, so Nehrer. <br />Zur Knorpelzelltransplantation mit oder ohne Unterstützung durch Biomaterialien (Kollagenvlies, Kollagengel) gibt es mittlerweile gute Langzeitdaten auch bei größeren Defekten, mit Nachbeobachtungszeiträumen bis zu 17 Jahren. <br />Ausschlaggebend für den Erfolg dieser Techniken ist das Débridement: „Das geschädigte Knorpelgewebe muss vorher vollständig abgetragen werden“, betont Nehrer. <br />Eine innovative Weiterentwicklung der autologen Knorpelzelltransplantation ist die einzeitige Technik: Hier werden Chondrozyten des Patienten noch im Operationssaal isoliert, angereichert und reimplantiert (siehe Artikel „Neues Verfahren der Knorpelchirurgie“, Seite 76 ff). Weiters besteht auch die Möglichkeit der Knochenmarkentnahme aus dem Beckenkamm mit Anreicherung von mesenchymalen Stammzellen, die dann auf ein Hyaluronsäurevlies aufgebracht werden (Hyalofast). <br />„Voraussetzung für jegliche Wiederherstellung der Gelenkfunktion ist die Korrektur von Achsabweichungen“, betont Nehrer. Mit Umstellungsosteotomien können orthograde Gelenksverhältnisse wiederhergestellt werden, ein endoprothetischer Gelenksersatz kann damit um 10 bis 15 Jahre hinausgezögert werden: „Vor allem Patienten zwischen 40 und 60 Jahren, die frühzeitig an Arthrose erkranken, sind optimale Kandidaten für eine Umstellungsosteotomie.“</p> <h2>Medikamentöse Arthrosetherapie</h2> <p>Für kaum eine andere Erkrankung werden so viele Medikamente angeboten wie für Arthrose. Als Chondroprotektiva befinden sich Chondroitinsulfat, Glucosamin (als Hydrochlorid und Sulfat), Diacerin sowie eine Reihe von Phytopharmaka, von Avocadoöl bis Weihrauch, am Markt. Einen eindeutigen Wirksamkeitsnachweis kann keines dieser Präparate liefern. Jedoch ist zu berücksichtigen, meint Prof. Dr. Ronald Dorotka aus Wien, dass harte Evidenz bei Arthrose schwer zu erbringen ist. „Was soll als Endpunkt dienen? Meist ist es der Schmerz, aber dieser variiert auch bei unbehandelten Arthrosepatienten. Schmerzfreie Intervalle sind bei Arthrose immer möglich.“ Zudem ist auch der Placeboeffekt bei medikamentöser Arthrosetherapie sehr groß. So kommt es, dass die Ergebnisse der Studien widersprüchlich sind. Trotzdem sei die Verschreibung von Chon­droitinsulfat & Co. gerechtfertigt, denn obwohl die Wirkung nicht belegt ist, ist doch auch das Gegenteil nicht erwiesen: „Unsichere Wirkung bedeutet, es könnte auch wirken. Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.“ Diese Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel sind laut Dorotka jedenfalls eine nebenwirkungsfreie Alternative zu NSAR, die bei Langzeiteinnahme zu teils schwerwiegenden Magen-Darm-Komplikationen führen können.</p> <h2>Prävention und Lebensstil</h2> <p>Gehen ist wichtig. Nicht nur, dass man es kann, sondern auch, dass man es tut. „Wer mehr als 10.000 Schritte pro Tag macht, wirkt präventiv einer Arthrose entgegen“, so Nehrer. Durchschnittlich tun wir 7.000 bis 12.000 Schritte pro Tag, reduzieren dies allerdings nach dem 60. Lebensjahr: Dann gehen wir jedes Jahr 90 Schritte weniger am Tag als im Jahr davor. Menschen, die schon eine Knie- oder Hüftarthrose haben, machen um 30 % weniger Schritte, während Patienten mit einer Hüftprothese bis zu 17.000 Schritte am Tag tun. <br />Lebensstiländerungen sind auch bei bereits bestehender Arthrose ein wichtiger Faktor der Behandlung. Denn hohes Körpergewicht hat nicht nur wegen der Gelenksbelastung einen negativen Einfluss auf Arthroseentstehung und -verlauf. Fettgewebe produziert Entzündungsmediatoren, welche Arthrose fördern. Dies zeigt sich zum Beispiel daran, dass auch Handarthrose bei Menschen mit hohem BMI häufiger auftritt als bei normalgewichtigen.</p> <h2>Arthrose und Osteoporose – gibt es Zusammenhänge?</h2> <p>Der Frage nach möglichen Gemeinsamkeiten von Osteoporose und Arthrose ging Prof. Dr. Hans Peter Dimai, Medizinische Universität Graz, in seinem Vortrag nach. Zu diesem Thema gibt es noch sehr wenige Studien. Diskutiert werden Zusammenhänge zwischen den beiden Erkrankungen auf den Ebenen Risikofaktoren, Knochenstruktur und -mikroarchitektur sowie Molekularbiologie. Einen Überblick über konvergente und divergente Risikofaktoren zeigt Abbildung 1.</p> <p>Auf der Suche nach gemeinsamen Pathomechanismen rückt der subchondrale Knochen in den Fokus des wissenschaftlichen Interesses. Neue Erkenntnisse sprechen nämlich dafür, dass subchondrale Veränderungen schon in einem sehr frühen Stadium der Arthrose stattfinden. „Diese Veränderungen sind denen der Osteoporose sehr ähnlich, inklusive Verdünnung der Trabekel, Abnahme der Trabekelzahl und Änderung des Trabekelquerschnitts von plattenähnlich auf stabähnlich“, berichtet Dimai. <br />Gemeinsamkeiten zwischen Osteoporose und Arthrose wurden auch auf biologischer Ebene entdeckt. „Maßgebliche zelluläre Interaktionen und Signalwege sind ident“, so Dimai. „Jedoch ist das Outcome teilweise unterschiedlich.“</p> <h2>Knochen aufbauen und erhalten</h2> <p>Neues aus der Osteoporoseforschung berichtete Prof. Dr. Heinrich Resch, Leiter des Karl-Landsteiner-Instituts für Gastroenterologie und Rheumatologie: „Zusätzlich zur Perfektionierung der Knochendichtemessung wurden in den letzten Jahren neben der hochauflösenden MRT auch CT-basierte Spezialverfahren entwickelt, die eine Beurteilung der Knochenmikroarchitektur ermöglichen.“ Diese Verfahren sollen in Zukunft die Knochenbiopsie ersetzen. <br />„Therapeutisch stehen wir am Anfang einer neuen Generation von zielgerichteten Medikamenten“, so Resch weiter. Derzeit stehen für die Osteoporosebehandlung Bisphosphonate, der RANKL-Antikörper Denosumab, der Östrogenrezeptormodulator Raloxifen, das dual wirksame Strontiumranelat und das osteoanabole Teriparatid zur Verfügung. Zu Denosumab liegen mittlerweile 9-Jahres-Daten für postmenopausale Frauen vor, die eine anhaltend niedrige Frakturrate und gute Verträglichkeit bestätigen. „Denosumab wirkt rasch, stark und ist gut steuerbar“, berichtet Resch, der an den Zulassungsstudien mitgearbeitet hat. Starke Wirksamkeit zeigt auch ein neuer Sclerostin-Antikörper: „Die Phase-III-Studiendaten für Romosozumab werden noch heuer erwartet“, sagt Resch. <br />Die derzeit einzige verfügbare osteoanabole Therapie ist Teriparatid. Wichtig nach erfolgtem Knochenaufbau ist laut Resch die sofortige Initiierung einer antiresorptiven Erhaltungstherapie, um die gewonnene Knochendichte zu erhalten. Die beste Wirkung sei mit einer anabol-antiresorptiven Kombinationstherapie zu erzielen, z.B. mit Teriparatid und einem Bisphosphonat. „Bei Patienten mit immunologischen Erkrankungen und Kortisondauertherapie zeigt Teriparatid deutlich bessere Ergebnisse als orale Bisphosphonate und sollte daher bei schwerer glukokortikoidinduzierter Osteoporose in Betracht gezogen werden“, meint Resch.</p> <h2>„Small molecules“ auf dem Weg</h2> <p>Einen Überblick über die Therapiekonzepte in der Behandlung der rheumatoiden Arthritis gab Prof. Dr. Ludwig Erlacher, Leiter des Karl-Landsteiner-Instituts für Autoimmunerkrankungen und Rheumatologie. Mit einer Methotrexat-Therapie sollte sofort nach der Diagnosestellung begonnen werden. Sollten 3 Monate später immer noch Gelenkschwellungen vorhanden sein, kann zusätzlich ein Biologikum verabreicht werden. Die Auswahl des „richtigen“ Biologikums erfolgt individuell. Zwar sind im Studienvergleich auf Gruppenniveau alle Biologika annähernd gleich gut wirksam, das individuelle Ansprechen kann jedoch primär nicht vorausgesagt werden. „Etwa 40 % bis 50 % der Patienten sprechen auf das erste verabreichte Biologikum mit einer 50 % igen Verbesserung (ACR50) an“, berichtet Erlacher. Es ist daher nicht unüblich, dass bei Nichtansprechen ein anderes Biologikum zum Einsatz kommt. Bei anhaltender Remission plädiert Erlacher dafür, die Dosis der Biologika zu reduzieren bzw. das Applikationsintervall zu verlängern, insbesondere wegen der hohen Kosten der Behandlung. „Sollten nach Absetzen abermals Gelenkschwellungen auftreten, führt der erneute Einsatz eines Biologikums üblicherweise wieder zu einem guten Behandlungserfolg.“ <br />Demnächst werden sogenannte „small molecules“ die RA-Therapie erweitern. Diese Medikamente, die über eine Blockierung des JAK-STAT-Signalwegs arbeiten, sind laut bisherigen Studiendaten zumindest gleich gut wirksam wie Biologika und können oral verabreicht werden.</p></p>