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Kinder- und Jugendsport: Effekte und Gefahren
Jatros
Autor:
Prof. Dr. Holger Schmitt
Deutsches Gelenkzentrum Heidelberg<br> Leiter der Kommission Kindersportorthopädie der GOTS
30
Min. Lesezeit
15.11.2018
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<p class="article-intro">Sport im Kindes- und Jugendalter wird angesichts von Bewegungsmangel und Übergewicht immer wichtiger. Welche Besonderheiten im Unterschied zum Sport im Erwachsenenalter beachtet werden müssen.</p>
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<p class="article-content"><p>Zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten belegen, wie wichtig körperliche Aktivität und Sport im Kindes- und Jugendalter sind. Die Gesundheit wird dadurch unter verschiedenen Aspekten positiv beeinflusst. Neben präventiven Effekten für das Herz-Kreislauf-System (Hypertonie etc.) und den Stoffwechsel (Diabetes, Adipositas etc.) lassen sich überdies positive Auswirkungen auf die Schulleistung und nicht zuletzt auf die Psyche und die Persönlichkeitsentwicklung feststellen. Der Bewegungsapparat kann sich an Belastungen adaptieren und über eine Stärkung knöcherner Strukturen und des die Gelenke umgebenden Bindegewebeapparates (Muskeln, Sehnen) die Leistungsfähigkeit steigern. Selbstverständlich müssen die sportlichen Aktivitäten bei Kindern und Jugendlichen an die individuellen Möglichkeiten angepasst werden.<br /> In diesem Zusammenhang ist nicht zuletzt die Einführung Olympischer Jugendspiele zu nennen, an der analog zu den Olympischen Spielen junge Sportler im Alter von 14 bis 18 Jahren teilnehmen können. Die erstmals im Jahr 2010 (Sommerspiele) beziehungsweise 2012 (Winterspiele) durchgeführten Wettkämpfe haben dazu geführt, dass Kinder und Jugendliche in vielen Sportarten durch die Errichtung von Jugendleistungszentren und Sportinternaten schon in jungen Jahren hochintensiv belastet werden und somit der wachsende Bewegungsapparat gefordert wird. Aber nicht nur im Leistungssport, sondern auch im Breitensport finden sich in der medizinischen Betreuung Besonderheiten, welche den Jugendlichen vom Erwachsenen unterscheiden. Worauf muss geachtet werden?</p> <h2>Schwachstelle Wachstumsfuge</h2> <p>Sowohl akute Verletzungen als auch chronische Belastungen können zu Verletzungen der Wachstumsfuge und einem Fehlwachstum der betroffenen Extremität führen. Insbesondere im Bereich des Ellenbogens und Kniegelenks können gelenknahe oder auch das Gelenk direkt betreffende Verletzungen mit Beteiligung der Wachstumsfuge zu Achsabweichungen führen, die je nach Ausprägung auch Spätschäden nach sich ziehen können.<br /> Aber auch repetitive gleichförmige Mikrotraumata werden in gewissen Sportarten dafür verantwortlich gemacht, dass Epiphysen unphysiologisch belastet werden und damit ein Fehlwachstum eingeleitet wird. Am auffälligsten sind diese Phänomene bei jugendlichen Fußballspielern an den Kniegelenken (O-Beine) sowie an den Hüftgelenken durch die Ausbildung eines femoroazetabulären Impingements, wodurch das normale Bewegungsspiel gestört ist.<br /> Bei akuten Verletzungen im Kindesalter sollte daher im gelenknahen Bereich nach klinischer Untersuchung frühzeitig eine bildgebende Diagnostik veranlasst werden. Bei Kindern und Jugendlichen, die mit Leistungsanspruch ein erhöhtes Trainingsvolumen absolvieren, sollte an die Ausbildung derartiger Phänomene gedacht und beim Auftreten erster klinischer Beschwerden eine weiterführende Diagnostik in die Wege geleitet werden. Für den betreuenden Sportarzt ist es erforderlich, die sportartspezifisch unterschiedlich belasteten Körperregionen zu kennen und somit frühzeitig zu reagieren.</p> <h2>Spezifische Verletzungsmuster</h2> <p>Im Vergleich zu Erwachsenen finden sich bei Kindern deutlich weniger Muskelund Sehnenverletzungen. Es treten jedoch Entzündungen und Reizzustände am Sehnenansatz auf. Häufig sind die Ansatzzonen der großen Sehnen an den Apophysen betroffen. Auch hier ist die Kniegelenkregion mit der Ansatzzone der Patellasehne an der Tibia prädisponiert.<br /> Neben Überlastungsreaktionen mit Entzündungssymptomatik kann es auch zu Dislokationen oder kompletten Ausrissverletzungen der Apophyse kommen, die je nach Dislokationsgrad ein operatives Vorgehen notwendig machen. Dagegen können knöcherne Verletzungen ohne Gelenkbeteiligung je nach Alter und Lokalisation in vielen Fällen konservativ behandelt werden, da selbst bei Dislokation bei jungen Kindern Selbstheilungs- und Korrekturprozesse vorhanden sind, die zu einer folgenlosen Ausheilung führen können. Bei Jugendlichen werden zunehmend operative Maßnahmen empfohlen, um frühzeitig eine stabile Situation herbeizuführen und Folgeschäden möglichst zu vermeiden.</p> <h2>Therapie und Rehabilitation</h2> <p>Therapeutische Maßnahmen richten sich nach der betroffenen Extremität, der vorliegenden Verletzung, der Versorgung und dem Alter des Kindes beziehungsweise Jugendlichen. Bei Kindern im Alter von 10–12 Jahren ist zumeist eine eher defensive Nachbehandlung anzuraten, da die Kinder alleine durch ihren Bewegungsdrang nach Rückgang der Schmerzen zunehmend belasten und sich mit ihren Aktivitäten an den dabei auftretenden Beschwerden orientieren. Im Jugendalter richten sich die therapeutischen Empfehlungen häufig nach denen der Erwachsenen und müssen in vielen Fällen nicht abweichen.</p> <h2>Sporttauglichkeit</h2> <p>Die Bewertung der Sporttauglichkeit bei Einschränkungen im Bereich des Bewegungsapparates ist bisweilen nicht einfach. Akute Verletzungen lassen sich häufig relativ sicher einschätzen, und auch die Ausheilung kann bei einem regelhaften Verlauf zeitlich kalkuliert werden. Hieraus resultieren Empfehlungen für den Schul-und Vereinssport.<br /> Bei Überlastungsphänomenen können in den meisten Fällen nur Sportpausen gegebenenfalls mit begleitenden physikalischen Maßnahmen eine Ausheilung bewirken. Erst wenn sich eine beschwerdefreie Situation unter Alltagsbedingungen für mindestens 2 Wochen eingestellt hat, kann in Absprache mit den beteiligten Trainern und Eltern eine Wiederaufnahme der sportlichen Aktivitäten geplant werden. Ein hohes Maß an Erfahrung ist bei der Beurteilung der Sporttauglichkeit bei orthopädischen Erkrankungen erforderlich. Zu nennen wäre dabei beispielsweise die Hüftdysplasie, da hier das Ausmaß der Veränderung und die sportartspezifische Belastung des betroffenen Körperteils berücksichtigt werden müssen. Es gibt nur sehr wenige wissenschaftliche Studien zu den betroffenen Krankheitsbildern und sportlicher Belastbarkeit. Die Kommission Kindersportorthopädie der GOTS wird sich dieser Thematik annehmen und regelmäßig über Empfehlungen informieren.(red)</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: www.gots.org
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