Kanisterlose Unterdruck-Wundtherapie in der Fusschirurgie

<p class="article-intro">Wundheilungsstörungen und Infektionen nach Eingriffen an Fuss- und Sprunggelenk haben schwerwiegende Folgen für den Patienten und kreieren weitreichende Folgekosten für das Gesundheitssystem. Einige Studien aus dem chirurgischen Bereich konnten zeigen, dass eine Niederdruck-Wundtherapie das Risiko für solche Komplikationen senken kann. Ich berichte über die ersten Erfahrungen, welche bei elektiven und postakuten Eingriffen an Fuss- und Sprunggelenk mit einem kanisterlosen Unterdruck-Therapie-System (PICO<sup>®</sup>) gesammelt wurden.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Trotz pr&auml;operativer Antibiotikagabe, zunehmenden technischen Fortschritts bei Operationstechniken und verbesserter Nachbehandlungsschemen sind Wunddehiszenzen und Wundinfektionen bei Eingriffen an Fuss- und Sprunggelenk gef&uuml;rchtete Komplikationen.<sup>1</sup> Dies liegt einerseits an anatomischen Gegebenheiten, wie dem d&uuml;nnen Weichteilmantel mit meist minimaler subkutaner Fettschicht, fragilen Faszien und dem kompromittierenden Einfluss der Sehnen auf die Wundintegrit&auml;t (Bogensehneneffekt). Andererseits kann vor allem bei &auml;lteren Patienten eine reduzierte Perfusion des Fusses vorliegen. Zudem ist auch bei konsequenter pr&auml;operativer Desinfektion eine residuelle mikrobiologische Besiedlung der Zehenzwischenr&auml;ume nachweisbar. Im Komplikationsfall sind grossz&uuml;gige Wundausschneidungen h&auml;ufig nicht m&ouml;glich und der Einsatz lokaler Verschiebelappen sehr limitiert. Der Einsatz freier Lappenplastiken ist m&ouml;glich, geht aber mit einer erheblichen Belastung f&uuml;r den Patienten und langem station&auml;rem Aufenthalt einher. Als Konsequenz muss alles getan werden, um Wundheilungsst&ouml;rungen und tiefe Infekte zu vermeiden.<br /> Essenziell f&uuml;r eine ad&auml;quate Wundheilung am Fuss sind neben der pr&auml;operativen Abkl&auml;rung (Duplex-Sonografie bei Risikopatienten, ggf. Intervention) und Vorbereitung der Weichteile (Nagelpflege, antimykotische Therapie, Reinigung mit desinfizierender Seife, Lymphdrainage) vor allem das intraoperative Handling der Weichteile und ein korrekter spannungsfreier Wundverschluss. Zus&auml;tzlich zeigt die Unterdrucktherapie (auch Vakuumtherapie, &laquo;vacuum assisted closure&raquo;) als etablierte Methode zur Abdeckung von Operationswunden einen positiven Einfluss auf die Rate der Wundheilungsst&ouml;rungen und Infektionen. Seit einiger Zeit ist eine batteriebetriebene, kanisterlose Variante verf&uuml;gbar (PICO<sup>&reg;</sup>, Smith &amp; Nephew, Baar, Schweiz), welche wesentliche Vorteile &ndash; vor allem hinsichtlich Patientenkomfort &ndash; bietet. Das Ziel dieses Artikels ist es, die Handhabung des Systems zu beschreiben, die eigenen Erfahrungen zu schildern und diese anhand aktueller wissenschaftlicher Artikel zu diskutieren.</p> <h2>Grundprinzipien einer Niederdruck- Wundtherapie</h2> <p>Die Prinzipien der Niederdruck-Wundtherapie wurden vor allem an offenen Wunden im Rahmen von Tierversuchen ermittelt. Die Hauptaspekte dieser Therapie sind: Stimulation der Angiogenese, vermehrte Bildung von Granulationsgewebe, Reduktion von &Ouml;demen, Kontrahieren der Wundr&auml;nder.<br /> Bei kanisterlosen Systemen wie dem PICO<sup>&reg;</sup> spielt der Wegtransport der Wundfl&uuml;ssigkeit keine wesentliche Rolle, da die Anwendung nur bei geschlossenen, wenig exsudierenden Wunden Sinn macht. Einer der wesentlichen Aspekte ist hier sicherlich die Reduktion der Spannung auf den Wundr&auml;ndern (um 45&ndash;70 % ). Auch die Verbesserung des Lymphabflusses spielt eine wichtige Rolle. Experimentelle Studien konnten zeigen, dass die Anwendung einer kanisterlosen Niederdruck-Wundtherapie zu einer Reduktion von Serom/H&auml;matom in der Wunde f&uuml;hrt, ohne dass Fl&uuml;ssigkeit durch die Inzision abgesogen wird.</p> <h2>Technische Aspekte von PICO<sup>&reg;</sup></h2> <p>PICO<sup>&reg;</sup> ist ein mobiles Unterdruck- Wundtherapiesystem zur Einmalanwendung (Abb. 1). Es besteht aus einem selbstklebenden Wundverband, welcher &uuml;ber einen Schlauch mit einer Pumpe konnektiert ist. Diese wird von zwei AA-Batterien betrieben und baut f&uuml;r eine Woche einen voreingestellten Unterdruck von 80mmHg auf. Verschiedene L&auml;ngen und Breiten sind erh&auml;ltlich.</p> <h2>Installation</h2> <p>Vor dem Wundverschluss ist auf trockene Wundverh&auml;ltnisse zu achten. Das Einlegen von Drainagen schliesst eine PICO<sup>&reg;</sup>-Anwendung nicht aus. Es ist in solch einem Fall jedoch darauf zu achten, dass die Drainageschl&auml;uche ausserhalb des abgeklebten Bereichs ausgeleitet werden, um eine Entfernung ohne Kompromittierung des PICO<sup>&reg;</sup>-Verbandes zu erm&ouml;glichen. Der eigentliche Verband wird zus&auml;tzlich an den R&auml;ndern mit der beigelegten Folie abgedichtet. Jedoch sollte nicht der komplette Verband &uuml;berklebt werden, da ca. 80 % des Wundexsudats &uuml;ber die Oberfl&auml;che des Verbandes verdunsten. Die Dichtigkeit kann gepr&uuml;ft werden, indem der Schlauch des OP-Saugers kurz an den Konnektor gehalten wird. Ist der Verband dicht, wird die angeschaltete Pumpe angeschlossen. Weitere Kompressen/Verb&auml;nde sind nicht notwendig. Der Fuss kann locker elastisch gewickelt werden.</p> <h2>Kontrolle und Entfernung</h2> <p>Im Rahmen eines station&auml;ren Aufenthaltes erfolgt eine t&auml;gliche Kontrolle der Dichtigkeit und der angesaugten Sekretmenge. Ein Schema f&uuml;r das postoperative Regime findet sich in der Abbildung 2. Dieses bildet die Erfahrungswerte des Autors ab und weicht zum Teil von der vom Hersteller beschriebenen Anwendung ab. Vom Hersteller wird eine Deinstallation des PICO<sup>&reg;</sup> bei abgelaufener Energieversorgung nach einer Woche empfohlen. Wenn medizinisch notwendig, kann ein neuer PICO<sup>&reg;</sup> f&uuml;r weitere 7 Tage oder bei Bedarf auch k&uuml;rzer angelegt werden. Die funktionslosen Pumpen werden gesammelt und zum Recycling an den Hersteller zur&uuml;ckgeschickt.</p> <h2>Eigene Erfahrungen</h2> <p>Der Autor setzt PICO<sup>&reg;</sup> bei folgenden Zug&auml;ngen am R&uuml;ckfuss ein: anteriore Zug&auml;nge (OSG-Prothese/-Arthrodese, Tibialis- anterior-Rekonstruktion) und posteriore Zug&auml;nge (OSG-Arthrodese, Achillessehnenrekonstruktion) (Abb. 3).<br /> Zwischen April 2017 und M&auml;rz 2018 wurden insgesamt 24 Patienten (16 m&auml;nnlich, 8 weiblich, mittleres Alter 58 [min. 26, max. 81] mit dem PICO<sup>&reg;</sup> versorgt. Folgende chirurgische Interventionen erfolgten: Achillessehneneingriff (12), OSGProthesen (6), Rekonstruktionen des Tibialis anterior (2), andere (4). Der ASAScore war bei 2 Patienten 1, bei 14 Patienten 2 und bei 8 Patienten 3.</p> <p>Die Behandlung erfolgte gem&auml;ss Abbildung 2. Nach Abnahme des PICO<sup>&reg;</sup> nach zwei und sechs Wochen erfolgte eine Beurteilung der Wunde gem&auml;ss den Kriterien der Centers for Disease Control and Prevention (CDC).<sup>2</sup> Vier Patienten stellten sich vorzeitig vor, weil sie nach einer Woche bef&uuml;rchtet hatten, dass das PICO<sup>&reg;</sup>- Ger&auml;t nicht mehr funktioniert. Der Verband wurde kontrolliert, war in allen F&auml;llen unauff&auml;llig und wurde erst regul&auml;r am 2-Wochen-Termin entfernt.</p> <h2>Diskussion</h2> <p>Der Autor konnte anhand einer Fallserie zeigen, dass die Anwendung des PICO<sup>&reg;</sup> bei fusschirurgischen Eingriffen sicher war und keine unerw&uuml;nschten Effekte auftraten. 23 von 24 Patienten zeigten nach der Abnahme des PICO<sup>&reg;</sup> reizlose, geschlossene Wundverh&auml;ltnisse. Eine Wundrandnekrose (OSG-Prothese) trat bei einem Patienten auf und konnte unter konservativer Therapie folgenlos abheilen. Ein Wundinfekt gem&auml;ss den CDC-Kriterien wurde nicht verzeichnet. Die Patienten tolerierten die PICO<sup>&reg;</sup>-Therapie gut. Mehrere Patienten zeigten sich allerdings beunruhigt, weil sich das PICO<sup>&reg;</sup>-Ger&auml;t nach ca. einer Woche abschaltet. Als Konsequenz wurde ein Informationsblatt erstellt, welches die Funktionsweise und eigenst&auml;ndige Dekonnektion des abgeschalteten PICO<sup>&reg;</sup> erkl&auml;rt und allen Patienten bei der Entlassung gegeben wird.<br /> Die Ergebnisse dieser Fallserie decken sich mit den Erfahrungen anderer Autoren. Dem Autor ist nur eine &laquo;Peerreviewed &raquo;-Publikation bekannt, die die Anwendung des PICO<sup>&reg;</sup> in der Fusschirurgie untersucht. Matsumoto und Parekh haben 74 Patienten nach OSG-Prothese evaluiert. Davon wurden 37 Patienten postoperativ mit dem PICO<sup>&reg;</sup> behandelt, die anderen erhielten konventionelle Verb&auml;nde mit nicht klebender, absorbierender Wundauflage (Telfa, Medtronic, Minneapolis, USA).<sup>3</sup> Die Patienten tolerierten den PICO<sup>&reg;</sup> problemlos. Wundheilungsst&ouml;rungen traten bei einem Patienten in der PICO<sup>&reg;</sup>- Gruppe auf, bei 9 Patienten in der Kontrollgruppe. PICO<sup>&reg;</sup> reduzierte Wundheilungsst&ouml;rungen signifikant (Risikoverh&auml;ltnis 0,10). In einer vergleichenden retrospektiven Studie untersuchten Adogwa et al. 160 Patienten, welche einer langstreckigen thorakolumbalen Spondylodese unterzogen wurden.<sup>4</sup> Bei 46 Patienten wurde nach Wundverschluss ein PICO<sup>&reg;</sup> f&uuml;r 3 Tage angelegt. In dieser Gruppe wurden 50 % weniger Wunddehiszenzen beobachtet. Die Inzidenz von Wundinfektionen war signifikant kleiner (10,6 % ) im Vergleich zur Gruppe ohne PICO<sup>&reg;</sup> (14,9 % ; p=0,04).<br /> Strugala et al. f&uuml;hrten eine Metaanalyse von 16 Studien durch, bei denen ein PICO<sup>&reg;</sup> nach Wundverschluss benutzt wurde.<sup>5</sup> Es konnte gezeigt werden, dass nach PICO<sup>&reg;</sup>-Anwendung die Rate der Wunddehiszenzen, die Inzidenz von Wundinfekten und die Zeit des Aufenthalts des Patienten im Spital signifikant reduziert werden konnten.</p> <h2>Konklusion</h2> <p>Die Anwendung des PICO<sup>&reg;</sup>-Unterdrucktherapiesystems ist sicher und kann die Inzidenz von Wundheilungsst&ouml;rungen und Infektionen in der Fusschirurgie reduzieren.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Ortho_1802_Weblinks_lo_ortho_1802_s29_abb1+2.jpg" alt="" width="2134" height="1770" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Ortho_1802_Weblinks_lo_ortho_1802_s30_abb3+tab1.jpg" alt="" width="2150" height="1889" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Wiewiorski M et al.: Risk factors for wound complications in patients after elective orthopedic foot and ankle surgery. Foot Ankle Int 2015; 36(5): 479-87 <strong>2</strong> Horan TC et al.: CDC definitions of nosocomial surgical site infections, 1992: a modification of CDC definitions of surgical wound infections. Am J Infect Control 1992; 20(5): 271-4 <strong>3</strong> Matsumoto T, Parekh S: Use of negative pressure wound therapy on closed surgical incision after total ankle arthroplasty. Foot Ankle Int 2015; 36(7): 787-94 <strong>4</strong> Adogwa O et al.: Negative pressure wound therapy reduces incidence of postoperative wound infection and dehiscence after long-segment thoracolumbar spinal fusion: a single institutional experience. Spine J 2014; 14(12): 2911-7 <strong>5</strong> Strugala V, Martin R: Meta-analysis of comparative trials evaluating a prophylactic single-use negative pressure wound therapy system for the prevention of surgical site complications. Surg Infect (Larchmt) 2017; 18(7): 810-9</p> </div> </p>
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