
„Im Zeichen der Wertschätzung und Erinnerung“
Bericht:
Mag. Christine Lindengrün
Überschattet vom plötzlichen Ableben des Kongresspräsidenten Thomas Neubauer, wurde die gemeinsame Jahrestagung der ÖGU und der ÖGOuT im Oktober als Teil seines Vermächtnisses gesehen.
Wie schon im vergangenen Jahr wurde die Jahrestagung auch heuer wieder im virtuellen Format abgehalten. Neben den vielen Features, die sich im Vorjahr bewährt haben, gab es diesmal noch zusätzliche Angebote, wie etwa eine Besucherlounge, wo man sich zu zweit oder zu mehreren in virtuellen Räumen zum Plaudern treffen konnte. Auch eine „Fortbildungs-Challenge“ fand Anklang. Es galt, Quizfragen zur Industrieausstellung und zu Postern zu beantworten und die virtuellen Ausstellungsstände der Industrie zu besuchen, um Punkte zu sammeln und einen der tollen Preise zu gewinnen, die von den Hauptsponsoren gestiftet worden waren.
Auf die wissenschaftlichen Vorträge blicken wir im Interview mit Prim. Priv.-Doz. Dr. Vinzenz Smekal zurück, der als Prä-Präsident der ÖGU und ÖGOuT die Jahrestagung nach den Plänen und im Sinne von Prim. Dr. Thomas Neubauer umgesetzt hat.
Wie zufrieden sind Sie mit dem Ablauf der Jahrestagung?
V. Smekal: Ich muss sagen, ich war von der Qualität der wissenschaftlichen Beiträge überwältigt. Es war beeindruckend und lehrreich. Der medizinische Fortschritt schreitet rasant voran und das merkt man besonders an Themen wie der minimal invasiven Chirurgie. Dinge, über die man gestern noch ungläubig den Kopf schüttelte, sind morgen etabliert und übermorgen schon Standard.
Zu Beginn haben wir uns mit Grundlagen und etablierten Konzepten beschäftigt und dann mit den vielen Innovationen. Es wurden die Prinzipien, aber auch die Grenzen der minimal invasiven Chirurgie aufgezeigt, Gefahren wurden diskutiert. Neue Techniken und neue Konzepte wurden vorgestellt.
Was waren Ihre persönlichen Highlights?
V. Smekal: Besonders spannend fand ich, zu erfahren, was man im Bereich der Beckenchirurgie schon minimal invasiv machen kann: Die minimal invasiven Möglichkeiten, das Becken zu stabilisieren, werden immer ausgereifter. In Deutschland hat man begonnen, Osteosynthesen am Beckenring und Acetabulum roboterassistiert durchzuführen. Das kann man sich so vorstellen: Zuerst wird das Becken mit einem Fixateur externe fixiert. Und dann arbeitet der Roboter am Patienten. Die Operateure sitzen an der Konsole. Das war für mich sehr beeindruckend.
Tolle Beiträge gab es auch über arthroskopisch assistierte Eingriffe. Man kann Frakturrepositionen arthroskopisch gestützt durchführen, z.B. am Sprunggelenk, am Fersenbein oder auch am Tibiakopf. Arthroskopische Arthrodesen am OSG wurden gezeigt. Auch Patellainstabilitäten mit Trochleapastik können mittlerweile gut kontrolliert arthroskopisch versorgt werden. Die Arthroskope werden immer kleiner. Sogenannte Nanoskope dienen nicht mehr nur dem Einblick ins Gelenk, es gibt jetzt auch schon Instrumente dazu. Man wird sehen, welchen Stellenwert die therapeutische Nanoskopie in Zukunft einnehmen wird.
Sehr gut fand ich auch die Podiumsdiskussion „Mein schlimmster Fall“. Da wurde aufgezeigt, wohin Fehleinschätzungen oder unvorhergesehene Komplikationen führen können. Im Forum wurde dann diskutiert, wie solche Probleme gelöst werden können bzw. wie der Schaden begrenzt werden kann.
In der Sitzung ASCIS (Austrian Spinal Cord Injury Study) wurde ein Literaturüberblick über die Behandlung von Densfrakturen präsentiert. Wir haben ein Update zur NeuroWAVE-Studie bekommen, in der man akute Querschnittsläsionen mit Stoßwelle behandelt, um den spinalen Schock einzudämmen. Man erhofft sich davon, dass dem Patienten dadurch weniger sekundäre Schäden am Rückenmark entstehen und er so auch folglich weniger an Spasmen leiden wird.
Interessante Einblicke gaben auch die Arbeitskreissitzungen „Experimentelles Forum“ und „Gutachten“ bis hin zur Schlusssitzung „Minimalinvasive Chirurgie des Handgelenks und des Fußes“.
Inwiefern wirkte sich die Existenz der Dachgesellschaft ÖGOuT bei der Programmgestaltung aus?
V. Smekal: Wir haben viele orthopädische Beiträge gehabt, z.B. über minimal invasiv versorgte degenerative Wirbelsäulenerkrankungen. Auch zu den minimal invasiven Verfahren an der Hüfte kam sehr viel Input von orthopädischer Seite, der sehr interessant war: So haben die Orthopäden etwa teilweise einen anderen Zugang zu Problemen der Hüfte und bevorzugen auch bei Schenkelhalsfrakturen unzementierte Schäfte. Unterschiedliche Methoden wurden diskutiert, z.B. vorderer Zugang mit und ohne Extensionstisch. Es erweitert einfach den Horizont für beide Seiten, andere Blickpunkte, andere Fokussierungen, andere Schwerpunkte kennenzulernen.
Was können Sie uns aus Sicht des Organisators berichten?
V. Smekal: Diese Tagung stand im Zeichen der Wertschätzung für Thomas Neubauer und der Erinnerung an ihn. Trotz seiner im Frühjahr diagnostizierten schweren Erkrankung hat er bis zuletzt daran geglaubt, die Jahrestagung selbst eröffnen zu können. Wir haben versucht, seine Vorstellungen über die Themenzusammenstellung und den organisatorischen Ablauf zu erfüllen und seine Wünsche hinsichtlich Referenten und Widmung der Charity-Projekte zu respektieren. Das Thema „Minimalinvasive Unfallchirurgie und Orthopädie“, das Neubauer vorgegeben hat, war eine ausgezeichnete Wahl. Erstmals stand nicht eine bestimmte anatomische Region im Fokus, sondern eine Versorgungsphilosophie. Die Beiträge waren alle hervorragend. Wir hatten bereits im Vorfeld der Tagung sehr schöne Anmeldezahlen und im Verlauf sind noch einige Registrierungen dazu gekommen. Mit 1091 Besucher*innen hatten wir schlussendlich sogar etwas mehr Teilnehmer*innen als im Vorjahr. Ich glaube, Thomas Neubauer hätte seine Freude an diesem Erfolg gehabt.
Ehrungen und Preise
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Zum Ehrenmitglied der ÖGU wurde Univ.-Prof. Dr. Herbert Resch (Salzburg) ernannt, und zwar aufgrund seiner „großartigen Leistungen für die Schulterchirurgie und die Österreichische Gesellschaft für Unfallchirurgie“, so Doz. Vinzenz Smekal. „Sein berufliches Leben war geprägt von der Wissenschaft und der Entwicklung von Operationsmethoden und Implantaten, die heute internationale Anerkennung und Verwendung finden.“
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Die Ehrung „Korrespondierendes Mitglied“ erhielt Univ.-Prof. Dr. Claudius Thomé (Innsbruck) für seine fachliche Expertise und seine wissenschaftlichen Leistungen auf dem Gebiet der Neurochirurgie.
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Mit der Lorenz-Böhler-Medaille wurde Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Grechenig (Graz) bedacht. „Sein großer Verdienst für die Unfallchirurgie ist die möglichst realitätsnahe Weitergabe von Wissen“, sagte Smekal: „Grechenig-Kurse waren schon während meiner Ausbildungszeit ein ,Muss‘ für jeden lernenden Unfallchirurgen, ob Assistent oder Facharzt.“
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Der Günther-Schlag-Abstractpreis ging an Dr. Amelie Deluca (Salzburg) für ihr Projekt über extravesikuläre Vesikel in der Regeneration von osteoporotischem Knochen.
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Den Emanuel-Trojan-Posterpreis erhielt Dr. Maria Babarro Gonzalez für ihr Poster „Verletzung des Facettengelenkes im Rahmen von minimal invasiven Versorgungen durch perkutan gesetzte Pedikelschrauben“.
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Der Preis für die beste experimentelle Arbeit ging an DDr. Jakob Schanda et al. für das Abstract „Zoledronic acid substantially improves bone microarchitecture and biomechanical properties after rotator cuff repair in a rodent chronic defect model“.
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Die beste klinische Arbeit haben heuer Dr. Patrick Holweg et al. präsentiert: „A lean bioabsorbable magnesium-zinc-calcium alloy ZX00 used for operative treatment of medial malleolus fractures: early clinical results of a prospective non-randomized first in man study“.
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Eine Spende von 10 000 Euro konnte Univ.-Prof. Siegfried Meryn für das Sozialprojekt „CAPE 10“ entgegennehmen.
Quelle:
57. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Unfallchirurgie (ÖGU) & 2. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Orthopädie und Traumatologie (ÖGOuT), 7.–9. Oktober 2021, online
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