© OSS

Handgelenksarthroskopie im Kindes- und Jugendalter

Das Handgelenk kann nicht nur beim Erwachsenen Ursache von akuten oder chronischen Schmerzen sein: Auch Kinder und Jugendliche leiden nach Trauma oder Sport oftmals an limitierenden Beschwerden. Der folgende Artikel über die kindliche Handgelenksarthroskopie gibt genauere Einblicke in die Anwendung dieser etablierten diagnostisch-therapeutischen Modalität.

Keypoints

  • Es muss zwischen diagnostischen und therapeutischen ASKs unterschieden werden.

  • Spätestens nach 3–6 Monaten erfolgloser konservativer Therapie ist eine diagnostische ASK bei chronifizierten, unklaren Beschwerden indiziert.

  • Der Operateur sollte mit den speziellen altersbedingten Umständen ausreichend vertraut sein.

  • Therapeutische Arthroskopien werden selten isoliert, sondern oft in Kombination mit knöchernen Begleiteingriffen durchgeführt.

Die Weiterentwicklung der Arthroskopie (ASK) hat in den letzten Jahrzehnten rasante Fortschritte gemacht. Heutzutage stellt die Arthroskopie des Handgelenkes ein wichtiges Tool zur Diagnostik und Therapie von Handgelenksproblemen dar. Sowohl diagnostisch als auch therapeutisch ist sie in vielerlei Hinsicht der Goldstandard. Doch nicht nur im Erwachsenen-, sondern auch im Kindes- und Jugendalter kann dieses Verfahren erfolgreich angewendet werden. Nachdem in der Vergangenheit nur fallweise jüngere Patienten arthroskopiert werden konnten, hat sich dies mittlerweile zumindest an Spezialzentren mit entsprechender handchirurgischer Expertise geändert. Trotz kleinerer, vulnerabler anatomischer Strukturen ist ein entsprechender Eingriff ohne relevante Hindernisse möglich.

Indikationen

Grundsätzlich muss bei der Anwendung der ASK zwischen diagnostischen und therapeutischen Eingriffen unterschieden werden. Gerade bei Kindern und Jugendlichen gestaltet sich die klinische Diagnostik oftmals schwierig und bleibt manchmal inkonklusiv. Sollte auch die bildgebende Diagnostik keinen klaren Hinweis für ein pathologisches schmerzauslösendes Geschehen liefern, so kann die ASK rasch zur Klärung der Symptome beitragen.

Der jugendliche idiopathische unspezifische Handgelenksschmerz ist ein nicht selten anzutreffendes Krankheitsbild, das sowohl durch Überbelastung (Sport), Bandlaxizität während der Pubertät, rasche Wachstumsphasen oder gar psychosomatisch ausgelöst werden kann. In solchen Fällen kann es hilfreich sein, eine arthroskopische Diagnosestellung vorzunehmen, um keine zugrundeliegenden strukturellen Schäden zu übersehen. Spätestens nach 3–6 Monaten erfolgloser konservativer Therapie ist eine solche diagnostische ASK bei chronifizierten Beschwerden unumgänglich.

Die therapeutische ASK hingegen findet vor allem bei Verdacht auf posttraumatische intraartikuläre Läsionen Anwendung. Hierzu zählen u.a. Knorpelschäden, Läsionen des triangulären fibrokartilaginären Komplexes (TFCC), SL-Band-Teilrupturen oder auch Synovitiden und rheumatische Problematiken. In diesen Fällen finden oftmals etablierte arthroskopische Techniken aus der Erwachsenenchirurgie Anwendung (z.B. TFCC-Refixation, SL-Bandnaht), die sich auch beim Kind und/oder Jugendlichen meistens unproblematisch durchführen lassen.

Der Operateur sollte jedenfalls mit den speziellen altersbedingten Umständen ausreichend vertraut sein, um ein gutes OP-Ergebnis zu gewährleisten. Auch ist anzumerken, dass eine solche therapeutische Arthroskopie selten isoliert, sondern sehr oft in Kombination mit knöchernen Begleiteingriffen im Unterarmbereich, wie z.B. bei einer Ellenüberlänge, durchgeführt werden muss. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sowohl angeborene Deformitäten als auch viele kindliche Traumata zu einer kombinierten knöchernen Fehlstellung im distalen Speichen- und/oder Ellenbereich mit Weichteilschaden (v.a. ulnocarpal) führen können.

Technische Details

Bei Kindern wird, wie auch beim Erwachsenen, am hängenden Arm unter entsprechender Blutsperre gearbeitet. Entsprechende Standardportale (3/4, 6R) reichen in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle völlig aus, um die relevanten Strukturen zu analysieren. In seltenen Fällen kann ein ulnarseitiges Portal (6U) notwendig werden, etwa bei ulnocarpalen Beschwerden im Rahmen einer Madelungschen Deformität. Midcarpale Portale werden standardmäßig nicht angelegt.

Nach Instillation von ca. 5–6ml Kochsalzlösung in den radiocarpalen Gelenkspalt wird über das 3/4-Portal die Optik eingebracht, und ein 6R-Arbeitszugang wird gesetzt, über welchen die Knorpelüberzüge, Bänder und der TFCC ausgetastet werden können. Eine übermäßige Distension des hängenden Armes durch Gewichte ist aufgrund der relativen Bandlaxizität nicht angezeigt; es reichen üblicherweise 1–2kg. Als Standardoptik wird eine 2,3mm-Optik verwendet, kleinere Optiken (1,9mm) konnten aufgrund des eingeschränkten Sichtfeldes sowie der Fragilität des Materiales keinen Vorteil bringen. Die „trockene Arthroskopie“ („dry wrist arthroscopy“) hat momentan (noch) keinen Stellenwert in der Anwendung der kindlichen Handgelenks-ASK. Ebenso wird eine diagnostische midcarpale ASK standardmäßig bei Kindern nicht durchgeführt.

Sollte eine Sanierung des TFCCs notwendig sein (Abb. 1), so wird diese bei uns über eine ulnarseitige Mini-Inzision durchgeführt. Hierbei wird der sensible dorsale Ulnarisast zur Seite gehalten, der TFCC mit einer rosa Nadel in Outside-in-Technik perforiert und ein 0er-Maxonfaden durchgeschlungen. Der Faden wird nach außen durchgezogen und so eine kapsuläre Naht, die bei Kindern und Jugendlichen üblicherweise ausreicht, komplettiert. Foveale Nähte finden nur selten Anwendung, und wenn, dann im Falle von relevanter DRUG-Instabilität und weitestgehend geschlossener Ellenwachstumsfuge.

© OSS

Abb. 1: Mehrere Fälle mit TFCC-Rupturen sind aufgeführt. Im Fall einer großen zentralen Ruptur mit wegstehender Lefze (A) wurde ein zentrales Débridement durchgeführt (B). Ein vom Styloid abgerissener TFCC (C) wurde mittels einer Outside-in-Naht unter entsprechender Spannung refixiert (D). Im Fall einer fovealen Avulsion mit Instabilität des DRUGs (E) erfolgte bei weitestgehend geschlossener Ulnafuge eine foveale Reinsertion mittels Bohrkanal (F)

Ergebnisse

Mehrere Studien aus unserer Studiengruppe konnten die guten Resultate dieser OP-Technik verifizieren (Abb. 2). So konnte bei 34 ASKs bei einem Patientenalter von durchschnittlich 14,6 Jahren (10–18 Jahre) keine einzige intraoperative Komplikation beobachtet werden. Festzuhalten ist hierbei nochmals, dass eine solche ASK oftmals mit anderen Begleiteingriffen kombiniert durchgeführt werden muss. Eine weitere Arbeit an 41 Handgelenken (39 Patienten) mit chronischen Schmerzen konnte bei >80% der Patienten einen TFCC-Riss als zugrundeliegende Ursache für die Beschwerden verifizieren. Zusätzlich fanden sich weitere Begleitpathologien in immerhin 76% der Fälle. Da diese Risse nur selten (<50%) im MRT präoperativ gefunden wurden, bestätigte sich der enorme Stellenwert der ASK bei Kindern und Jugendlichen.

© OSS

Abb. 2: Weitere Fälle mit relevanten pädiatrischen Beispielen der ASK sind massive Synovitis bei JIA (A), Madelung-Deformität (B), SL-Band-Läsion Grad 1–2 von radiocarpal (C) und midcarpal (D), Chondrolyse und Frühdegeneration bei JIA mit CRPS (E), und belastungsbedingte Chondromalazie des Lunatums (F)

Auch in Bezug auf TFCC-Chirurgie konnten in einigen wenigen Studien sehr vielversprechende Ergebnisse gefunden werden. In unserem eigenen Kollektiv führten kapsuläre TFCC-Refixationen zu einer ausgezeichneten Schmerzreduktion von VAS 7 auf 1,7 unddeutlichen Verbesserung des Modified Mayo Wrist Scores. Der DASH-Score konnte auf einen guten Wert reduziert werden, auch wenn sich die Sportfähigkeit erfahrungsgemäß erst nach 3–6 Monaten normalisiert. Relevante Komplikationen konnten nicht beobachtet werden und beliefen sich auf temporäre ulnarseitige Parästhesien.

Im Gegensatz dazu zeigten Eingriffe mit der Notwendigkeit eines TFCC-Débridements oder gar Resektion desselben erst nach Folgeeingriffen gute Ergebnisse. Hierzu zählten u.a. DRUG-Stabilisierungs-OPs oder sekundäre Ellenverkürzungen. Danach jedenfalls konnten auch hier gute, anhaltend zufriedenstellende Ergebnisse erreicht werden.

Die bisher größte vergleichbare Studie aus Boston untersuchte 149 Kinder mit 153 TFCC-Rissen nach. Hierbei zeigten 56% eine vorherige Radius- und/oder Ellenfraktur, 14% eine DRUG-Instabilität und 7% eine ECU-Sehnen-Subluxation oder Schmerzen. 35% hatten eine Ellen-Plus-Variante, die in 27% der Fälle zu einem ulnocarpalen Impaktionssyndrom führte. Auch in dieser Studie zeigte die überwiegende Mehrzahl der Fälle einen peripheren Riss des TFCC (52% ellenseitig, 20% radiusseitig abgerissen) und ein gutes Ergebnis nach arthroskopischer Versorgung mittels Naht oder reinem Débridement. Dennoch benötigten 19% einen Folgeeingriff wegen knöcherner Fehlstellungen oder Rerupturen. Die Autoren unterstrichen infolgedessen den Stellenwert einer sofortigen knöchernen Korrektur im Rahmen des Ersteingriffes.

Zusammenfassung

Die ASK des Handgelenks im Kindes- und vor allem Jugendalter hat sich sowohl als diagnostische als auch therapeutische Option gut etabliert. Jedoch sollte in ihrer Anwendung große Vorsicht geboten sein, da die vorhandenen Strukturen deutlich vulnerabler sind als beim (älteren) Erwachsenen und sich die Krankheitsbilder der verschiedenen Altersgruppen teilweise deutlich voneinander unterscheiden. Es sollte daher ausreichende, mehrjährige Erfahrung in der Behandlung des kindlichen Handgelenksschmerzes mitsamt dessen mannigfaltigen Pathologien vorliegen, um eine zielgerichtete, erfolgreiche (arthroskopische) Therapie zu gewährleisten.

beim Verfasser

Back to top