
„Fortführung von Forschungsprojekten ist mir ein großes persönliches Anliegen“
Unser Gesprächspartner:
Prim. Prof. Dr. Björn Rath
Vorstand der Abteilung für Orthopädie und orthopädische Chirurgie
Klinikum Wels-Grieskirchen
Das Interview führte Dr. Christine Dominkus
Björn Rath wurde aus Aachen als Primarius und Nachfolger von Klemens Trieb nach Wels-Grieskirchen berufen. Im Interview erläutert der Abteilungschef, wie er seine wissenschaftlichen Schwerpunkte im klinischen Alltag umsetzen möchte.
Sie sind seit September 2019 Vorstand der Abteilung für Orthopädie und orthopädische Chirurgie am Klinikum Wels-Grieskirchen. Wie empfinden Sie den Wechsel von der Uniklinik Aachen, wo Sie stv. Klinikdirektor waren, nach Oberösterreich?
B. Rath: Beruflich wie auch privat fühle ich mich in Oberösterreich sehr wohl. Entsprechend dem Wechsel von einer universitären Abteilung an ein Krankenhaus der Schwerpunktversorgung liegt mein Fokus jetzt vornehmlich auf der klinischen Patientenversorgung und der administrativen Leitung der Abteilung. Zudem bedeutete der Wechsel nach Österreich, dass ich mich mit einigen Punkten des hiesigen Gesundheitssystems weiter vertraut machen musste. Als Team der orthopädischen Abteilung am Klinikum Wels-Grieskirchen sind wir, auch gerade vor dem schwierigen Hintergrund der Pandemie, sehr gut zusammengewachsen und im gegenseitigen Austausch verfolgen wir dieselben Ziele bei anstehenden Veränderungen und strukturellen Verbesserungen in unserer Abteilung.
Welchen Einfluss hatte und hat die Pandemie auf die Versorgung der orthopädischen Patienten in Wels-Grieskirchen?
B. Rath: Der Einfluss auf die Versorgung unserer Patienten war und ist sehr groß. Im ersten Lockdown 2020 wurden alle planbaren Eingriffe verschoben und es wurden dementsprechend nur Notfalleingriffe durchgeführt. Dies hatte eine erhebliche Belastung für die Patienten und Mitarbeiter (Koordinierung, Patienteninformierung) zur Folge. Im weiteren Verlauf kam es dementsprechend zu einer Reduktion der orthopädischen Betten- und OP-Kapazität. Dies war notwendig, um so die Bettenkapazität für die Covid-Patienten zu gewährleisten und zugleich das benötigte Personal für die Betreuung der Patienten bereitzustellen. Das bedeutet weiterhin einen hohen Aufwand und eine Herausforderung bei der Planung und Durchführung der Patientenversorgung, um eine zeitgerechte Behandlung der Patienten zu gewährleisten.
Gelingt es, Ihre wissenschaftlichen Arbeiten neben der administrativen Tätigkeit als Primarius mit Ihrem Team weiterzuführen?
B. Rath: Zwangsläufig ist der zeitliche Rahmen nicht mehr derselbe wie an einer Uniklinik. Dennoch führe ich meine Forschungsprojekte mit der Universität Aachen weiter fort. Zusammen mit den Mitarbeitern der orthopädischen Abteilung im Klinikum Wels-Grieskirchen haben wir zudem aktuell mehrere Forschungsprojekte laufen, u.a. im Bereich der Biomechanik und der Optimierung von Hüft- und Knieprothesensystemen. Die Fortführung dieser und neuer Forschungsprojekte am Klinikum Wels-Grieskirchen ist mir ein großes persönliches Anliegen.
Welches waren konkret Ihre wissenschaftlichen Schwerpunkte bisher und können Sie beispielsweise die Knorpelforschung (an einem Versorgungskrankenhaus) weiterbetreiben?
B. Rath: Meine bisherigen wissenschaftlichen Schwerpunkte lagen im Bereich der Biomechanik des Hüft- und Kniegelenkes, vor allem unter dem Gesichtspunkt der endoprothetischen Versorgung. Zudem habe ich mich intensiv mit der Chondro- und Osteogenese im Bereich der Grundlagenforschung beschäftigt. Die Arbeiten im Bereich der Biomechanik und der Knorpelforschung kann ich vor allem im klinischen Alltag weiterbetreiben und umsetzen, um diese Erkenntnisse unseren Patienten zugutekommen zu lassen.
Ein internationales Forschungsprojekt, das ich mit dem Fraunhofer-Institut in Aachen begonnen habe, ist die Anwendung von Augmented (Virtual) Reality-Systemen zur Unterstützung im Bereich der Hüft- und Knieendoprotethik. Dieses Forschungsprojekt werde ich in Wels ebenfalls fortsetzen.
Wie hoch ist der Anteil an Revisionsoperationen im Vergleich zu primären Prothesen an Ihrer Abteilung (KTEP, HTEP)?
B. Rath: In den letzten drei Jahren lag der Anteil der Revisionsoperationen zwischen 15% und 20%, wobei hier vor allem die komplexen Revisionen (Z.n. mehrfachen Voroperationen) sowie die Revisionseingriffe aufgrund von periprothetischen Frakturen doch deutlich zunehmen.
Sie sind sehr innovativ in der Endoprothetik. Welche Schwerpunkte setzen Sie?
B. Rath: Einerseits sind mir die optimale Planung des endoprothetischen Eingriffs am Hüft- und Kniegelenk sowie die operative Umsetzung der Planung sehr wichtig. Hier kommen die biomechanischen Gesichtspunkte der Forschungsarbeiten bei der Planung und die Verwendung von intraoperativen Systemen (Augmented Reality etc.) zur Anwendung. Dies ermöglicht eine exakte Platzierung der Endoprothesen und eine Rekonstruktion der Gelenkkinematik. Des Weiteren ist die minimal invasive Implantationstechnik ein Schwerpunkt in unserer Klinik.
In der Revisionsendoprothetik ist es mir wichtig, dass alle operativen Versorgungen von komplexen Fällen im Bereich des Hüft- und Kniegelenkes in unserer Abteilung durchgeführt werden.
Sie haben langjährige Erfahrung in der Behandlung von benignen und malignen Tumoren des Bewegungsapparates. Gibt es hierzu Überlegungen, die Tumordiagnostik und -chirurgie in Oberösterreich weiterzubetreiben?
B. Rath: An der Uniklinik in Aachen war ich unter anderem Leiter der Sektion für Tumororthopädie. Diese Erfahrung möchte ich gerne am Klinikum Wels-Grieskirchen einbringen, um die tumororthopädische Versorgung der Patienten in Oberösterreich weiter zu etablieren. Hierzu wurden die interdisziplinären Kooperationen u.a. mit den Kollegen der Onkologie, Radiologie, Strahlentherapie und Nuklearmedizin bereits ausgebaut und weitere Schritte sind in Planung. Darüber hinaus besteht weiterhin eine Kooperation mit der Universitätsklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie am AKH Wien und der Klinik für Tumororthopädie am Westdeutschen Tumorzentrum.
Wohin wollen Sie Ihre Abteilung in fünf Jahren führen?
B. Rath: In der aktuellen Zeit sehe ich es vor allem als wichtig an, dass die Versorgung der Patienten auf einem hohen Niveau fortgeführt werden kann. Zudem ist es für mich von Bedeutung, dass wir unsere Spezialisierungen in den einzelnen Bereichen weiter ausbauen und unsere gewonnenen Erfahrungen aus der Klinik und den wissenschaftlichen Tätigkeiten in die Behandlung der Patienten einbringen, um diese noch weiter zu optimieren. Zwei weitere wichtige Punkte für mich in den nächsten Jahren sind die strukturierte Aus- und Weiterbildung der jungen Kollegen mit einem fundierten Ausbildungskonzept, damit Sie konservativ und operativ zu optimal ausgebildeten Fachärzten herangeführt werden. Zudem möchte ich die Zusammenarbeit mit der Unfallchirurgie am Klinikum Wels-Grieskirchen weiter ausbauen, weil die jungen Kollegen die gemeinsame Facharztausbildung durchlaufen und durch eine gemeinsame Behandlung eine verbesserte Versorgung für unsere Patienten erreicht wird. Als Beispiel ist hier unter anderem die Behandlung von periprothetischen Frakturen und geriatrischen Frakturen zu nennen.
Wir danken für das Gespräch und wünschen viel Erfolg bei Ihren Plänen!
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