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Expertenkreis Gelenkserhalt und Knorpelregeneration Österreich gegründet

Eine neue Initiative ergreift Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgung der Österreicher:innen mit knorpelchirurgischen Eingriffen.

In Österreich wie in den restlichen Industrieländern steigen die Zahlen an endoprothetischen Eingriffen kontinuierlich.1 Jedoch sind in Österreich – im Gegensatz z.B. zu Deutschland – vor allem die gelenkerhaltenden und knorpelregenerativen Eingriffe unterrepräsentiert. So wurden im Jahr 2021 fast 19000 Teil- und Totalendoprothesen am Kniegelenk implantiert (MEL Leistung NF230). Im selben Jahr erfolgten jedoch nur knapp 34000 Arthroskopien (MEL Leistung NF020) am Knie (Quelle: www.statistikaustria.at).

Folgt man internationalen Studien, finden sich in 4–11% der Kniearthroskopien Knorpelschäden, die dem Indikationsspektrum nach (Größe, Art und Lokalisation) der Knorpelregeneration mittels matrixgestützter autologer Chondrozytentransplantation (mACT) zugeführt werden sollten.2 Daraus sollten in Gesamtösterreich jährlich zwischen ca. 1300 und 3500 mACT-Behandlungen resultieren. Tatsächlich erhalten aktuell lediglich ca. 200 Patient:innen in Österreich diese Therapie.

Die mACT ist bei lokalisierten Knorpeldefekten über 2cm2 derzeit der internationale Goldstandard. Sie zählt in der Orthopädie mit über 23 RCTs und Metaanalysen zu einer der Methoden mit der höchsten Evidenz.4 In der Literatur werden sehr gute Langzeitergebnisse mit Verbesserung der Scores bei über 80% der Patient:innen im Follow-up von bis zu 20 Jahren belegt.3 Nach aktuellen wissenschaftlichen Daten könnten bei rechtzeitiger adäquater Behandlung von derartigen Knorpelschäden am Kniegelenk 21% der aktuell jährlich durchgeführten Knieendoprothesen vermieden werden.4

Vogelmann et al. und die NICE-Studie im Auftrag des National Health System in Großbritannien konnten zudem nachweisen, dass die mACT trotz ihrer hohen Behandlungskosten (v.a. für die Zellzüchtung) in den untersuchten Gesundheitssystemen bei Zellzüchtungskosten von ca. 10000 englischen Pfund bzw. 12500€ kosteneffizient ist.4,5

Im Gegensatz dazu sind in Österreich die Behandlungskosten inkl. Zellkultivierung für die mACT im LKF-Punktesystem mit 9470 LKF-Punkten nicht kostendeckend abgebildet. Erschwerend kommt die recht unterschiedliche Vergütung von LKF-Punkten in unterschiedlichen Bundesländern und Versorgungskrankenhäusern hinzu. Diese variieren zwischen 0,30€ pro LKF-Punkt in diversen Privatkliniken und 0,70€ bis 1,70€ pro LKF-Punkt in Landeskrankenhäusern bzw. Universitätskliniken unterschiedlicher Bundesländer.

Für andere gezielte Knorpeleingriffe der internationalen Behandlungsempfehlungen existieren noch gar keine Codes. Daher werden derartige gelenkserhaltende Methoden an Universitätskliniken und Versorgungskliniken und auch in Privatkliniken zur Benachteiligung der Patient:innen zu selten und nicht flächendeckend angewandt. Die Folge ist, dass ersatzweise minderwertige Verfahren mit deutlich schlechteren Langzeitergebnissen gehäuft zur Anwendung kommen und infolgedessen zu früh und zu häufig Knieprothesen mit den entsprechenden Folgeproblemen und Kosten eingesetzt werden.

Um diesen Missstand der Versorgung zum Schaden der österreichischen Bevölkerung zu beleuchten und Maßnahmen zur dringend notwendigen Versorgungsverbesserung zu erarbeiten, kamen am 7. August 2023 Expertinnen und Experten der gelenkserhaltenden Chirurgie zusammen, um den „Expertenkreis Gelenkserhalt und Knorpelregeneration Österreich“ zu gründen. Der Expertenkreis mit Mitgliedern aller orthopädisch-traumatologischen Fachgesellschaften Österreichs hat sich im Sitzungsbeschluss unter anderem folgende Ziele gesetzt:

  • die gelenkserhaltenden und regenerativen Eingriffe in der Orthopädie und Unfallchirurgie in Österreich gemäß internationalem Standard besser zu etablieren sowie weiter auszubauen

  • auf österreichische Gegebenheiten abgestimmte Behandlungsempfehlungen und Unterstützung bei Therapieansätzen anzubieten

  • langfristig die Anzahl der notwendigen Gelenkersatzoperationen zu reduzieren, um der österreichischen Bevölkerung häufiger Mobilität mit eigenen Gelenken bis ins Alter zu ermöglichen

  • sich als Gutachtergremium beim Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz beratend für die Etablierung eines kostendeckenden Vergütungssystems (LKF-Punkte, PRIKRAF) für Gelenkerhalt zu empfehlen

  • Ausbildung und Kenntnisse von Akteur:innen des Gesundheitssystems (Ärzt:innen, Physiotherapeut:innen, politische Vertreter:innen, Kostenträger etc.) bezüglich der wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Gelenkerhalt aktiv zu fördern

  • Öffentlichkeitsarbeit und Aufklärung der betroffenen Patient:innen in Österreich zu fördern

Der „Expertenkreis Gelenkserhalt und Knorpelregeneration Österreich“ arbeitet in Kooperation und Abstimmung mit der ÖGOuT, ÖGO, ÖGU und QKG und ist offen für weitere Mitglieder des österreichischen Gesundheitssystems, die an der Verwirklichung dieser Ziele mitarbeiten möchten.

Gründungsmitglieder in alphabetischer Reihenfolge

  • Prim. Priv.-Doz. DDr. Christian Albrecht, Primar der I. Orthopädischen Abteilung, Orthopädisches Spital Speising, Wien

  • Assoc.-Prof. Priv.-Doz. Dr. Silke Aldrian, Leiterin der Spezialambulanz für traumatische Knorpelschäden im AKH Wien

  • Prim. Priv.-Doz. Dr. Alexander Brunner, MBA, Primar Krankenhaus St. Johann in Tirol

  • Univ.-Prof. Dr. Catharina Chiari, MSc, Präsidentin ÖGO, Primaria der Abteilung für Kinderorthopädie und Fußchirurgie am Orthopädischen Spital Speising Wien

  • Dr. Martin Eichinger, PhD, Bezirkskrankenhaus St. Johann in Tirol

  • Prim. Priv.-Doz. Dr. René El Attal, Präsident ÖGOuT, Primar Landeskrankenhaus Feldkirch

  • Priv.-Doz. Mag. DDr. Stefan F. Fischerauer, Leiter der Sektion Sport-, Knorpel- und Gelenkchirurgie am Universitätsklinikum Graz

  • Dr. Anne Kleiner, AKH Wien

  • Univ.-Prof. Dr. Stefan Nehrer, Universtät Krems

  • Univ.-Prof. Dr. Stefan Marlovits, MBA, Leiter Arbeitskreis Knorpel ÖGU, Zentrum Knorpelregeneration, Orthobiologie und Gelenkerhalt Wien

  • Dr. Florian Obwegeser, MSc, Landeskrankenhaus Feldkirch

  • DDr. Philipp Winkler, Kepler Universitätsklinikum Linz

  • Dr. Alexander Soboll, Oberarzt St. Johann in Tirol

  • Dr. Wolfgang Zinser, OrthoExpert Knittelfeld/Graz, Präsident QKG

1 Mithoefer K et al.: Return to sports participation after articular cartilage repair in the knee: scientific evidence. Am J Sports Med 2009; 37(Suppl 1): 167S-76S 2 Arøen A et al.: Articular cartilage lesions in 993 consecutive knee arthroscopies. Am J Sports Med. 2004; 32: 211-5 3 Berruto M et al.: Long-term follow-up evaluation of autologous chondrocyte implantation for symptomatic cartilage lesions of the knee: a single-centre prospective study. Injury 2017; 48(10): 2230-4 4 Vogelmann T et al.: Long term cost effectiveness of matrix associated chondrocyte implantation in the German health care system: a discrete event simulation. Arch Orthop Trauma Surg 2023; 143: 1417-27 5 Autologous chondrocyte implantation for repairing symptomatic articular cartilage defects of the knee (including a review of TA89), National Institute for Health and Care Excellence, Appraisal consultation document

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