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Entwicklung innovativer Therapieansätze durch die Schulter-Forschungsgruppe am LBI Trauma

<p class="article-intro">Das Ziel der Schulter-Forschungsgruppe, welche 2017 im Ludwig Boltzmann Institut für Experimentelle und Klinische Traumatologie/Forschungszentrum der AUVA gegründet wurde (Rainer Mittermayr), liegt in der Entwicklung und Erforschung von neuen und innovativen Therapiekonzepten für unterschiedliche Schulterpathologien – von der glenohumeralen Instabilität über Pathologien der Rotatorenmanschette bis zur prothetischen Versorgung. Ein wesentlicher Fokus wird dabei auf den translationalen Aspekt gelegt, um die Patientenversorgung und -zufriedenheit weiter zu verbessern.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Mit der zunehmend &auml;lter werdenden Bev&ouml;lkerung nehmen auch die altersbedingten orthop&auml;dischen Erkrankungen zu. Dies ist besonders auch im Bereich der Schulter von Relevanz, da sowohl die Arthrose als auch die Erkrankung der Rotatorenmanschette haupts&auml;chlich degenerative Ver&auml;nderungen sind, die in der alternden Bev&ouml;lkerung stetig zunehmen. Aber auch die Schulterinstabilit&auml;t als Folge der traumatischen Luxation und deren Konsequenzen stellen insbesondere im jungen Alter eine erhebliche Herausforderung in der Versorgung dar.</p> <h2>Rotatorenmanschette</h2> <p>Die Erkrankungen der Rotatorenmanschette reichen von Tendinopathien bis zur Massenruptur. Eine Risikostratifizierung zeigt eine Assoziation von Traumaanamnese, Armdominanz und Alter mit der Rotatorenmanschettenruptur. Partialrupturen k&ouml;nnen sich progredient &uuml;ber die Zeit zur transmuralen Komplettruptur entwickeln. Damit verbunden ist allerdings auch eine Ver&auml;nderung der Muskelarchitektur sowie der Struktur im Sinne der Retraktion, fettigen Infiltration, Fibrose und Muskelatrophie. Dies steht wiederum im negativen Kontext mit der Rekonstruierbarkeit der Ruptur. Bei operativ versorgten Rupturen findet man trotz der stetigen Weiterentwicklung der Operationstechnik immer noch sehr hohe Rerupturraten. Um den Erfolg einer Rekonstruktion zu steigern, k&ouml;nnen unter anderem Strategien verfolgt werden, die auf eine Verbesserung der Sehnen- Knochen-Einheilung, aber auch der (initialen) Insertionsfestigkeit abzielen.<br /> Ein klinisch relevantes Modell an der Ratte mit chronischer Supraspinatussehnenruptur wurde zu diesem Zweck etabliert, um verschiedene therapeutische Strategien zu untersuchen.</p> <p><strong>Sehnen-Knochen-Einheilung</strong><br /> Nach erfolgter transoss&auml;rer Rekonstruktion einer 3 Wochen alten Supraspinatussehnenruptur wurde die extrakorporale Sto&szlig;wellentherapie zur Verbesserung der Sehnenheilung unmittelbar postoperativ angewendet. Es konnte durch eine einmalige Sto&szlig;wellenapplikation ein verbessertes Einheilen anhand verbesserter biomechanischer &bdquo;Load to failure&ldquo;-Ergebnisse im Vergleich zur Kontrollgruppe nachgewiesen werden.<sup>1, 2</sup> Dem translationalen Ansatz folgend wurde bereits eine klinische Studie, basierend auf dieser und weiteren Studien, initiiert, um diese nebenwirkungsfreie, kosteneffiziente und wirksame Therapie in der Klinik zu testen.</p> <p><strong>Insertionsfestigkeit</strong><br /> Eine chronische Ruptur zeigt nicht nur Alterationen in der Muskelstruktur, sondern f&uuml;hrt auch zu oss&auml;ren Ver&auml;nderungen im Bereich der Sehneninsertion (Abb. 1). Die Knochenmineraldichte (&bdquo;bone mineral density&ldquo;) ist aber ein bedeutender Faktor f&uuml;r die Fixationsstabilit&auml;t der bei Rekonstruktionen der Rotatorenmanschetten verwendeten Fadenanker im Knochen. Bei einer Reduktion der Knochenmineraldichte (Inaktivit&auml;tsosteoporose bei chronischen Rotatorenmanschettenrupturen) kann es in weiterer Folge zum Implantatversagen mit konsekutivem Ausfall der Rekonstruktion kommen.<br /> Um die kn&ouml;cherne Insertionsstelle zu augmentieren und somit die Einheilung der Sehne in den Muskel zu verbessern, haben wir die Effekte eines systemisch applizierten Bisphosphonats im bereits zuvor erw&auml;hnten chronischen Defektmodell an der Ratte untersucht. Eine postoperative einmalige subkutane Applikation von Zoledrons&auml;ure f&uuml;hrte zu einer signifikant verbesserten Knochenmikroarchitektur im Bereich der Insertionsstelle im Vergleich zur Kontrollgruppe, welche mit Kochsalzl&ouml;sung behandelt wurde. Diese verbesserte Knochenstruktur im microCT ging einher mit signifikant verbesserten biomechanischen Eigenschaften durch eine Erh&ouml;hung der maximalen Ausrisskr&auml;fte bei den mit Zoledrons&auml;ure therapierten Ratten.<sup>3</sup> Auch diese Therapieoption kann rasch translational in einer klinischen Studie &uuml;berpr&uuml;ft werden, wobei insbesondere &auml;ltere Patienten mit chronischen Rupturen und assoziierter Osteoporose potenziell profitieren k&ouml;nnten.</p> <p><strong>Augmentations-/Interpositionsverfahren</strong> <br />Bei schlechter Sehnenqualit&auml;t oder bei nicht komplett verschlie&szlig;baren Defekten der Rotatorenmanschette kann auf die rekonstruierte Sehne ein Patch als Augmentation aufgebracht oder der Defekt mittels Patch &uuml;berbr&uuml;ckt werden (Interposition). Der Haupteffekt besteht in der Entlastung der nativen, oft degenerativ ver&auml;nderten Sehne im Rahmen der Rekonstruktion und damit der St&auml;rkung bei initialer Belastung. Unterschiedliche Patches aus synthetischen und biologischen Materialien (Allografts und Xenografts) wurden bereits pr&auml;klinisch und klinisch untersucht. Biologische Verfahren haben den Vorteil der verbesserten Integration und der Abbaubarkeit, allerdings gepaart mit einer m&ouml;glichen Antigenit&auml;t. <br />In dieser Studie verwenden wir Fibroin (Abb. 2), welches &uuml;ber eine spezielle Aufbereitung (Entfernung des Sericins) keine Antigenit&auml;t bei guten biomechanischen und biologischen Eigenschaften aufweist.<sup>4</sup> Zus&auml;tzlich kann es in unterschiedlichen Konfigurationen individuell gewoben werden und zeigte bereits sehr gute experimentelle Ergebnisse in einer Untersuchung bei vorderer Kreuzbandplastik in einem Schafmodell.<sup>5</sup> Als Interpositionspatch wurde bei dem chronischen Rupturmodell der Supraspinatussehne ein zus&auml;tzlich gesetzter Defekt mit dem Fibroin- Patch &uuml;berbr&uuml;ckt. Erste Ergebnisse der biomechanischen Pr&uuml;fung zeigten eine h&ouml;here Festigkeit bei den Ausrissversuchen im Vergleich zur Kontrollgruppe, welche nur eine Rekonstruktion der Rotatorenmanschette ohne Patch-Augmentation erhielt. Nach Abschluss der experimentellen Studie im Rattenmodell soll zur &Uuml;berpr&uuml;fung und Best&auml;tigung der positiven Ergebnisse eine Gro&szlig;tierstudie angeschlossen werden (Kooperation A. Teuschl, FH Technikum Wien).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Ortho_2001_Weblinks_s36_abb1.jpg" alt="" width="250" height="415" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Ortho_2001_Weblinks_s36_abb2.jpg" alt="" width="400" height="207" /></p> <h2>Schulterinstabilit&auml;t</h2> <p>Prinzipiell werden unter dem Terminus der Schulterinstabilit&auml;t unterschiedliche Auspr&auml;gungen, von der schmerzhaften Hyperlaxizit&auml;t &uuml;ber die Subluxation bis zur Luxation, subsumiert. Definitionsgem&auml;&szlig; versteht man unter Schulterinstabilit&auml;t die Unf&auml;higkeit, den Humeruskopf in der Pfanne zu zentrieren. <br />Schulterluxationen sind die h&auml;ufigsten Verrenkungen beim Menschen mit einer berichteten Luxationsinzidenz von 1,7 % zwischen dem 18. und 70. Lebensjahr und einer Geschlechterverteilung von 3 : 1 zugunsten des m&auml;nnlichen Geschlechts. In 95 % handelt es sich bei der Schulterluxation um eine unidirektionale anterior-inferiore Verrenkung des Oberarmkopfs. Bei der (traumatischen) Erstluxation wird immer das Labrum abgeschert und gibt Anlass f&uuml;r die Reluxation, abh&auml;ngig vom Alter. Hohe Rezidivraten finden sich vor dem 20. Lebensjahr und k&ouml;nnen durch die wiederkehrenden Luxationen zu einem substanziellen Knochenverlust am Glenoid f&uuml;hren. Dieser Knochendefekt stellt allerdings wiederum einen negativen Parameter f&uuml;r die Stabilit&auml;t dar und ist damit mit einem weiteren erh&ouml;hten Reluxationsrisiko assoziiert. <br />In diesen F&auml;llen f&uuml;hrt nur eine operative kn&ouml;cherne Rekonstruktion des Glenoids wieder zu stabilen Gelenksverh&auml;ltnissen. Sie verhindert den weiteren Knorpelschaden, der bei jeder Verrenkung (durch &bdquo;shear force&ldquo;) stattfindet, und damit die vorzeitige aggravierte Arthrose. <br />Zwei zum Teil sehr kontrovers diskutierte operative Verfahren kommen in diesen F&auml;llen zum Einsatz: Latarjet und J-Span. W&auml;hrend die extraanatomische Operation nach Latarjet zwar mit der Verwendung von Implantaten (Schrauben zur Stabilisierung des transplantierten Processus coracoideus und der ansetzenden Sehnen) durchgef&uuml;hrt wird, kommt es aber zu keiner Hebemorbidit&auml;t, wie dies beim J-Span der Fall ist. Bei der kn&ouml;chernen Augmentation mittels J-Span wird ein Knochenspan aus dem Beckenkamm entnommen. Der entnommene Knochenspan wird dann mit der Pressfit-Technik, ohne die weitere Verwendung von Implantaten, an das Glenoid impaktiert und f&uuml;llt somit den kn&ouml;chernen Defekt. Derzeit gibt es kein klinisches Verfahren, welches die Vorteile beider Operationen vereint. <br />Ziel eines neuen Projektes ist es, ein personalisiertes, an den Defekt angepasstes Transplantat im Sinne eines J-Spans zu entwickeln, ohne ein permanentes Implantat wie Schrauben verwenden zu m&uuml;ssen. Gleichzeitig soll auch die Hebemorbidit&auml;t am Beckenkamm durch Verwendung eines osteo- und angiokonduktiven Knochensubstituts vermieden werden. Es wurden bereits computertomografische Datens&auml;tze von Patienten mit chronischen Schulterluxationen herangezogen, um einerseits das Ausma&szlig; des oss&auml;ren Glenoiddefekts zu ermitteln und zu quantifizieren und andererseits ein Substitut basierend auf diesen Daten zu modellieren (Abb. 3). <br />Im n&auml;chsten Schritt werden diese personalisierten Substitute hergestellt und an den korrespondierenden Glenoiddefekt mittels verschiedener abbaubarer Methoden fixiert. Anschlie&szlig;end soll die initiale Festigkeit des augmentierten Blocks mit einem am LBI f&uuml;r Experimentelle und Klinische Traumatologie konzipierten und entwickelten Schultersimulator durch Translationsversuche mit dem Humeruskopf getestet werden (Abb. 4). In weiterer Folge soll diese Technik in Kooperation mit dem Anatomischen Institut der Medizinischen Universit&auml;t Wien in einem komplexeren Modell bei K&ouml;rperspendern untersucht werden. Ziel ist die Einf&uuml;hrung des individualisierten und personalisierten Transplantats in die Klinik, um die positiven Eigenschaften von beiden zurzeit verf&uuml;gbaren Operationstechniken zu vereinen: die Implantatfreiheit und die Vermeidung der Donormorbidit&auml;t.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Ortho_2001_Weblinks_s36_abb3.jpg" alt="" width="750" height="392" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Ortho_2001_Weblinks_s36_abb4.jpg" alt="" width="350" height="547" /></p> <h2>Ausblick</h2> <p>Die Schulter-Forschungsgruppe am LBI f&uuml;r Experimentelle und Klinische Traumatologie hat sich zum Ziel gesetzt, pathologische Mechanismen bei Schulterpathologien weiter zu erforschen und dadurch neue innovative Therapiestrategien abzuleiten. Zus&auml;tzlich soll der translationale Aspekt fokussiert und in Kooperationen ausgebaut werden.</p> <p>Klinische Teammitglieder:<br />AUVA-Traumazentrum Wien: DDr. Xaver<br />Feichtinger, Dr. Jakob Schanda, Doz. DDr. Sandra<br />B&ouml;sm&uuml;ller, Prim. Prof. Dr. Christian Fialka, MBA<br />UKH Graz: Dr. Angelika Schwarz, Dr. Michael<br />Maier, Doz. Dr. Martin Sauerschnigg, Prim. Dr.<br />Michael Plecko<br />alphaklinik Z&uuml;rich: Dr. Daniel Smolen</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Feichtinger X, Mittermayr R: JATROS Orthop&auml;die &amp; Traumatologie Rheumatologie 2019; 5: 29-31 <strong>2</strong> Feichtinger X et al.: Am J Sports Med 2019; 47(9): 2158-66 <strong>3</strong> Schanda J, in review<strong> 4</strong> Teuschl A et al.: Tissue Eng Part C Methods 2014; 20(5): 431-9 <strong>5</strong> Teuschl A et al.: Am J Sports Med 2016; 44(6): 1547-57</p> </div> </p>
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