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Sarkome im Bereich der Wirbelsäule und deren Therapieoptionen

Eine individuelle und interdisziplinäre Behandlungsstrategie ist gefordert

<p class="article-intro">Die Heterogenität der Sarkome, die geringe Inzidenz und die anatomische Nähe zu essenziellen Strukturen machen die Behandlung an der Wirbelsäule komplex und stellen eine grosse Herausforderung dar. Basierend auf dem aktuellen Wissensstand und den Empfehlungen internationaler Expertengremien haben wir den Behandlungskonsens zusammengefasst.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Klassifikation und Epidemiologie</h2> <p>Im Gegensatz zu Wirbels&auml;ulenmetastasen sind prim&auml;re Knochentumoren an der Wirbels&auml;ule mit einer H&auml;ufigkeit von 0,2 % aller Tumorleiden des Menschen selten. Die gr&ouml;sste Gruppe sind hierbei die Osteosarkome mit 35 % , gefolgt von den Chondrosarkomen mit 25 % und dem Ewing-Sarkom mit 17 % . Zusammengenommen wird f&uuml;r Prim&auml;rtumoren an der Wirbels&auml;ule eine Inzidenz von 2,4 bis 8,5/1 000 000/Jahr angegeben. Histopathologisch sind die Sarkome heterogen. Es lassen sich &uuml;ber 100 Entit&auml;ten unterscheiden. Die differenzierte Zuordnung ist therapeutisch und prognostisch entscheidend.</p> <h2>Diagnostik</h2> <p>Die Basis eines erfolgreichen Therapiekonzeptes bildet eine fundierte detaillierte Diagnostik. In der Regel ist eine umfassende apparative Diagnostik unerl&auml;sslich. So ist beispielsweise bei einem Drittel der Patienten mit osteogenem Osteosarkom oder Ewing- Sarkom bereits bei der Erstdiagnose mit Metastasen zu rechnen.<br /> Die Bildgebung ist bei Wirbels&auml;ulentumoren &ndash; bis auf sehr wenige Ausnahmen &ndash; nicht pathognomonisch. Somit ist eine Biopsie des Tumors in der Regel unerl&auml;sslich (Abb. 1). Diese sollte an einem entsprechenden Referenzzentrum stattfinden. Biopsien an nicht qualifizierten Zentren sind mit einer h&ouml;heren Mortalit&auml;tsrate assoziiert.<br /> Anhand histologischer Eigenschaften wird versucht, das biologische Verhalten vorherzusagen. Dieses Vorgehen bezeichnet man als &laquo;Grading&raquo;. Ein allgemeing&uuml;ltiges Einteilungssystem der malignen Knochentumoren existiert nicht, man unterscheidet in der Praxis meist &laquo;high grade&raquo; und &laquo;low grade&raquo;.<br /> Das sogenannte &laquo;Staging&raquo; ber&uuml;cksichtigt den Grad der Differenzierung, die lokale Tumorausdehnung und die Metastasierung. Die sonst f&uuml;r das Staging &uuml;bliche TNM-Klassifikation (Tumor-Nodus-Metastasen- Klassifikation) wird bei Sarkomen nicht verwendet. Die seltenen Lymphknotenmetastasierungen und die Tatsache, dass viele Sarkome per se als &laquo;high grade&raquo; klassifiziert werden, lassen dieses System als ungeeignet erscheinen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Ortho_1801_Weblinks_s29_abb1.jpg" alt="" width="933" height="698" /></p> <h2>Therapieoptionen</h2> <p>Ist die Diagnose gesichert, sollte gepr&uuml;ft werden, ob die Einbeziehung des Patienten in ein standardisiertes Therapieprotokoll m&ouml;glich ist. Es existieren noch keine spezifischen Protokolle f&uuml;r Sarkome im Bereich der Wirbels&auml;ule.<br /> Es wurden verschiedene Scores publiziert (Tomita, Tokuhashi, Bauer), welche prognostische Faktoren ber&uuml;cksichtigen und uns in der Entscheidungsfindung st&uuml;tzen, eine individuelle und interdisziplin&auml;re Entscheidung jedoch nicht ersetzen. Das Behandlungskonzept sollte am besten im Rahmen eines interdisziplin&auml;ren Tumorboards festgelegt und mit dem Patientenwunsch abstimmt werden. Die S&auml;ulen der Behandlung sind &ndash; je nach Entit&auml;t des Sarkoms &ndash; Chemo- und Radiotherapie sowie die operative Behandlung. Hier ein kurzer &Uuml;berblick. <br /><br /><strong>Operative Techniken</strong><br /> Zur konkreten Operationsplanung findet heute weitgehend die von Weinstein, Boriani und Biagini beschriebene WBBKlassifikation Anwendung. Kurative Eingriffe k&ouml;nnen bei klar umschriebener L&auml;sion im Sinne einer sogenannten R0-Resektion (kein Nachweis von Residualtumoren) durchgef&uuml;hrt werden. Bei epiduraler, mehr&eacute;tag&egrave;rer, paraspinaler oder zirkumferenter Tumorausdehnung ist bestenfalls eine R1-Resektion (mikroskopischer Nachweis eines Residualtumors) erzielbar. Mit der sogenannten &laquo;En bloc&raquo;-Resektion werden Techniken bezeichnet, bei welchen ein R0-Status erreicht werden kann. Sie wurden in den letzten Jahren standardisiert und haben klare Vorteile gegen&uuml;ber den fr&uuml;her oft intral&auml;sionalen Techniken. Darunter fallen die Spondylektomie, die sagittale Teilresektion und die hintere Bogenresektion. Unter Ber&uuml;cksichtigung der Tumorregion und ihrer Ausdehnung ergeben sich etwa 10 Resektionsvarianten und 6 Zug&auml;nge. Details finden sich in der &laquo;AO Spine Master&raquo;-Serie &laquo;Primary Spinal Tumors &raquo;. Naturgem&auml;ss k&ouml;nnen bei &laquo;En bloc&raquo;- Resektionen erhebliche Funktionsbeeintr&auml;chtigungen die Folge sein. Zu nennen sind Blasen-/Mastdarm-Funktionsst&ouml;rungen und periphere Paresen. Die Morbidit&auml;t (35,1 % ) und Mortalit&auml;t dieser Eingriffe (0 &ndash;7 % ) sind sehr hoch. Diese m&ouml;glichen gravierenden Nebenwirkungen veranlassen oft zu marginalen Resektionsgrenzen oder intral&auml;sionalen Interventionen zulasten der Tumorkontrolle. S&auml;mtliche Details sind zwingend dem Patienten zu kommunizieren. Abh&auml;ngig von der Region des Tumors ist ein interdisziplin&auml;res chirurgisches Team mit entsprechender onkologischer Erfahrung erforderlich.<br /> An Implantaten stehen heute neue Materialien, wie Karbon und PEEK (Polyethyletherketon), zur Verf&uuml;gung. Deren Vorteil ist die nur geringe Artefaktbildung bei sp&auml;teren bildgebenden Verlaufskontrollen und ggf. Bestrahlungsplanungen (Abb. 2). Die intraoperative 3D-Navigation erlaubt eine pr&auml;zise Tumorresektion.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Ortho_1801_Weblinks_s29_abb2.jpg" alt="" width="685" height="1044" /><br /><br /> <strong>Radiotherapie</strong><br /> Als Therapie der ersten Wahl bei prim&auml;ren malignen Knochentumoren erzielt die konventionelle Strahlentherapie meist nur unbefriedigende Langzeitergebnisse. Die applizierbaren Strahlendosen sind aus R&uuml;cksicht auf das strahlensensitive Umgebungsgewebe &ndash; zum Beispiel das Myelon oder den &Ouml;sophagus &ndash; limitiert. Zur Anwendung kommen aktuell drei verschiedene Strahlentechniken:</p> <ul> <li>Hochdosis-Photonentherapie in Form von IMRT (&laquo;intensity-modulated radiotherapy &raquo;), IORT (&laquo;intraoperative radiotherapy &raquo;) oder SRS (&laquo;stereotactic radiosurgery &raquo;)</li> <li>Partikelbestrahlung mit &ndash; unter anderem &ndash; Kohlenstoffionen und Protonen</li> <li>Brachytherapie</li> </ul> <p>Die Hochdosis-Photonentherapie erm&ouml;glicht eine Dosiseskalation durch Modulation der Einstrahlrichtung und -intensit&auml;t. Eine vergleichbare biologische Wirkung erzielt die Protonentherapie. Sie bietet den physikalischen Vorteil einer geringen Eintrittsdosis und einer definierbaren tiefen Applikation (&laquo;Bragg peak&raquo;). Die Schwerionentherapie ist eine weitere Partikelbestrahlung mit speziellen biologischen Eigenschaften. Genutzt wird hierbei die h&ouml;here biologische Wirksamkeit von Kohlenstoffionen. Vielversprechend sind die Ergebnisse bei grossen sakralen Chordomen. Eine weitere Form der Radiotherapie stellt die Brachytherapie dar. Betastrahler werden intraoperativ oder mittels Katheter eingebracht. Vorteile sind eine hohe lokale Dosis bei geringer Gef&auml;hrdung benachbarter Strukturen. Nachteile sind ein hoher logistischer Aufwand bei kurzer Halbwertszeit sowie hohe Kosten. <br /><br /><strong>Chemotherapie</strong><br /> Die Chemotherapie ist oft ein elementarer Bestandteil der Therapie. Sie sollte immer im Rahmen eines Studienprotokolls erfolgen. Je nach Protokoll erfolgt eine neoadjuvante (pr&auml;operative) und/ oder adjuvante (postoperative) Gabe. Voraussetzung ist die Chemosensitivit&auml;t des Tumors entsprechend der histopathologischen Analyse. Neoadjuvante (pr&auml;operative) Chemotherapien k&ouml;nnen die weitere Tumorausdehnung begrenzen und induzieren teilweise eine Kalzifizierung. Dieser Wirkmechanismus ist speziell beim Ewing- und Osteosarkom oft sehr effektiv. Der Grad des Ansprechens wird mit der sogenannten Regressionsrate beschrieben und korreliert positiv mit der Prognose. Die Bestimmung erfolgt durch eine zwingend erforderliche Rebiopsie.</p> <h2>Spezifische diagnostische und therapeutische Aspekte bei Wirbels&auml;ulensarkomen</h2> <p><strong>Osteosarkom</strong><br /> 3&ndash;15 % der Osteosarkome sind in der Wirbels&auml;ule lokalisiert, davon wiederum 68&ndash;74 % im Sakrum. Es handelt sich stets um einen &laquo;High grade&raquo;-Tumor mit einer Metastasierungsrate von 10&ndash;20 % zum Diagnosezeitpunkt. Meist ist hiervon die Lunge betroffen (80&ndash;90 % ), was ein umfassendes bildgebendes Staging erforderlich macht (Abb. 3). Zwar fehlen in der Regel Lymphknotenmetastasen, charakteristisch sind jedoch sogenannte &laquo;Skip&raquo;-L&auml;sionen in kurzem Abstand zum Prim&auml;rtumor.<br /> Die Konsensusempfehlung der SOSG (Spine Oncology Study Group) formuliert eine neo- und adjuvante Chemotherapie und eine &laquo;En bloc&raquo;-Resektion mit weiten Grenzen. Bei lokalem Befund und aggressiver operativer Therapie liegt die mittlere &Uuml;berlebenszeit bei etwa 18 Monaten. Die 5-Jahres-Gesamt&uuml;berlebensrate wird &ndash; unter Ber&uuml;cksichtigung aller spinalen Osteosarkome &ndash; mit 18 % beziffert. Prognostisch g&uuml;nstig sind das Ansprechen des Tumors auf die Chemotherapie (Regressionsgrad) und das Fehlen von Metastasen. Die Strahlensensitivit&auml;t ist gering.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Ortho_1801_Weblinks_s29_abb3.jpg" alt="" width="685" height="1044" /><br /><br /><strong>Ewing-Sarkom</strong><br /> Das Ewing-Sarkom ist selten, stellt aber den h&auml;ufigsten Tumor der Wirbels&auml;ule bei Kindern dar. Auch hier ist das Sakrum am h&auml;ufigsten betroffen. Es ist ebenfalls ein &laquo;High grade&raquo;-Sarkom, eine Lymphknotenbeteiligung ist selten. Hingegen ist bei einem Drittel der Patienten bereits eine Metastasierung zum Zeitpunkt der Erstmanifestation, vor allem in Lunge, Knochen und Knochenmark, festzustellen.<br /> Als Standardprotokoll wird in der Regel das EWING-2008 verwendet. Hiermit konnten &ndash; speziell unter der Einf&uuml;hrung der Chemotherapie &ndash; die &Uuml;berlebensraten erheblich verbessert werden, auch bei Wirbels&auml;ulenmanifestation (Abb. 4). Die Behandlung wird mit einer Chemotherapie eingeleitet, gefolgt von einem Restaging. Der Regressionsgrad gibt Hinweise auf die Wirksamkeit der Therapie. Es gibt nur eine schwache Empfehlung der SOSG f&uuml;r die &laquo;En bloc&raquo;-Resektion an der Wirbels&auml;ule. Die Gesamt&uuml;berlebenszeit l&auml;sst sich hierdurch nicht entscheidend verl&auml;ngern. Sie liegt bei lokalem spinalem Tumor und erfolgter multimodaler Therapie bei durchschnittlich 90 Monaten. Ung&uuml;nstig wirkt sich ein Tumorvolumen &uuml;ber 200ml aus. Eine adjuvante Strahlentherapie ist irresektablen Befunden oder intral&auml;sionalen/ marginalen Tumorresektionen vorbehalten.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Ortho_1801_Weblinks_s29_abb4.jpg" alt="" width="1420" height="1220" /><br /><br /><strong> Chondrosarkom</strong><br /> Das Chondrosarkom tritt in 10 % der F&auml;lle an der Wirbels&auml;ule auf, vorwiegend in einem Lebensalter zwischen 30 und 70 Jahren. Circa 60 % der Chondrosarkome sind hoch-, 35 % mittel- und 5 % geringgradig differenziert. Dedifferenzierte Chondrosarkome sind eine Rarit&auml;t. Der Differenzierungsgrad ist prognostisch entscheidend. Von Bedeutung sind die Lokalisationen. Eine schlechte Resektabilit&auml;t ist neben dem histologischen Grading entscheidend f&uuml;r das Langzeit-Outcome. Die Evidenz f&uuml;r den Effekt der &laquo;En bloc&raquo;-Resektion ist zwar m&auml;ssig, in Anbetracht der hohen Mortalit&auml;t bei intral&auml;sionaler Resektion und bei Rezidiv ist die Indikation bei vertretbarer Mutilisierung dennoch gegeben (Abb. 5). Chondrosarkome sind weder strahlen- noch chemosensitiv. Die Indikationsstellung zur Resektion und deren Ausmass haben deshalb entscheidende Bedeutung. M&ouml;glicherweise er&ouml;ffnen k&uuml;nftig Hochdosis- und Partikelbestrahlungen (Protonen) neue therapeutische M&ouml;glichkeiten.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Ortho_1801_Weblinks_s29_abb5.jpg" alt="" width="909" height="995" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>Bei der Verfasserin</p> </div> </p>
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