
Die Lernkurve in der roboterassistierten orthopädischen Chirurgie
Autoren:
Priv.-Doz. DDr. Antonio Klasan1
PDDr. Maximilian Zacherl, M. A.2
Prof. Dr. Christian Kammerlander2
1 Orthopädie und Traumatologie
Kepler Universitätsklinikum Linz
E-Mail: klasan.antonio@me.com
2 Orthopädie und Traumatologie
AUVA Unfallkrankenhaus Steiermark, Graz
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Die Digitalisierung nimmt grundsätzlich in allen medizinischen Bereichen, aber insbesondere im Operationssaal zu. In der Orthopädie zeigt sich diese durch die Verbreitung der roboterassistierten Chirurgie in der Endoprothetik, führend in der Knieendoprothetik. Dieser Artikel gibt eine Übersicht über Evidenz, Dauer und Komplexität der Einführung eines solchen Systems in den klinischen Alltag.
Die Implementierung eines roboterassistierten Systems in der Endoprothetik stellt für das gesamte Team eine Herausforderung dar. Alle Hersteller bieten mit dem Erwerb des Systems auch Schulungen und lokale Unterstützung, vor allem am Anfang. In den meisten Fällen werden diese Systeme zu Beginn durch erfahrene Operateure und erfahrenes OP-Personal angewendet. Es bestehen mehrere Hürden, die überwunden werden sollen. Präoperativ ist für manche Systeme eine zusätzliche Bildgebung notwendig.1 Die Abdeckung ist anders, es gibt roboterspezifische Instrumente, viele Teile der konventionellen Instrumentierung sind nicht im Einsatz. Es muss die Referenzierung des Knochens durchgeführt werden, die Weichteilbalancierung ist digitalisiert1 oder sogar ebenfalls robotisch assistiert2. Erst nach der Balancierung kommt die roboterassistierte Chirurgie im engeren Sinn zum Einsatz – die knöcherne Vorbereitung.1 Sollten die Implantate selbst für das Team neu sein, besteht hier eine zusätzliche Lernkurve. Im Bereich der Knieendoprothetik gibt es schon jetzt eine relativ große Vielfalt an Systemen, im Bereich der Hüfte ist der Markt derzeit auf ein einziges System limitiert. Für andere Gelenke steht derzeit noch keine roboterassistierte Technik zur Verfügung.
Übersicht über die Evidenz
Knieendoprothetik
Das am meisten verwendete robotisch assistierte System auf dem Markt – MAKO (Stryker, Kalamazoo, MI, U.S.) – wurde ursprünglich für eine höhere Präzision bei der Implantation einer Teilprothese entwickelt.3 Dementsprechend besteht für dieses System die höchste Evidenz.
Kayani et al. zeigten eine Lernkurve von 6 Fällen für eine Teilprothese mit dem MAKO.4 Erstaunlicherweise waren 6 Fälle nur für das „Kennenlernen“ des Systems bzw. die Reduktion der OP-Zeit auf ein stabiles Niveau notwendig. Es zeigte sich keine Lernkurve in Bezug auf Elemente der Implantatpositionierung.4 Die Autoren konnten auch eine vergleichbare Komplikationsrate nachweisen.
Savov et al. zeigten, dass die Implantation einer Teilprothese mittels eines handgeführten passiven Systems (NAVIO, jetzt CORI, Smith+Nephew, London und Hull, UK) durch Chirurgen mit weniger Erfahrung und einem geringeren Fallvolumen eine vergleichbare Präzision und eine ebenso niedrige Revisionsrate aufweist wie durch einen erfahrenen Chirurgen.5 Dieselben Autoren zeigten, dass für die Implantation einer Knietotalendoprothese (K-TEP) mit dem gleichen System wiederum 7 Fälle für das Bewältigen der Lernkurve benötigt werden.6 Ähnlich wie bei der Partialprothese konnte keine Lernkurve für die Implantatpositionierung gezeigt werden.
Vermue et al. haben gleichzeitig die Lernkurve von 6 Chirurgen bei MAKO-assistierter K-TEP untersucht und gezeigt, dass 11–43 Fälle notwendig sind, um die Lernkurve hinsichtlich der OP-Zeit zu bewältigen.7 Sie konnten keine Lernkurve in Bezug auf die Implantatpositionierung feststellen. Diese Arbeit bestätigte, dass chirurgische Erfahrung in der Knieendoprothetik einen starken Einfluss auf die Lernkurve hat und dass die Lernkurve deutlich flacher sein kann. Sodhi et al. zeigten, dass einige Monate notwendig sein können, bis sich die OP-Zeiten stabilisieren.8 Es hilft grundsätzlich, wenn Erfahrung mit einem Navigationssystem besteht.9 Grau et al. beschrieben für die Operation mittels MAKO eine effiziente Ablauforganisation, die für konsistente OP-Zeiten unter 60 Minuten sorgt.10
Für andere Systeme gilt grundsätzlich das Gleiche: keine Lernkurve in Bezug auf die Implantatpositionierung, relativ steile Lernkurve in Bezug auf die OP-Zeit. Bereits 2014 haben Liow et al. die Ergebnisse mit dem autonomen Robotersystem Robodoc (jetzt Think Surgical Inc., Fremont, CA) publiziert und keine Ausreißer in Bezug auf Implantatpositionierung gefunden.11 Für den Nachfolger TSolution One (Think Surgical Inc., Fremont, CA, U.S.) gilt Ähnliches: keine Lernkurve für die Implantatpositionierung; die OP-Zeiten stabilisieren sich nach 10–20 Fällen.12 Das handgeführte passive System Navio (Smith&Nephew) zeigte in der Studie von Savov et al. ebenfalls keine Lernkurve für Implantatpositionierung.13 Die Autoren zeigten eine Lernkurve von 11 Fällen für die OP-Zeit. Thiengwittayaporn et al. wiesen mit demselben System eine Lernkurve von 7 Fällen für die OP-Zeit und eine signifikante Reduktion der Alignment-Ausreißer nach.14
Hüftendoprothetik
Im Moment ist auf dem Markt nur ein System für die Hüftprothese zugelassen (MAKO), weshalb sich die Literatur nur auf dieses eine System bezieht. Hier ist wichtig zu erwähnen, dass das System aktuell direkt für das Fräsen der Pfanne angewendet werden kann und nur indirekt bei der Schaftpositionierung, vor allem bei der Einstellung von Beinlänge und Offset, hilft. Das Aufraspeln erfolgt weiterhin manuell. Redmond et al. berichteten bereits 2015 vom MAKO-assistierten Hüftsystem und zeigten, dass die Implantatposition mit der Zeit deutlich besser wird, was eine Lernkurve für die Implantatposition bedeutet.15 Darüber hinaus besteht eine Lernkurve für die OP-Zeit von etwa 30 Fällen.15 Kayani et al. beschrieben 12 Fälle für die Lernkurve in Bezug auf die OP-Zeit und keine Lernkurve in Bezug auf die Implantatposition.16
Diskussion
Grundsätzlich ist die Literatur in Bezug auf die Lernkurve der roboterassistierten Endoprothetik konsistent. Es besteht eine überschaubare Lernkurve in Bezug auf die OP-Zeit, die – je nach Untersucher – bis zu 20 Fälle beträgt. Es besteht keine Lernkurve in Bezug auf Implantatposition und etwaige Komplikationen werden selten beobachtet. Vermue et al. erwähnten lediglich eine Stressfraktur der Tibia in einer Kohorte von 386 Patienten.7
In einem Review-Artikel sind dieselben Autoren aber sehr kritisch bei der Evaluierung robotisch assistierter Systeme anhand der OP-Zeit.17 Die Hypothese, dass eine Lernkurve besteht, ist prinzipiell bestätigt, allerding besteht Bedarf an einer erweiterten Evaluierung. Die Autoren schlagen vor, dass die totale Einsatzzeit des robotischen Systems sowie die präoperative Vorbereitung zusätzlich evaluiert werden müssen.17 Darüber hinaus soll die Erfahrung der Chirurgen auch berichtet und evaluiert werden, da sie einen erheblichen Einfluss auf die Einsatzzeit hat.7,17
Die Literatur zeigt, dass mit einer Zunahme der Anwendung der robotischen Systeme gerechnet werden kann.18 Dadurch wird auch die verfügbare Literatur anwachsen.18 Selbst das Schicksal des Robodoc bleibt durch die Übernahme und Neuentwicklung des Konzepts eines autonomen robotisch assistierten Systems noch offen.19 Durch die zunehmende Personalisierung der Implantatposition und die derzeit herrschende Diskussion können bei allen Systemen ein Fortschritt und eine Erweiterung des Einsatzes erwartet werden.20 Auch ist ein Vergleich zwischen kinetischer und anatomischer Ausrichtung durch den weitgehenden Wegfall von Ausreißern im Rahmen einer robotisch assistierten Kohorte in Zukunft besser möglich.
Fazit
Die verfügbare Literatur über die initiale Phase des Einsatzes eines robotisch assistierten Systems zeigt hinsichtlich der Lernkurve einen unkomplizierten Verlauf. Die Lernkurve mit einem robotisch assistierten System ist nach etwa 10–20 Fällen überwunden. Diese Lernkurve bezieht sich aber nur auf die OP-Zeit, wobei für die Implantatpositionierung und Präzision bei den verfügbaren Systemen keine Lernkurve besteht. Während der Lernkurve sind roboterassoziierte Komplikationen extrem selten.
Weitere Studien sind notwendig, um den Einfluss von anderen Faktoren, wie z.B. chirurgische Erfahrung, besser zu quantifizieren und ihren Einfluss zu analysieren.
Literatur:
1 Elliott J et al.: Robotic-assisted knee arthroplasty: an evolution in progress. A concise review of the available systems and the data supporting them. Arch Orthop Trauma Sur 2021; 141(12): 2099-117 2 Shatrov J et al.: Robotic-assisted total knee arthroplasty with the OMNIBot platform: a review of the principles of use and outcomes. Arch Orthop Trauma Surg 2021; 141(12): 2087-96 3 Lonner JH et al.: Robotic arm-assisted UKA improves tibial component alignment: a pilot study. Clin Orthop Relat Res 2010; 468(1): 141-6 4 Kayani B et al.: The learning curve associated with robotic-arm assisted unicompartmental knee arthroplasty: a prospective cohort study. Bone Joint J 2018; 100-B(8): 1033-42 5 Savov P et al.: Robotics improves alignment accuracy and reduces early revision rates for UKA in the hands of low-volume UKA surgeons. Arch Orthop Trauma Surg 2021; 141(12): 2139-46 6 Kayani B et al.: Robotic-arm assisted total knee arthroplasty has a learning curve of seven cases for integration into the surgical workflow but no learning curve effect for accuracy of implant positioning. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 2019; 27(4): 1132-41 7 Vermue H et al.: Robot-assisted total knee arthroplasty is associated with a learning curve for surgical time but not for component alignment, limb alignment and gap balancing. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 2020. doi: 10.1007/s00167-020-06341-6 (online ahead of print) 8 Sodhi N et al.: The learning curve associated with robotic total knee arthroplasty. J Knee Surg 2018; 31(1): 17-21 9 Manzotti A et al.: Relationship between cutting errors and learning curve in computer-assisted total knee replacement. Int Orthop 2010; 34(5): 655-62 10 Grau L et al.: Robotic arm assisted total knee arthroplasty workflow optimization, operative times and learning curve. Arthroplast Today 2019; 5(4): 465-70 11 Liow MHL et al.: Robot-assisted total knee arthroplasty accurately restores the joint line and mechanical axis. A prospective randomised study. J Arthroplasty 2014; 29(12): 2373-7 12 Mahure SA et al.: Learning curve for active robotic total knee arthroplasty. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 2021. doi: 10.1007/s00167-021-06452-8 (online ahead of print) 13 Savov P et al.: Imageless robotic handpiece-assisted total knee arthroplasty: a learning curve analysis of surgical time and alignment accuracy. Arch Orthop Trauma Surg 2021; 141(12): 2119-28 14 Thiengwittayaporn S et al.: Imageless robotic-assisted total knee arthroplasty accurately restores the radiological alignment with a short learning curve: a randomized controlled trial. Int Orthop 2021; 45(11): 2851-8 15 Redmond JM et al.: The learning curve associated with robotic-assisted total hip arthroplasty. J Arthroplasty 2015; 30(1): 50-4 16 Kayani B et al.: The learning curve of robotic-arm assisted acetabular cup positioning during total hip arthroplasty. Hip Int 2021; 31(3): 311-9 17 Vermue H et al.: How should we evaluate robotics in the operating theatre? Bone Joint J 2020; 102-B(4): 407-13 18 Batailler C, Parratte S: Assistive technologies in knee arthroplasty: fashion or evolution? Rate of publications and national registries prove the Scott Parabola wrong. Arch Orthop Trauma Surg 2021; 141(12): 2027-34 19 Stulberg BN, Zadzilka JD: Active robotic technologies for total knee arthroplasty. Arch Orthop Trauma Surg 2021; 141(12): 2069-75 20 Beckmann J et al.: Contemporary knee arthroplasty: one fits all or time for diversity? Arch Orthop Trauma Surg 2021; 141(12): 2185-94
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