© Getty Images/iStockphoto

Die Bedeutung der präoperativen Biopsie und der Resektionsränder in der Behandlung von Chondrosarkomen

<p class="article-intro">Das Chondrosarkom betrifft im Gegensatz zu anderen primären Knochentumoren ältere Menschen und ist am häufigsten am Stammskelett lokalisiert. Da das Chondrosarkom weder strahlensensibel ist noch auf Chemotherapie anspricht, bleibt die chirurgische Resektion die Therapie der Wahl. Dem präoperativen Grading des Tumors anhand der Bildgebung und der histologischen Untersuchung der Biopsie kommt eine wichtige Bedeutung zu. Die weitere chirurgische Therapie hängt direkt von dieser Beurteilung ab, wobei eine klare, allgemein akzeptierte Definition der anzustrebenden Resektionsränder bei Chondrosarkomen bisher fehlt.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Das Chondrosarkom ist der h&auml;ufigste prim&auml;re maligne Knochentumor des &auml;lteren Menschen mit einer Inzidenz von 1:200 000/Jahr.</li> <li>Patienten mit einem Verdacht auf ein Chondrosarkom ben&ouml;tigen nebst einem konventionellen R&ouml;ntgenbild eine MRI-Bildgebung mit Gadolinium zur exakten Darstellung der Tumorausdehnung. Die Diagnose wird anschliessend mithilfe einer Biopsie histologisch gestellt.</li> <li>Ein Spektrum von histologischen Subtypen mit unterschiedlichem klinischem Verhalten wird identifiziert, das von &laquo;Low grade&raquo;- bis hin zu dedifferenzierten &laquo;High grade&raquo;-Chondrosarkomen reicht.</li> <li>Die komplette Resektion ist meist die Therapie der Wahl beim Chondrosarkom, wobei die chirurgische Technik vom pr&auml;operativen histologischen Grading des Tumors abh&auml;ngt.</li> </ul> </div> <h2>Epidemiologie</h2> <p>Das Chondrosarkom ist mit einer gesch&auml;tzten Inzidenz von 1:200 000 pro Jahr der h&auml;ufigste maligne Knochentumor bei &auml;lteren Menschen.<sup>1</sup> Ein Spektrum von histologischen Subtypen mit unterschiedlichem klinischem Verhalten wurde identifiziert, das von &laquo;Low grade&raquo;- bis hin zu dedifferenzierten &laquo;High grade&raquo;-Chondrosarkomen reicht. Ein Chondrosarkom kann einen beliebigen Teil des Skeletts betreffen, findet sich jedoch vorwiegend am Becken, Femur und proximalen Humerus.<sup>2</sup></p> <h2>Pr&auml;operative Diagnostik</h2> <p>Aufgrund des klinisch h&auml;ufig unspezifischen Befundes ist die weitere Diagnostik mittels Bildgebung und Biopsie die erste Wahl beim Chondrosarkom. Als Erg&auml;nzung zum konventionellen R&ouml;ntgenbild gilt die Magnetresonanztomografie (MRI) mit intraven&ouml;sem Kontrastmittel als Bildgebung der Wahl. Die Planung der Biopsie sollte zusammen mit dem behandelnden Tumorchirurgen erfolgen, welcher anschliessend auch die chirurgische Resektion durchf&uuml;hren wird. Meistens wird beim Chondrosarkom eine CT-gesteuerte Stanzbiopsie durchgef&uuml;hrt. Die Biopsie sollte innerhalb des Tumors an dem Ort erfolgen, wo die h&ouml;chste Dedifferenzierung des Chondrosarkoms radiologisch vermutet wird. Planerisch muss die Biopsie im Bereich des chirurgischen Zugangsweges gew&auml;hlt werden, damit der Biopsiekanal sp&auml;ter bei der Operation in toto exzidiert werden kann. Ansonsten besteht potenziell die Gefahr, dass Tumorzellen, welche in den Biopsiekanal verschleppt wurden, zu einem Lokalrezidiv f&uuml;hren. Zus&auml;tzlich sollte die Bildung eines H&auml;matoms vermieden werden, um eine lokale Streuung der Tumorzellen zu vermeiden.<br /> Das histologische Grading besteht beim konventionellen Chondrosarkom aus Grad I&ndash;III (Grad I = &laquo;low grade&raquo;, Grad II&ndash;III = &laquo;high grade&raquo;), zus&auml;tzlich werden noch das dedifferenzierte Chondrosarkom sowie seltenere Entit&auml;ten wie das mesenchymale, klarzellige, myxoide und myxoid-extraskelettale Chondrosarkom beschrieben. Obwohl das pr&auml;operative histologische Grading beim Chondrosarkom nachweislich mit einer hohen Inter- und Intra- Rater-Variabilit&auml;t assoziiert ist, bleibt die bildgest&uuml;tzte Biopsie die Standarddiagnostik.<sup>3&ndash;6</sup> Bei &laquo;High grade&raquo;-Chondrosarkomen sollte bei Erstdiagnose zwingend zus&auml;tzlich ein Thorax/Abdomen-CT als Staging- Untersuchung durchgef&uuml;hrt werden.</p> <h2>Behandlung</h2> <p>Unter Ber&uuml;cksichtigung der klinischen, histologischen und radiologischen Diagnostik wird die weitere Therapie eingeleitet. Die komplette chirurgische Resektion bleibt der Goldstandard der Behandlung, da das Chondrosarkom weder strahlennoch chemosensibel ist.<sup>7</sup> Die chirurgische Therapie reicht hierbei von der intral&auml;sionalen Curettage bei &laquo;Low grade&raquo;-Chondrosarkomen an den langen R&ouml;hrenknochen bis hin zur kompletten Resektion und komplexen Rekonstruktion bei &laquo;High grade&raquo;- Chondrosarkomen.<sup>8, 9</sup> Somit kommt dem pr&auml;operativen korrekten Grading des Chondrosarkoms eine grosse Bedeutung zu, da die Operationsplanung davon abh&auml;ngt. Aufgrund der wesentlichen Verbesserungen der extremit&auml;tenerhaltenden Chirurgie in der Vergangenheit kann h&auml;ufig selbst bei ausgedehnten Resektionen eine Amputation vermieden sowie eine funktionell zufriedenstellende Rekonstruktion mittels Tumorprothese oder Knochenersatz (Allograft) erreicht werden. Sollte in Ausnahmef&auml;llen eine komplette Resektion nicht m&ouml;glich sein, z.B. aufgrund der assoziierten Morbidit&auml;t des Eingriffs, des Patientenwunsches oder der Komorbidit&auml;ten, ist eine adjuvante Strahlentherapie zu erw&auml;gen.</p> <h2>Herausforderungen f&uuml;r den Tumorchirurgen</h2> <p><strong>Der &laquo;biopsy sampling error&raquo;</strong><br /> Ein pr&auml;zises und zuverl&auml;ssiges pr&auml;operatives Grading ist erforderlich, um die geeignetste chirurgische Therapie auszuw&auml;hlen und Unter- oder &Uuml;berbehandlungen zu vermeiden. Das definitive histologische Grading des resezierten Tumors kann jedoch vom mittels Biopsie gewonnenen pr&auml;operativen Grading abweichen und wird in der Literatur als &laquo;biopsy sampling error&raquo; bezeichnet. Es wird berichtet, dass diese Fehleinsch&auml;tzung des Gradings von Chondrosarkomen bei bis zu 41 % der Biopsien auftreten kann, vermutlich mit einer h&ouml;heren Inzidenz bei Tumoren des Beckens.<sup>10</sup> Die Auswirkungen dieser &laquo;biopsy sampling errors&raquo; auf die Lokalrezidivrate und das Gesamt&uuml;berleben der Patienten mit einem Chondrosarkom bleiben bisher unklar. Falls die pr&auml;operative Einsch&auml;tzung des histologischen Gradings fehlerhaft ist, besteht n&auml;mlich die Gefahr einer inad&auml;quaten Planung der Resektion. Deshalb sollte insbesondere bei grossen axialen Chondrosarkomen das pr&auml;operative histologische Grading der Biopsie kritisch in Zusammenschau mit der Bildgebung an einem interdisziplin&auml;ren Sarkomboard diskutiert werden. Im Zweifelsfall kann eine Rebiopsie erfolgen und/oder eine komplette Resektion angestrebt werden. In unserer Kohorte von 68 Patienten an der Universit&auml;tsklinik Balgrist zeigte sich eine Pr&auml;valenz an &laquo;biopsy sampling errors&raquo; von 14,7 % . Wir fanden bei den betroffenen 10 Patienten weder eine h&ouml;here Lokalrezidivrate noch ein k&uuml;rzeres Gesamt&uuml;berleben. Jedoch musste bei 2 Patienten zur lokalen Tumorkontrolle eine Nachresektion durchgef&uuml;hrt werden.<sup>11</sup></p> <p><strong>Die Planung und Qualit&auml;t der Resektionsr&auml;nder</strong><br /> Bei &laquo;Low grade&raquo;-Chondrosarkomen an den R&ouml;hrenknochen der Extremit&auml;ten konnte gezeigt werden, dass mit Curettage und lokaler adjuvanter Therapie weder die Lokalrezidivrate noch das Gesamt&uuml;berleben kompromittiert werden. Im Gegensatz dazu ist bei &laquo;High grade&raquo;-Chondrosarkomen eine inad&auml;quate Resektion mit einer h&ouml;heren Lokalrezidivrate und einem k&uuml;rzeren Gesamt&uuml;berleben assoziiert. Was gilt jedoch nach heutigem Stand des Wissens als &laquo;ad&auml;quate Resektion&raquo;? Die Definition einer ad&auml;quaten Resektion wird in der Literatur der orthop&auml;dischen Tumorchirurgie noch immer kontrovers diskutiert und seit Enneking<sup>12</sup> wurden verschiedene Klassifikationen propagiert.<sup>13&ndash;15</sup> Bisher wurde, wie von Wittekind vorgeschlagen, die metrische Distanz zwischen Resektionslinie und Tumor in Millimetern dokumentiert.<sup>15</sup> Allerdings konnte bisher keine Studie die Bedeutung einer anatomischen Barriere im Bereich des marginalsten Resektionsrandes beim Chondrosarkom des Knochens nachweisen.<sup>16, 17</sup> In einer k&uuml;rzlich publizierten, retrospektiven Studie gelang es uns nachzuweisen, dass eine niedrigere Lokalrezidivrate erzielt wurde, wenn eine intakte anatomische Barriere am knappsten Resektionsrand vorhanden war (biologische Barriere: z.B. Faszie, Periost), unabh&auml;ngig von der gemessenen absoluten Distanz des Tumors zum Resektionsrand in Millimetern.<sup>11</sup> Dies ist insbesondere bei der Planung von extremit&auml;tenerhaltenden Eingriffen von Bedeutung, da dies eine marginale Resektion in der N&auml;he von neurovaskul&auml;ren Strukturen erlaubt, ohne die Prognose des Patienten zu verschlechtern, falls eine intakte anatomische Barriere erhalten und mitreseziert werden kann.<br /> Einheitliche Kriterien der histopathologischen Beurteilung des Resektionsrandes sind deshalb zwingend notwendig f&uuml;r die Reproduzierbarkeit zuk&uuml;nftiger Forschung. Die Diskussion, welche Kriterien eine &laquo;ad&auml;quate&raquo; chirurgische Resektion erf&uuml;llen muss, ist l&auml;ngst nicht abgeschlossen. Wie in unserer Studie gezeigt wurde, scheint aber die metrische Distanz der Resektionsr&auml;nder zugunsten der Qualit&auml;t des Gewebes am Schnittrand an Bedeutung zu verlieren.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Ortho_1804_Weblinks_lo_ortho_1804_s38_abb1-4.jpg" alt="" width="2091" height="2374" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Grimer RJ et al.: J Bone Joint Surg Am 2000; 8: 1203-4 <strong>2</strong> Gitelis S et al.: J Bone Joint Surg Am 1981; 63: 1248-57 <strong>3</strong> Eefting D et al.: Am J Surg Pathol 2009; 33: 50-7 <strong>4</strong> Rosenthal DI et al.: Radiology 1984; 150: 21-6 <strong>5</strong> Saifuddin A et al.: Clin Radiol 2004; 59: 268-72 <strong>6</strong> Yoshimura Y et al.: Arch Orthop Trauma Surg 2013; 133: 1225-31 <strong>7</strong> Van Maldegem AM et al.: Clin Sarcoma Res 2014; 4: 11 <strong>8</strong> Abdikarimov KG et al.: Eur J Surg Oncol 2012; 38: 874-5 <strong>9</strong> Hanna SA et al.: Eur J Surg Oncol 2009; 35: 1343-7 <strong>10</strong> Roitman PD et al.: Clin Orthop Relat Res 2017; 475: 808-14 <strong>11</strong> Hodel S et al.: Canc Manag Res 2018; 21: 3765-71 <strong>12</strong> Enneking WF et al.: Clin Orthop Relat Res 1980; 153: 106-20 <strong>13</strong> Hoang K et al.: Iowa Orthop J 2015; 35: 181-6 <strong>14</strong> D&uuml;rr HR et al.: Unfallchirurg 2014; 117: 593-9 <strong>15</strong> Wittekind C et al.: Cancer 2009; 115: 3483-8 <strong>16</strong> Mc Kee MD et al.: J Surg Oncol 2004; 85: 68-76 17 Bertrand TE et al.: Clin Orthop Relat Res 2015; 474: 677-83</p> </div> </p>
Back to top