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BVdO

Bewegung ohne Weh und Aber

<p class="article-intro">Die Schmerztherapie am Bewegungsapparat stand im Mittelpunkt der Jahrestagung des Berufsverbands der Fachärzte für Orthopädie und orthopädische Chirurgie (BVdO) im November 2016 in Wien. Die Hände des Arztes sind dabei sein wertvollstes diagnostisches und therapeutisches Instrument.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Jeder f&uuml;nfte Europ&auml;er leidet an chronischen Schmerzen, beim Gro&szlig;teil gehen diese vom R&uuml;cken und von den Gelenken aus, ein Viertel aller Krankenst&auml;nde wird durch St&ouml;rungen des Bewegungsapparates verursacht, wie Prof. Dr. Ronald Dorotka, Pr&auml;sident der BVdO, festh&auml;lt. Orthop&auml;den sind daher besonders h&auml;ufig mit Schmerzpatienten konfrontiert. &bdquo;Die m&ouml;glichst rasche Diagnose der Schmerzursache ist eine Hauptaufgabe.&ldquo; Dabei sollte man sich bei muskuloskelettalen Schmerzen nicht ausschlie&szlig;lich auf die Bildgebung verlassen, denn das Beschwerdebild korreliert sehr h&auml;ufig nicht mit dem MRT-Bild. So sind etwa Bandscheibenvorw&ouml;lbungen bei bis zu 80 % beschwerdefreien Erwachsenen nachweisbar. Durch exakte Ausschlussdiagnostik kann auf bildgebende Diagnostik oft ganz verzichtet werden. Alleine schon das genaue Zuh&ouml;ren und eine manuelle Erstuntersuchung k&ouml;nnen laut Dorotka in vielen F&auml;llen eine Diagnose liefern: &bdquo;Angreifen des Patienten bedeutet ihn begreifen.&ldquo; Ein R&uuml;ckenschmerz kann sich bei genauer manueller Untersuchung z.B. als H&uuml;ftarthrose entpuppen etc. Selbstverst&auml;ndlich m&uuml;ssen andere Erkrankungen, wie Tumoren und Infektionen, bereits zu Beginn ausgeschlossen werden.<br /> Auch Dr. Peter Machacek vom Orthop&auml;dischen Spital Speising, Wien, sieht ein hohes Potenzial im Ber&uuml;hren: &bdquo;Der wichtigste Kontakt zum Patienten geht &uuml;ber die Haut.&ldquo; Ber&uuml;hrung ist ein deutliches Zeichen der Zuwendung; und diese ben&ouml;tigen gerade Schmerzpatienten. Das f&auml;ngt beim H&auml;ndedruck zur Begr&uuml;&szlig;ung an: &bdquo;Wie oft h&ouml;re ich von Patienten: Der Arzt hatte nicht einmal Zeit, mir die Hand zu geben.&ldquo;</p> <h2>In der Praxis</h2> <p>Die gute Nachricht: 90 % aller R&uuml;ckenschmerzzust&auml;nde bilden sich spontan zur&uuml;ck. Aber 10 % werden chronisch. Akute Schmerztherapie mit Medikamenten, Heilbehelfen, aber auch Manual- und Bewegungstherapie k&ouml;nnen helfen, Chronifizierungen zu vermeiden. Dr. Peter Bitzan, Zentrum f&uuml;r Orthop&auml;die und Rheumatologie in Wien, gab einen &Uuml;berblick &uuml;ber die vielf&auml;ltigen M&ouml;glichkeiten der Schmerztherapie, die in der niedergelassenen Praxis angeboten werden k&ouml;nnen. Bei chronischen Schmerzerkrankungen, die nicht kausal behandelbar sind, h&auml;lt er jedoch ein interdisziplin&auml;res Vorgehen, wie es Schmerzambulanzen bieten, f&uuml;r unabdingbar. In der Praxis ist dies aber oft gar nicht so einfach: Lange Wartezeiten sind &uuml;blich, auch Erreichbarkeit und Verf&uuml;gbarkeit sind nicht immer gegeben. Dazu kommen patientenbedingte Hindernisse wie fehlende Kinderbetreuung etc. &bdquo;Was der niedergelassene Orthop&auml;de tun kann, ist: die eigenen Grenzen erkennen, Informationen und Referenzen &uuml;ber Angebote in der N&auml;he einholen, Netzwerke und Kooperationen bilden und vor allem den Kontakt zum Patienten erhalten, um Feedback &uuml;ber die Ambulanzen zu bekommen, an die man zugewiesen hat&ldquo;, empfiehlt Bitzan.</p> <h2>Kreuzschmerz in der Schwangerschaft: Chirotherapie wirkt</h2> <p>Mehr als die H&auml;lfte aller werdenden M&uuml;tter gibt an, zumindest einmal w&auml;hrend der Schwangerschaft Kreuzschmerzen gehabt zu haben, wobei die Schmerzintensit&auml;t bei durchschnittlich 5,6 (VASScore) liegt, wie Dr. Manfred Riegler, Wien, berichtet. Aber nur etwa ein Drittel dieser Frauen erz&auml;hlt einem Arzt davon und nur ein kleiner Bruchteil nimmt eine Therapie in Anspruch. Offenbar ist die Angst gro&szlig;, dem ungeborenen Kind zu schaden &ndash; und dies nicht nur bei den Betroffenen, sondern offenbar auch bei den &Auml;rzten und Therapeuten. So bietet laut Riegler nur jeder zehnte Manualmediziner Chirotherapie in der Schwangerschaft an. Dabei sind weder geburtshilfliche noch orthop&auml;dische Komplikationen beschrieben und die Ergebnisse (75 % relevante Besserung, 40 % Schmerzfreiheit, Verbesserung des VAS-Scores von 6 auf 2) w&auml;ren sehr &uuml;berzeugend: &bdquo;Auffallend oft ist bei Lumbago in der Schwangerschaft das Iliosakralgelenk beteiligt. Hier gen&uuml;gt oft schon die manuelle Mobilisation der Blockade, um den Schmerz zu l&ouml;sen.&ldquo;<br /> F&uuml;r die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) bei Kreuz- und Beckeng&uuml;rtelschmerz gibt es Evidenz und Empfehlung f&uuml;r das 3. Trimenon. Ungeeignete physikalische Methoden in der Schwangerschaft scheinen nur Kurzwelle und gro&szlig;fl&auml;chige W&auml;rmebehandlungen zu sein. Was die medikament&ouml;se Schmerztherapie betrifft, empfiehlt Riegler als Nachschlagewerk &bdquo;Arzneiverordnung in Schwangerschaft und Stillzeit&ldquo; von Schaefer, Spielmann und Vetter (Urban &amp; Fischer 2011).</p> <h2>Opioide und ACP</h2> <p>&bdquo;Bei der Therapie schwerer chronischer Schmerzen verliert das klassische WHOStufenschema zunehmend an Bedeutung&ldquo;, erkl&auml;rt Doz. Dr. Christopher Gonano, FA f&uuml;r An&auml;sthesiologie, Intensiv-, Notfall- und Schmerzmedizin in Wien. &bdquo;Eine erfolgreiche moderne an&auml;sthesiologische Schmerztherapie inkludiert starke Opioide. Eine lang wirksame Basistherapie plus Bedarfsmedikation ist hierbei ein Muss.&ldquo; Die Verordnung von ausschlie&szlig;lich kurz wirksamen Opioiden w&uuml;rde das Suchtrisiko erh&ouml;hen und sei daher zu vermeiden. Daneben werden verschiedene adjuvante Schmerzmedikamente eingesetzt. Gerade bei Schmerzen am Bewegungsapparat sind invasive Verfahren wie Nerven- und Facettenblockaden oft erfolgreich. Das Wissen &uuml;ber Neben- und Wechselwirkungen mit Begleitmedikamenten geh&ouml;rt zu den Kernkompetenzen der An&auml;sthesisten, betont Gonano.<br /> Ein relativ neuer Ansatz in der Orthop&auml;die ist autologes konditioniertes Plasma (ACP). Das Hauptanwendungsgebiet sind Knorpelsch&auml;den. Die Therapie zeigt aber auch sehr gute Ergebnisse bei akuten Muskel- oder Bandverletzungen sowie bei Muskelnarben nach Faserrissen und bei Tendinosen, wie Dr. Werner Siekmann aus Hamburg berichtet. Der Schmerz geht meist sehr schnell zur&uuml;ck; die Patienten m&uuml;ssen teilweise bei der Rehabilitation &bdquo;gebremst&ldquo; werden. Nicht ganz optimal sind die Erfolge bei Patellaspitzensyndrom und Fasciitis plantaris. Ein m&ouml;glicher Grund daf&uuml;r k&ouml;nnte sein, dass schon Granulationsgewebe vorhanden ist, was eine Kontraindikation f&uuml;r ACP darstellt. Ebenso setzt die gleichzeitige Gabe von lokal applizierbarem Kortison, Marcain oder Lidocain die Wirkung von ACP herab.</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: Jahrestagung des Berufsverbands der Fachärzte für Orthopädie und orthopädische Chirurgie (BVdO), 26. November 2016, Wien </p>
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