Beruf und Sport nach Handgelenksverletzungen

<p class="article-intro">Die Berufs- und Sportfähigkeit nach Handgelenksverletzungen hängt sowohl von der Art der Verletzung als auch vom Beruf und/oder der Sportart ab. Falls eine Wiederherstellung der anatomischen Verhältnisse gelingt, ist die Wiederaufnahme von Beruf und Sport möglich. Nach Rettungseingriffen am Handgelenk ist das postoperative Aktivitätsniveau ebenfalls stark von der Art des Berufes und des ausgeübten Sportes abhängig. Notwendige Berufsumschulungen sollten frühzeitig geplant werden.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Rekonstruktive Eingriffe zur Wiederherstellung der Biomechanik des Handgelenkes haben die volle Berufs- und Sportf&auml;higkeit zum Ziel.</li> <li>Die Arbeits- und Sportf&auml;higkeit wird nicht nach allen Verletzungsarten erreicht. Nach Rettungseingriffen und prothetischem Ersatz ist nicht selten mit der Notwendigkeit von Umschulungen und der Aufgabe der sportlichen Aktivit&auml;t zu rechnen.</li> </ul> </div> <p>Kaum eine andere K&ouml;rperregion bestimmt die Wiederaufnahme von Beruf oder Sport nach einer Verletzung derart nachhaltig wie das Handgelenk, wenn bei deren Aus&uuml;bung eine manuelle T&auml;tigkeit oder eine gr&ouml;&szlig;ere Belastung der oberen Extremit&auml;t im Vordergrund steht. Der Patient erwartet vom behandelnden Arzt eine Einsch&auml;tzung der Berufs- oder Sportf&auml;higkeit sowie einen groben Zeitplan bis zur Wiederaufnahme seiner beruflichen oder sportlichen Aktivit&auml;t. In einigen F&auml;llen richtet sich die Art der Behandlung nach dem Beruf und der sportlichen Bet&auml;tigung. Keinesfalls sollte der Erfolg des Behandlungsergebnisses durch einen zu knapp bemessenen Zeitraum vom Zeitpunkt der Verletzung bis zur Wiederaufnahme von Beruf oder Sport beeintr&auml;chtigt werden. Nachteile durch eine additive postoperative Ruhigstellung bzw. durch eine zu lange bemessene Ruhigstellung, wenn sie nicht &uuml;ber Monate andauert, sind nicht bekannt.<sup>1</sup> Der Patient sollte von Anfang an hinsichtlich seiner F&auml;higkeit zur Aus&uuml;bung seines erlernten Berufes oder der Sportart aufgekl&auml;rt werden. Es sollten weder falsche Erwartungshaltungen gef&ouml;rdert noch unterschiedliche Therapieziele durch die behandelnden &Auml;rzte und Therapeuten gesetzt werden. In vielen F&auml;llen muss fr&uuml;hzeitig &uuml;ber den Wechsel von Beruf oder Sport gesprochen werden. Bei Berufssportlern, die nicht auf einen vollen manuellen Einsatz in ihrer Sportart angewiesen sind, k&ouml;nnen Schutzverb&auml;nde im Hand- und Handgelenksbereich angelegt werden, um beispielsweise Osteosynthesen vor einem erneuten Trauma zu sch&uuml;tzen.</p> <h2>Radiusfraktur (operativ/konservativ)</h2> <p>Das klinische Ergebnis nach Radiusfraktur und damit die Sport- und Arbeitsf&auml;higkeit werden von der Kongruenz der Gelenkfl&auml;che des Radiokarpal- und des distalen Radioulnargelenks (DRUG) sowie von den Begleitverletzungen bestimmt. Bei Sport- und Berufsarten mit besonderer Belastung der oberen Extremit&auml;t m&uuml;ssen die anatomischen Strukturen des Handgelenkes zur G&auml;nze wiederhergestellt sein. Die zeitnahe Diagnose und Therapie von Zusatzverletzungen am Handgelenk, die in bis zu 70 % bei intraartikul&auml;ren distalen Radiusfrakturen auftreten, sind essenziell. Dabei ist auf Rupturen der karpalen B&auml;nder und des TFCC (&bdquo;triangular fibrocartilage complex&ldquo;) zu achten, die eine Instabilit&auml;t oder Fehlstellung im Handgelenk verursachen k&ouml;nnen. Diese Zusatzverletzungen bestimmen oftmals die F&auml;higkeit zur R&uuml;ckkehr zur sportlichen Aktivit&auml;t und in die berufliche T&auml;tigkeit der Patienten. Sollte der Operateur eine 6-w&ouml;chige postoperative Ruhigstellung f&uuml;r notwendig befinden, hat diese keinen negativen Einfluss auf das mittelfristige klinische Ergebnis.<sup>1</sup> Allerdings verhindert eine alleinige Ruhigstellung in den wenigsten F&auml;llen eine Handgelenksinstabilit&auml;t, die auf eine Zusatzverletzung des karpalen Bandapparates oder des TFCC zur&uuml;ckzuf&uuml;hren ist.</p> <h2>Kahnbeinfraktur (operativ, konservativ)</h2> <p>Kahnbeinfrakturen treten sehr h&auml;ufig bei sportlicher Bet&auml;tigung auf und betreffen meist j&uuml;ngere Patienten. Eine h&auml;ufige Verletzungsfolge ist eine lang anhaltende Unf&auml;higkeit zur Aus&uuml;bung von manuellen Berufen und Sportarten. Prinzipiell betr&auml;gt die Zeitdauer der Ruhigstellung bei Kahnbeinfrakturen 6 bis 18 Wochen, je nach Lokalisation und Frakturform.<br /> Stabile Kahnbeinfrakturen k&ouml;nnen sowohl konservativ als auch operativ behandelt werden. Nach operativer Behandlung kann auf eine zus&auml;tzliche Ruhigstellung verzichtet werden. Dies ist f&uuml;r manche Berufsgruppen ohne belastende T&auml;tigkeiten von gro&szlig;em Vorteil, da eine Berufsaus&uuml;bung durch die Beweglichkeit des Handgelenks ohne Unterarmgips oder -cast teilweise erm&ouml;glicht wird. Bei instabilen Frakturen, insbesondere mit Dislokation der Fragmente, wird eine Osteosynthese (Schrauben-, ggf. Plattenosteosynthese) empfohlen. Dieser wird vor allem deshalb der Vorzug gegeben, weil eine h&ouml;here Konsolidationsrate erzielt wird, Fehlstellungen verhindert und postoperative Ruhigstellungen eingeschr&auml;nkt bzw. gelegentlich sogar vermieden werden k&ouml;nnen. Der Zeitraum der postoperativen Ruhigstellung und die M&ouml;glichkeit einer funktionellen Therapie h&auml;ngen von der Frakturform ab. Jedenfalls kann die im Vergleich zur konservativen Therapie deutlich reduziert werden.<sup>2</sup> &Uuml;ber eine exakte Zeitangabe herrscht keine Einigkeit. Unserer Meinung nach sollte die Dauer der postoperativen Ruhigstellung von der Frakturform und Lokalisation sowie von der Art der Versorgung (Schraubenmodell, Position der Schraube im Kahnbein) abh&auml;ngig gemacht werden. Auch &uuml;ber eine schnellere kn&ouml;cherne Konsolidierung wird kontrovers diskutiert. Eine ann&auml;hernd ungehinderte Sportf&auml;higkeit wird nach Erlangung der Handgelenksbeweglichkeit vor allem dann erreicht, wenn die Fragmente ohne Achsenfehlstellung konsolidiert sind. Eine Dorsalextension des Handgelenkes unter Maximalbelastung (Liegest&uuml;tze) ist oftmals mehrere Monate nicht schmerzfrei m&ouml;glich.</p> <h2>SL-Bandruptur, akut</h2> <p>Eine scapholun&auml;re Dissoziation (Abb. 1) entsteht, wie die Kahnbeinfraktur, durch einen Sturz auf das gestreckte Handgelenk. Wenn sie prim&auml;r nicht durch Instabilit&auml;tszeichen im R&ouml;ntgenbild auff&auml;llt, wird sie meist nicht rechtzeitig erkannt, um ad&auml;quat durch eine Bandnaht behandelt zu werden. Da die scapholun&auml;re Dissoziation oft erst im Laufe der Zeit, auch bei Ruhigstellung, auftritt, wird nicht selten der sp&auml;teste Zeitpunkt (max. 10&ndash;12 Tage nach Trauma) f&uuml;r eine Naht des scapholun&auml;ren Bandes vers&auml;umt. Bleibt eine scapholun&auml;re Dissoziation beim manuell t&auml;tigen Patienten oder Sportler unentdeckt oder wird durch eine Bandnaht keine Stabilit&auml;t des Handgelenkes erreicht, f&uuml;hrt sie, je nach Belastungsintensit&auml;t, zu einer Handgelenksarthrose (&bdquo;scaphoid lunate advanced collapse&ldquo; des Handgelenkes, SLAC wrist).</p> <h2>SL-Bandruptur, chronisch</h2> <p>L&auml;nger als 2 Wochen zur&uuml;ckliegende SLBand- Rupturen mit scapholun&auml;rer Dissoziation k&ouml;nnen nicht mehr mithilfe einer direkten Bandnaht behandelt werden. Es muss eine Bandplastik durchgef&uuml;hrt werden. Dabei hat sich die Bandplastik nach Brunelli,<sup>3</sup> ggf. mit Modifikationen, durchgesetzt. Das Prinzip dieser Technik sind das Aufrichten des Kahnbeines und die Verhinderung der Subluxation des proximalen Kahnbeinpoles nach dorsal. Dies wird durch einen distal gestielten Sehnenstreifen des M. flexor carpi radialis erreicht, der durch einen Kanal im Kahnbein von distal palmar nach proximal dorsal gezogen und entweder am ulnarseitigen distalen Radius oder am Mondbein unter Spannung befestigt wird. Alternativen zur Brunelli-Bandplastik folgen einem &auml;hnlichen Prinzip. Die gewonnene Stabilit&auml;t geht postoperativ etwas auf Kosten der Beweglichkeit im Handgelenk. Dies stellt keine Komplikation der Behandlung dar, jedoch muss der Patient pr&auml;operativ dar&uuml;ber aufgekl&auml;rt werden. Durch die gewonnene Stabilit&auml;t des Handgelenkes wird der Patient auch in einem manuellen Beruf oder in einer belastenden Sportart wieder aktiv sein k&ouml;nnen.<br /> Falls der Prozess der Knorpeldestruktion durch die scapholun&auml;re Dissoziation zu weit fortgeschritten ist, kann in einem fr&uuml;hen Stadium (SLAC I&deg;) eine Stabilisierung durch eine scapholun&auml;re Verschraubung mit Entknorpelung des scapholun&auml;ren Gelenkes durchgef&uuml;hrt werden (&bdquo;reduction and association of the scaphoid and lunate[RASL] procedure&ldquo;). Diese von M. Rosenwasser beschriebene Operationstechnik wird allerdings wegen technischer Schwierigkeiten und unterschiedlicher klinischer Ergebnisse kontrovers diskutiert. Bei oss&auml;rer Destruktion des Mondbeines nach &bdquo;RASL procedure&ldquo; durch die Doppelgewindeschraube besteht keine M&ouml;glichkeit einer bewegungserhaltenden Teilarthrodese (&bdquo;four corner fusion&ldquo;) mehr. Nach einer gelungenen &bdquo;RASL procedure&ldquo; besteht durchaus die M&ouml;glichkeit, die Sportf&auml;higkeit wiederzuerlangen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1704_Weblinks_ortho_1704__s33_abb1.jpg" alt="" width="2222" height="860" /></p> <h2>Kahnbeinpseudarthrose</h2> <p>An unserer Institution werden Kahnbeinpseudarthrosen in den meisten F&auml;llen mit Beckenkammspan-Interposition und Osteosynthese mit einer Schraube mit durchgehendem Gewinde operiert. Wir stellen das Handgelenk, je nach Lokalisation der Pseudarthrose, postoperativ bis zu 12 Wochen im Unterarmgips mit Daumeneinschluss ruhig, kl&auml;ren die Patienten &uuml;ber die l&auml;ngere kn&ouml;cherne Konsolidierung der Pseudarthrosen auf und weisen darauf hin, dass durch eine k&uuml;rzere Ruhigstellung das Ergebnis der Operation gef&auml;hrdet wird. Mit dieser Art der Behandlung konnten wir eine Konsolidationsrate von &uuml;ber 90 % erzielen.</p> <h2>Ulnarer Handgelenksschmerz</h2> <p>Der ulnare Handgelenksschmerz kann vielf&auml;ltige Ursachen haben. Am h&auml;ufigsten finden sich Verletzungen des triangul&auml;ren fibrokartilagin&auml;ren Komplexes (TFCC), die gelegentlich von einer Instabilit&auml;t im DRUG begleitet werden. Weiters k&ouml;nnen TFCC-Rupturen mit einer dynamischen Instabilit&auml;t des Unterarmes, einem ulnaren Impaction-Syndrom und in seltenen F&auml;llen mit einer lunotriquetralen (LT) Bandl&auml;sion einhergehen. TFCC-Verletzungen werden nach Palmer in traumatische bzw. degenerative L&auml;sionen und nach unterschiedlichen Lokalisationen eingeteilt. Je nach Lage des Risses ist entweder eine Naht, bei einer h&ouml;hergradigen Instabilit&auml;t eine Fesselungsoperation (Abb. 2) oder aber nur ein D&eacute;bridement des Discus triangularis m&ouml;glich. Je nach Art der Verletzung und notwendiger Therapie kann die Dauer bis zur Wiederaufnahme der beruflichen T&auml;tigkeit oder der ausge&uuml;bten Sportart bis zu mehrere Monate dauern. Wir weisen Patienten darauf hin, dass es bis zur Genesung nicht selten 3&ndash;4 Monate dauern kann. Bei Persistenz der Beschwerden bzw. je nach Vereinbarung und Aufkl&auml;rung des Patienten k&ouml;nnen zum Zeitpunkt der Arthroskopie zus&auml;tzliche Ma&szlig;nahmen zur Dekompression des Ulnokarpalgelenkes wie &bdquo;wafer procedure&ldquo; oder eine Ulnaverk&uuml;rzungsosteomie notwendig werden. Nach Ulnaverk&uuml;rzungsosteotomie ist eine Wiederaufnahme von Sport und Beruf erst nach Konsolidierung der Osteotomie und bei Schmerzfreiheit sinnvoll. Bei einem ulnaren Impingementsyndrom sollte die Wiederherstellung des Alignments im DRUG, z.B. durch eine Radiuskorrekturosteotomie, angestrebt werden. Patienten, bei denen das DRUG wiederhergestellt worden ist, k&ouml;nnen mit einer vollen Sport- und Berufsf&auml;higkeit rechnen. Sollten bei einem ulnaren Impingement im DRUG Ma&szlig;nahmen wie eine Kapandji- Sauv&eacute;-Operation oder die Implantation einer Ellenkopfprothese notwendig werden, ist mit einem Verlust der F&auml;higkeit zur sportlichen Aktivit&auml;t zu rechnen und bei manuellen Berufen zu einer Umschulung zu raten.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1704_Weblinks_ortho_1704__s34_abb2.jpg" alt="" width="2223" height="925" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Lozano-Calder&oacute;n SA et al: J Bone Joint Surg Am 2008; 90(6): 1297-304 <strong>2</strong> McQueen MM et al: J Bone Joint Surg Br 2008; 90(1): 66-71 <strong>3</strong> Brunelli GA, Brunelli GR: Ann Chir Main Memb Super 1995; 14(4-5): 207-13</p> </div> </p>
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