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Aktueller Stellenwert von Arthrodese und Totalendoprothese bei Arthrose und rheumatoider Arthritis des oberen Sprunggelenkes

<p class="article-intro">Die prinzipielle Indikation zur Arthrodese oder Totalendoprothese ist in jedem Fall die sogenannte „end-stage osteoarthritis“. Es bestehen jedoch gewisse Unterschiede in der Indikationsstellung. Dazu sind Kenntnisse über Vor- und Nachteile beider Verfahren sowie über mögliche Komplikationen und Langzeit-Outcome erforderlich. Im Folgenden soll der aktuelle Stellenwert von Arthrodese und Totalendoprothese analysiert werden, insbesondere auch, ob die spezielle Situation des Rheumatikers die Indikationsstellung wesentlich beeinflusst.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Die Indikation &bdquo;end-stage osteoarthritis&ldquo; verlangt, dass alternative Behandlungsverfahren, wie konservative Ma&szlig;nahmen, orthop&auml;dische Schuhversorgung oder gelenkserhaltende Eingriffe, ausgesch&ouml;pft oder nicht mehr m&ouml;glich sind. Zu den gelenkserhaltenden operativen Verfahren z&auml;hlen insbesondere arthroskopische Eingriffe mit Entfernung von Osteophyten sowie Umstellungsosteotomien, um die biomechanische Situation und Lastverteilung zu optimieren. Ist ein Stadium erreicht, das eine endg&uuml;ltige Sanierung erfordert, so ist eine individuelle Indikationsstellung unter Ber&uuml;cksichtigung folgender Parameter durchzuf&uuml;hren: Alter und Gewicht des Patienten, notwendige bzw. erw&uuml;nschte Belastbarkeit, Ausma&szlig; der Arthrose bzw. der kn&ouml;chernen Destruktionen, Bewegungsumfang des oberen Sprunggelenkes, m&ouml;gliche Instabilit&auml;ten und Fehlstellungen, symptomatische arthrotische Ver&auml;nderungen in den Nachbargelenken sowie spezielle Erfordernisse der Nachbehandlung (M&ouml;glichkeit einer postoperativen kompletten Entlastung im Falle der Arthrodese).</p> <p>Gleichzeitig wird die Indikationsstellung beeinflusst durch Kenntnis der internationalen Literatur in Bezug auf perioperative Komplikationen, postoperative Fr&uuml;hund Sp&auml;tkomplikationen, biomechanische Unterschiede mit Einfluss auf das Gangbild sowie &Uuml;berlebensraten im Langzeitverlauf. Neben Kenntnis der internationalen Literatur spielen naturgem&auml;&szlig; auch eigene Erfahrungen mit den oben genannten Komplikationen und Problemen im Langzeitverlauf eine wesentliche Rolle in der Beratung der Patienten.</p> <h2>Perioperative Komplikationen</h2> <p>In einer Studie &uuml;ber perioperative Komplikationen in einem US-amerikanischen Kollektiv zwischen 2002 und 2011 konnten Jiang et al.<sup>1</sup> f&uuml;r die Sprunggelenks-Totalendoprothese (TEP) Unterschiede im Sinne einer geringeren Transfusionsrate, einer besseren Entlassbarkeit in h&auml;usliche Pflege und geringerer Gesamtkomplikationen im Vergleich zur Arthrodese feststellen. Zus&auml;tzlich erwies sich die TEP in der perioperativen Beurteilung im US-amerikanischen Gesundheitssystem als teurer. In einer &auml;hnlichen Analyse (US-amerikanische Krankenhausdaten 2002 bis 2013; 3148 Patienten) konnten Odum et al.<sup>2</sup> ein h&ouml;heres Risiko f&uuml;r &bdquo;major complications&ldquo; (1,8- mal h&ouml;her) und ein geringeres Risiko f&uuml;r &bdquo;minor complications&ldquo; (29 % weniger) feststellen.<br /> Mit einer Erweiterung des Beobachtungszeitraums vom reinen Krankenhausaufenthalt auf die komplette Follow-up- Periode konnten Lawton et al.<sup>3</sup> in einem Review &uuml;ber 2239 Operationen zwischen 2006 und 2016 mit einem mittleren Nachuntersuchungszeitraum von 57 Monaten feststellen, dass wohl die Komplikationsrate nach Arthrodesen h&ouml;her war, jedoch die Revisionsraten bei TEP h&ouml;her waren. Dies f&uuml;hrte zur Schlussfolgerung, dass die Entscheidung TEP vs. Arthrodese immer aufgrund individueller Beurteilung der pr&auml;operativen Situation erfolgen sollte.<br /> In einer Metaanalyse bestehender Vergleichsstudien mit einem relativ kurzem Follow-up von 30 Monaten nach Arthrodesen und 39 Monaten nach TEP konnten Kim et al.<sup>4</sup> ein vergleichbares klinisches Outcome (gemessen mittels SF36), signifikant h&ouml;here Revisionsraten und signifikant mehr &bdquo;major complications&ldquo; nach TEP feststellen.<br /> Im umfassendsten Review von Vergleichsstudien zwischen TEP und Arthrodese zeigten Maffully et al.<sup>5</sup> bei einem mittleren Follow-up von 76 Monaten nach Arthrodese und 62 Monaten nach TEP, dass die Revisionsraten nach TEP signifikant h&ouml;her waren, im Laufe der Jahre jedoch die Ergebnisse nach TEP besser wurden. Auch Mafully et al.<sup>5</sup> kommen damit zum Schluss, dass die Entscheidung TEP vs. Arthrodese immer auf Basis individueller Beurteilung getroffen werden muss und dass die TEP noch nicht als Routinemanagement der OSG-Arthrose gesehen werden kann.</p> <h2>Bedeutung des Gangbildes</h2> <p>Als Vorteil einer Versorgung mittels Endoprothese wird gemeinhin die Beibehaltung des physiologischen Gangbildes genannt. Dies muss jedoch insofern relativiert werden, als Singer et al.<sup>6</sup> mittels 3D-Gang-Analyse feststellen konnten, dass das klinische Ergebnis gemessen an PROMs bei beiden Verfahren gleich ist, aber dass weder Arthrodese noch TEP ein physiologisches Gangbild erm&ouml;glichen. Bei einer feineren Analyse konnte auch gezeigt werden, dass das &bdquo;nat&uuml;rlichste&ldquo; Gangbild bei 3-Komponenten-Prothesen nachweisbar war.</p> <h2>Patientenbezogene Risikofaktoren f&uuml;r periprothetische Infektionen</h2> <p>Um die spezielle Situation bei verschiedenen Patientensubgruppen zu analysieren, erscheint die Arbeit von Althoff et al.<sup>7</sup> sehr informativ, welche die patientenbezogenen Risikofaktoren f&uuml;r periprothetische Infektionen nach TEP des Sprunggelenkes in 6977 F&auml;llen analysiert haben: Hier zeigt sich ein signifikanter statistischer Zusammenhang einer erh&ouml;hten Infektionsrate nach TEP mit (in absteigender Folge): PAVK, rheumatoider Arthritis (RA), Lungenerkrankungen, Diabetes, Rauchen, niedrigem BMI und Niereninsuffizienz. Es ist jedoch davon auszugehen, dass diese Risikofaktoren in &auml;hnlicher Weise auch bei anderen chirurgischen Eingriffen, wie einer Arthrodese, eine Rolle spielen. Alleine daraus kann deshalb keine Selektion in Bezug auf TEP oder Arthrodese gerechtfertigt werden.</p> <h2>TEP bei rheumatoider Arthritis</h2> <p>Es ist deshalb notwendig, die spezielle Situation der TEP bei Patienten mit RA zu analysieren. In einem systematischen Review haben van Heiningen et al.<sup>8</sup> Vergleichsstudien zwischen TEP und Arthrodese zwischen 1980 und 2011 inkludiert. Dabei wurden die Daten von 145 Arthrodesen mit einem durchschnittlichem Follow- up von 3,8 Jahren und von 260 TEP mit einem durchschnittlichen Follow-up von 4,5 Jahren verglichen. Beide Verfahren brachten klinische Verbesserungen im Vergleich zum pr&auml;operativen Zustand, statistisch konnte jedoch keine &Uuml;berlegenheit einer Methode gegen&uuml;ber der anderen in Bezug auf klinisch verwendete Scores und Komplikationen gefunden werden.<br /> In einer Multicenter-&bdquo;matched pair&ldquo;- Studie wurden von Pedersen et al.<sup>9</sup> 50 Patienten mit RA (Follow-up 63,8 Monate) mit 50 Patienten mit Arthrose (Follow-up 65,6 Monate) verglichen. Es zeigte sich hier, dass das klinische Outcome bei RA &auml;hnlich war wie bei Arthrose, Pain- und Disability-Scores jedoch beim Rheumatiker postoperativ etwas schlechter waren. Da diese Scores nicht die reine Funktion des Sprunggelenkes, sondern auch die gesamtk&ouml;rperliche Funktion mit Beeintr&auml;chtigung benachbarter Gelenke beurteilen, ist die Interpretation in Bezug auf das Sprunggelenk nat&uuml;rlich schwierig.<br /> All diese klinischen Studien zeigten, dass bei Beobachtung kurz- und mittelfristiger Verl&auml;ufe keine generelle &Uuml;berlegenheit der Sprunggelenksendoprothese nachweisbar ist. Studien &uuml;ber langfristige Verl&auml;ufe sind in der Literatur nicht in ausreichender Zahl und Qualit&auml;t vorhanden. Diese langj&auml;hrige Erfahrung sollte sich jedoch in Fallzahlen von Zentren, welche die Indikation zur Endoprothese stellen und die Implantation vornehmen, widerspiegeln.</p> <h2>Analyse der Implantationszahlen</h2> <p>Dieser Hypothese einer zur&uuml;ckhaltenderen Indikationsstellung zur TEP widerspricht auf den ersten Blick eine Publikation von Stavrakis und Soohoo,<sup>10</sup> die in einer Analyse der Implantationszahlen in Kalifornien zwischen 1995 und 2010 seit 2007 einen eindeutigen Anstieg der Implantationszahlen von Sprunggelenksendoprothesen in Kalifornien zeigen konnten. Ebenso beschreiben sie in diesem Zeitraum einen R&uuml;ckgang der Komplikationsraten und eine Verbesserung der klinischen Sicherheit. Bei genauerer Analyse und Kenntnis der USamerikanischen Situation ist jedoch davon auszugehen, dass dieser positive Effekt mit steigenden Implantationszahlen haupts&auml;chlich auf die Verf&uuml;gbarkeit moderner 3-Komponenten- Designs ab diesem Zeitpunkt in den Vereinigten Staaten zur&uuml;ckzuf&uuml;hren ist, w&auml;hrend diese in Europa bereits seit zwei Jahrzehnten auf dem Markt waren. So gesehen scheint das Ergebnis dieser Analyse aus europ&auml;ischer Sicht eher im Sinne eines Aufholprozesses nach Ersatz v&ouml;llig veralteter Prothesendesigns durch zeitgem&auml;&szlig;e 3-Komponenten-Systeme zu sehen zu sein.</p> <p>Es ist deshalb sinnvoll, die europ&auml;ische Situation getrennt zu beurteilen. Hier zeigen sich zwei Effekte: J&auml;msen et al.<sup>11</sup> zeigen nach einer Registeranalyse der Jahre 1995 bis 2010, dass in Finnland die TEPZahlen generell bei RA dramatisch r&uuml;ckl&auml;ufig waren, und interpretieren dies als einen Effekt der modernen Rheumamedikation. Gleichzeitig konnte von derselben Arbeitsgruppe bei Analyse der Zahlen zwischen 1997 bis 2010 ein dramatisches Absinken der Sprunggelenks-TEP-Zahlen bei Arthrose und RA gezeigt werden.<sup>12</sup> Im selben Zeitraum blieb die Anzahl an Arthrodesen aber weitgehend gleich, was auf eine deutliche Abkehr von der Sprunggelenksendoprothese schlie&szlig;en l&auml;sst. Dies deckt sich auch mit Zahlen aus Deutschland und &Ouml;sterreich; hier beobachteten wir innerhalb der letzten 10 Jahre eine Reduktion der Implantationszahlen von Sprunggelenksendoprothesen von 30&ndash; 50 %.</p> <h2>Kritischere Beurteilung der Sprunggelenksendoprothetik</h2> <p>Diese kritischere Beurteilung der Sprunggelenksendoprothetik ergibt sich im Wesentlichen aus der Inzidenz von Revisionen, die nicht neuerlich durch Revisionsimplantate versorgt werden k&ouml;nnen, sondern Interpositionsarthrodesen notwendig machen. Diese doch schwerwiegenden Komplikationen mit sehr komplexen operationstechnischen Versorgungen (Abb. 1) finden bis dato noch keine ausreichende Abbildung in der internationalen Literatur, f&uuml;hren aber in Sprunggelenkszentren zu einer deutlich kritischeren Sichtweise in Bezug auf die Indikationsstellung zum Prim&auml;reingriff.<br /> Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass kurz- und mittelfristig die klinischen Ergebnisse und die subjektive Zufriedenheit f&uuml;r beide Verfahren &auml;hnlich sind. F&uuml;r die Arthrodese besteht eine h&ouml;here Fr&uuml;hkomplikationsrate, f&uuml;r die Prothese eine h&ouml;here Revisionsrate, insbesondere nach l&auml;ngeren Verl&auml;ufen. Diese Revisionen gestalten sich in der Regel als sehr aufwendig. H&ouml;here Infektraten bei Patienten mit RA sind generell Folgen der Grunderkrankung bzw. der immunmodulierenden Therapie und sind nicht dem spezifischen Operationsverfahren anzulasten.<br /> Prinzipiell erscheint die Implantation einer Sprunggelenksprothese vor allem bei &auml;lteren, normgewichtigen Personen mit geringerer k&ouml;rperlicher Aktivit&auml;t als ein sehr wertvolles Operationsverfahren, da insbesondere bei &auml;lteren Leuten die sofortige postoperative Belastbarkeit einer Sprunggelenksendoprothese oft den Ausschlag zur Auswahl dieses Verfahrens gibt. Trotzdem sollte die Indikation zur Sprunggelenksendoprothese in jedem Fall individuell in Absprache mit dem Patienten getroffen werden. Die Arthrodese beh&auml;lt als definitive L&ouml;sung der &bdquo;end-stage osteoarthritis&ldquo; nach wie vor ihre f&uuml;hrende Position.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Ortho_1902_Weblinks_jatros_ortho_1902_s72_abb1.jpg" alt="" width="500" height="301" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Jiang JJ et al.: Comparison of perioperative complications and hospitalization outcomes after ankle arthrodesis versus total ankle arthroplasty from 2002 to 2011. Foot Ankle Int 2015; 36(4): 360-8 <strong>2</strong> Odum SM et al.: In-hospital complications following ankle arthrodesis versus ankle arthroplasty: a matched cohort study. J Bone Joint Surg Am 2017; 99: 1469-75 <strong>3</strong> Lawton CD et al.: Total ankle arthroplasty versus ankle arthrodesis &ndash; a comparison of outcomes over the last decade. J Orthop Surg Res 2017; 12: 76 <strong>4</strong> Kim HJ et al.: Total ankle arthroplasty versus ankle arthrodesis for the treatment of end-stage ankle arthritis: a meta-analysis of comparative studies. Int Orthop 2017; 41: 101-9 <strong>5</strong> Maffulli N et al.: Outcome of ankle arthrodesis and ankle prosthesis: a review of the current status. Br Med Bull 2017; 124(1): 91-112 <strong>6</strong> Singer S et al.: Ankle arthroplasty and ankle arthrodesis: gait analysis compared with normal controls. J Bone Joint Surg Am 2013; 95: e191(1-10) <strong>7</strong> Althoff A et al.: Patient-related risk factors for periprosthetic ankle joint infection: an analysis of 6977 total ankle arthroplasties. J Foot Ankle Surg 2018; 57(2): 269-72 <strong>8</strong> van Heiningen J et al.: The mid-term outcome of total ankle arthroplasty and ankle fusion in rheumatoid arthritis: a systematic review. BMC Musculoskelet Disord 2013; 14: 306 <strong>9</strong> Pedersen E et al.: Outcome of total ankle arthroplasty in patients with rheumatoid arthritis and noninflammatory arthritis. A multicenter cohort study comparing clinical outcome and safety. J Bone Joint Surg Am 2014; 96(21): 1768-75 <strong>10</strong> Stavrakis AI, SooHoo NF: Trends in complication rates following ankle arthrodesis and total ankle replacement. J Bone Joint Surg Am 2016; 98(17): 1453-8 <strong>11</strong> J&auml;msen E et al.: The decline in joint replacement surgery in rheumatoid arthritis is associated with a concomitant increase in the intensity of anti-rheumatic therapy: A nationwide register-based study from 1995 through 2010. Acta Orthop 2013; 84(4): 331-7 <strong>12</strong> Kokkonen A et al.: Incidence of rheumatoid arthritis-related ankle replacement and ankle arthrodesis: A Finnish nationwide register-based study from 1997-2010. Acta Orthop 2013; 84(4): 338-41</p> </div> </p>
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