© CreVis2 iStockphoto

Östrogenmangel und Osteoporose bei jungen Frauen

Prämenopausale Frauen mit Osteoporose haben meist eine Grunderkrankung. Eine spezifische Therapie dieser Erkrankungen sowie antiresorptive und anabole Medikamente verbessern die Knochendichte, jedoch ohne Anzeichen einer Frakturreduktion.

Ein wesentlicher Risikofaktor für die Entwicklung einer Osteoporose ist – neben Genetik, Immunerkrankungen, Morbus Cushing, Ernährung und Medikamenteneinnahme – der Östrogenmangel. Dieser führt nicht nur zu einer verminderten Kalziumabsorption im Darm, es kommt auch zu einer geringeren Stimulation der Osteoblastenaktivität (vermindertes TGF-ß, IGF-1, BMP-6) sowie zu einer höheren Stimulation der Osteoklastenaktivität (erhöhtes RANKL, M-CSF, IL-6, IL-1, TNF-alpha).1

„Bei etwa 50 Prozent aller Frauen mit Amenorrhö liegt eine Störung der hypothalamisch-hypophysären-adrenergen Achse vor“, erklärt Dr. Johannes Ott, Klinische Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin, Medizinische Universität Wien. Der „zentrale“ Hypogonadismus, bei dem der Hypothalamus und die Hypophyse in ihrer Funktion versagen, liegt bei etwa einem Drittel aller betroffenen Patientinnen vor. „Und unter diesen ist die funktionelle hypothalamische Amenorrhö (FHA) sehr häufig“, so Ott. Die drei Hauptursachen der FHA, die bis zum Ausfall der Eierstockaktivität führen können, sind physiologischer und somatischer Stress sowie Gewichtsreduktion bzw. Untergewicht.

Angesichts der Folgen einer Nichtbehandlung von Amenorrhö, nämlich des Verlusts an Knochenmasse, sowie der Altersbeschränkungen bei der Behandlung weiblicher Patienten mit Unfruchtbarkeit sind frühe Diagnose und rascher Beginn der Behandlung von entscheidender Bedeutung.2

Female Athlete Triad

Eine Female Athlete Triad tritt bei körperlich aktiven weiblichen Athletinnen auf und ist durch geringe Energieverfügbarkeit, Menstruationsstörungen und eine niedrige Knochenmineraldichte definiert.3 Die Knochendichteverminderung bei stark trainierenden Frauen wird durch erniedrigte Z-Scores angezeigt.4 Generell haben Frauen, die gar keine oder selten eine Blutung haben, eine deutlich niedrigere Knochendichte als solche mit regelmäßiger Menstruation.5 Wie in einer (kleinen) Studie mit jungen Frauen im Alter zwischen 12 und 18 Jahren gezeigt wurde, führt ein amenorrhoischer Zustand auch bei Adoleszenten zu einem erhöhten Frakturrisiko.6

Wegen des Auftretens eines Östrogendefizits aufgrund hypothalamischer Amenorrhö ist DMPA (Depot-Medroxyprogesteronacetat) als Kontrazeptivum für adoleszente Frauen kontraindiziert, da die Depotspritze in erster Linie auf den Hypothalamus einwirkt und iatrogen eine „reine“ FHA erzeugt. „DMPA ist mit einer höheren Frakturwahrscheinlichkeit und einem Nichterreichen der ,peak bone mass‘ assoziiert“, erklärt Ott.

Die Dauer der Amenorrhöphase korreliert – neben einem niedrigen Body-Mass-Index und einem niedrigen Körpergewicht – eindeutig mit der Knochendichte. Ein erhöhtes SHBG (Sexualhormon-bindendes Globulin) wirkt negativ, ein höherer Testosteronwert hingegen positiv auf den Knochen.7

Knochendichtemessung bei jungen Frauen

Da die finale Ausbildung der „peak bone mass“ erst in einem Alter zwischen 25 und 30 Jahren erfolgt, sind die meisten jüngeren Frauen mit FHA auch mit einer Verminderung des Knochenanbaus konfrontiert.8 Frauen mit primärer Amenorrhö haben eine deutlich niedrigere Knochendichte als solche mit sekundärer Amenorrhö.9 In einem Positionspapier von 2008 wird ab einer Amenorrhödauer von 6 Monaten eine Knochendichtemessung auch bei adoleszenten Frauen empfohlen.10

Eine weitere spezielle Situation betrifft Frauen mit Anorexia nervosa, die durch einen niedrigen Fettanteil, schlechten Ernährungszustand, Hyperkortisolismus sowie Östrogen- und Testosteronmangel gekennzeichnet ist. Die Lebenszeitprävalenz beträgt 0,9%, das Risiko für Osteoporose OR=12,6 und das Risiko für Frakturen OR=1,8.11 „Die meisten Studien zeigen, dass der Effekt einer Östrogenisierung bzw. Gestagenisierung bei der Anorexia nervosa wenig bringt, da noch viele andere Faktoren eine Rolle spielen“, so Ott. „Ohne Veränderung des Lebensstils wird sich auch die Knochendichte nicht zum Positiven verändern.“

„Premature ovarian insufficiency“ (POI)

Beim vorzeitigen Wechsel, der durch Amenorrhö, Hypoöstrogenämie und Hypergonadotropismus definiert ist, beträgt die Inzidenz vor dem 40. Lebensjahr 1–2% und 0,1% bis zum 30. Lebensjahr. Eine POI ist eine Spätfolge der Erschöpfung der Follikelreserve. Die Diagnosekriterien laut ESHRE (European Society of Human Reproduction and Embryology) sind: Oligo-/Amenorrhö ≥ 4 Monate und 2-mal FSH > 25IE/ml (Abstand: 4 Wochen). Meist spricht man bei der POI von idiopathischen Ursachen. Faktoren, welche die Knochendichte noch zusätzlich negativ beeinflussen können, sind chromosomale Anomalien (z.B. Turner-Syndrom) oder Autoimmunerkrankungen.

Die Prävalenz der Osteoporose beträgt bei der POI zwischen 8% und 45%, die Prävalenz von Frakturen ist unbekannt.12 „Obwohl die Datenlage nicht sehr gut ist, besteht kein Zweifel, dass die Knochendichte beim vorzeitigen Wechsel negativ beeinflusst wird und das Frakturrisiko wahrscheinlich steigt“, sagt Ott.

Nach 3 Jahren einer knochenadäquaten oralen Estradioltherapie (2mg Estradiol oral + 10mg Dydrogesteron oral/Tag) stiegen in einer polnischen Studie sowohl der T-Score als auch der Z-Score signifikant an.13 Bei vielen Patientinnen, die vorher eine osteoporotische Knochendichte hatten, hat sich diese verbessert, sodass nach der Therapie nur noch eine Osteopenie vorlag (T <–2,5 SD: vor HRT 9% Osteoporose, nach HRT 2%).13

Laut internationalen Empfehlungen ist die HRT im POI-Management bzw. beim östrogenbedingten Knochenverlust die Therapie der ersten Wahl und sollte bis in das mittlere Menopausealter (in Österreich etwa 51 Jahre) durchgeführt werden.14 „Eine HRT kann den Knochenverlust stabilisieren und teilweise umkehren“, sagt Ott. „Aber nur bis zu dem Punkt, an dem der Knochendichteverlust und das Frakturrisiko auf das Östrogendefizit zurückzuführen sind.“

Therapie der prämenopausalen Osteoporose

Bei einer jungen, untergewichtigen Frau mit Menstruationsproblemen sollte auf die Wichtigkeit des Muskeltrainings hingewiesen werden. Je höher die „lean body mass“ (LBM) – also die Magermasse des Körpers, bestehend aus Körpergewicht minus Speicherfett – ist, desto höher sind meist auch die „peak bone mass“ und die Muskelmasse. Eine Lebensstilveränderung kann bei Frauen bis zum Alter von 30 Jahren eine 20–40%ige Verbesserung bringen.

„Man muss die Frauen auf die ausreichende Kalziumzufuhr, entweder durch Milchprodukte oder Supplements, hinweisen. Bei malnutrierten Frauen sind körperliche Aktivität und Proteinzufuhr essenziell“, erklärt Dr. Elisabeth Lerchbaum, Klinische Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie, Universitätsklinik für Innere Medizin, Graz. Ebenso unterstützt ein ausreichender Vitamin-D-Spiegel (≥50nmol/l) die Knochenbildung.

Verschiedene Grunderkrankungen sind mit unterschiedlichen Risikoerhöhungen der Entwicklung einer prämenopausalen Osteoporose verbunden. Mit DM-Typ 1 besteht ein 6-fach erhöhtes Risiko. Bei prämenopausalen Frauen mit bekannten Ursachen für sekundäre Osteoporose liegt die Prävalenz niedriger Knochenmasse (definiert als Z-Score ≤–2 SD) wie bei Patienten mit systemischem Lupus erythematodes bei 17,3%, bei 7,3% bei rheumatoider Arthritis, 44,5% bei Cushing-Erkrankungen, 35% bei HIV und 45% bei Mukoviszidose.15 „Ob es sich um eine ‚echte‘ Osteoporose oder nur um eine physiologisch niedrige Knochenmasse handelt, sollte radiologisch und biochemisch abgeklärt werden. Sind bereits Fragilitätsfrakturen aufgetreten, ist die Diagnose aber relativ eindeutig“, so Lerchbaum.

In einem Übersichtsartikel wird eine biochemische und hormonelle Bewertung durch Screening auf sekundäre Ursachen der Osteoporose plus DXA-Scan der Wirbelsäule und des proximalen Femurs bei jüngeren Erwachsenen empfohlen.16 Zum Standardprogramm sollte auch die Erhebung der klassischen Risikofaktoren bei Osteoporose (Rauchen, Alkoholkonsum, Untergewicht, Zyklusstörungen, Familienanamnese) gehören. Zusätzlich sollte eine Vitamin-D-Ergänzung (mit dem Ziel >20ng/ml) erfolgen und die Kalziumzufuhr aus der Nahrung auf 1000mg täglich erhöht bzw. durch Supplement ergänzt werden. Raucherentwöhnung, Ausdauer- und Krafttraining sowie Untersuchung und Behandlung einer zugrunde liegenden chronischen Erkrankung sind essenziell. Liegen keine Kontraindikationen vor, kann eine Substitution von Sexualsteroiden bei hypogonadalen Männern und Frauen in Erwägung gezogen werden.

Bei Frauen mit geringem Risiko (niedriger Z-Score, keine Frakturen, kein Kortison) kann die Basistherapie (bestehend aus einer Optimierung des Lebensstils, der Meidung von Risikofaktoren und ggf. der Zufuhr von Supplementen) zur Anwendung kommen. Frauen, die trotz Therapie Frakturen hatten, können von einer anabolen Therapie profitieren. Bei Hochrisikopatientinnen (niedriger Z-Score ≤–2,0, Kortisontherapie) soll zwischen anaboler und antiresorptiver Therapie gewählt werden. Eine medikamentöse, osteoporose-spezifische Therapie (Bisphosphonate, Denosumab, Teriparatid) ist Frauen mit schwerer Osteoporose bzw. solchen, die schon Fragilitätsfrakturen hatten, vorbehalten.

Die aktuellen Leitlinien beziehen sich derzeit auf postmenopausale Osteoporose und geben keine Empfehlung für ein DXA-Screening für prämenopausale Frauen ab.17 „Auch zur Abschätzung des Frakturrisikos können gute Tools wie der FRAX bei adoleszenten Frauen nicht eingesetzt werden, weil die zugrunde liegenden Daten hauptsächlich von Frauen über 40 Jahren kommen“, sagt Lerchbaum. Hingegen sollte die Möglichkeit der Bildgebung mit HR-pQCT in Ergänzung zur DXA in Erwägung gezogen werden.18

Bei der sekundären Osteoporose ist das Risiko sehr stark abhängig von der Grunderkrankung und davon, ob sie behandelbar ist oder nicht. Sind bereits größere Fragilitätsfrakturen (Hüfte, Wirbelsäule, Oberarmknochen, Speiche) aufgetreten, besteht ein hohes Risiko für weitere Frakturen.

Osteoporoseforum 2022, 23.–25. Juni 2022, St. Wolfgang

1 Weitzmann MN, Pacifici R: J Clin Invest 2006; 116(5): 1186-94 2 Fourman LT, Fazeli PK: J Clin Endocrinol Metab 2015; 100(3): 812-24 3 Daily JP, Stumbo JR: Prim Care 2018; 45(4): 615-24 4 Gibbs JC et al.: Med Sci Sports Exerc 2013; 45(5): 985-96 5 Barron E et al.: J Acad Nutr Diet 2016; 116(3): 481-9 6 Christo K et al.: Pediatrics 2008; 121(6): 1127-36 7 Syrenicz J et al.: Ginekol Pol 2021; 92(11): 753-9 8 Seeman E: Lancet 2002; 359(9320): 1841-50 9 Grinspoon S et al.: Ann Intern Med 2000; 133(10): 790-4 10 Gordon CM et al.: J Clin Densitom 2008; 11(1): 43-58 11Solmi M et al.: Acta Psychiatr Scand 2016; 133(5): 342-51 12 Popat VB et al.: J Clin Endocrinol 2014; 99(9): 3418-26 13 Podfigurna A et al.: J Clin Med 2020; 9(12): 3961 14 Samad N et al.: Semin Reprod Med 2020; 38(04/05): 277-88 15 Pepe J et al.: J Clin Endocrinol Metab 2020; 105(8): 2487-506 16 Herath M et al.: JBMR Plus 2022; 6(1): e10594 17 Kanis JA et al.: Calcif Tissue Int 2019; 104(3): 235-8 18 Rozental TD et al.: Osteoporosis Int 2018; 29(2): 409-19

Back to top