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Paradigmenwechsel in der Therapie des Hodgkin-Lymphoms?
Jatros
Autor:
OA Dr. Michaela Möstl
3. Medizinische Abteilung für<br> Hämatologie und Onkologie<br> Hanusch-Krankenhaus Wien<br> E-Mail: michaela.moestl@wgkk.at
30
Min. Lesezeit
02.03.2017
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<p class="article-intro">Von allen malignen Lymphomen zählt das Hodgkin-Lymphom (HL) zu denen mit der besten Prognose. Mehr als 90 % der Patienten mit limitierter Erkrankung und 70–80 % mit fortgeschrittener Erkrankung können durch die Ersttherapie (FL) dauerhaft geheilt werden.<sup>1</sup></p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Diese Ergebnisse konnten mithilfe von Chemo- und Strahlentherapie erzielt werden, wobei vor allem in den limitierten Stadien eine kombinierte Chemo-/Strahlentherapie mit zwei bis vier Zyklen ABVD zum Einsatz kommt, in den fortgeschrittenen Stadien sechs bis acht Zyklen Chemotherapie (BEACOPP esk., ABVD) mit eventueller Nachbestrahlung von Restlymphknoten.<sup>23</sup><br /> Trotz der ausgezeichneten Erfolge erleiden aber etwa 25 % der Patienten ein Rezidiv oder sind primär therapierefraktär, und von diesen wiederum kann nur die Hälfte mit Salvagetherapien geheilt werden.<br /> Daraus ergaben sich auch die beiden Hauptthemen am ASH-Meeting 2016, nämlich: 1. der aktuelle Stand der „responseadapted“ Frontline-Therapie und 2. neue Therapiestrategien für relabierte oder therapierefraktäre Patienten.</p> <h2>„Response-adapted“ Therapie in der First Line</h2> <p>Ziel einer solchen Maßnahme ist es, jene Patienten frühzeitig zu identifizieren, die von einer intensivierten Therapie profitieren bzw. weniger Therapie benötigen, was sich idealerweise in einer Reduktion der Langzeitfolgen ohne Verminderung der Heilungsrate auswirken soll.<br /> Durch die Einführung der Positronenemissionstomografie (PET) und die Einbeziehung dieser bildgebenden Methode in rezente Studien wie die H10-Studie der EORTC/GELA/FIL<sup>4</sup>, den UK/NCIR RAPID Trial<sup>5</sup> und nicht zuletzt auch den RATHL Trial<sup>6</sup> können nun entsprechende Erkenntnisse aus den Studienergebnissen abgeleitet werden.<br /> In der H10- und der RAPID-Studie wird bei den „Early favourable“-Stadien die Frage der Notwendigkeit einer Strahlentherapie geklärt. Allgemein muss festgestellt werden, dass die Voraussage bezüglich PFS und auch OS durch den Einsatz von PET sehr gut ist. PET-negative Patienten haben eine sehr große Chance, ohne Strahlentherapie auszukommen. Dagegen spricht aber, dass der derzeitige Standard der HD10 mit zwei Zyklen Chemotherapie und nachfolgender „Involved field“-Strahlentherapie ausgezeichnete Ergebnisse gebracht hat, die kaum zu überbieten sind. Außerdem kommt es zu einem Verlust der Krankheitskontrolle von 5–10 % sogar bei PET-negativen Patienten, die keine Strahlentherapie erhalten.<br /> Bei den „Early unfavourable“-Stadien zeigt sich auch bei den PET-negativen Patienten ein Unterschied von 3 % im PFS zugunsten der Patienten mit Strahlentherapie, wobei aber im OS kein Unterschied besteht. Bei den PET-positiven Patienten besteht in der H10-Studie ein deutlicher Vorteil für die Patienten, die mittels BEACOPP eskaliert, gefolgt von einer IF-Radiotherapie, intensiviert werden.<br /> Insgesamt ist die frühe Beurteilung des Ansprechens mittels PET/PET-CT als Standard anzusehen, um Patienten zu identifizieren, die von einer Intensivierung der Therapie profitieren bzw. durch ein Weglassen der Strahlentherapie keinen Schaden erleiden. Da alle bisher publizierten Studien einen Vorteil selbst für PET-negative Patienten mit Strahlentherapie ergeben, jedoch dabei kein Unterschied im OS besteht, muss in Zukunft gut überlegt werden, ob man nur bei einer gefährdeten Patientengruppe (i.e. junge weibliche Erwachsene mit Lymphknoten im Mediastinum) im Hinblick auf die Vermeidung eines erhöhten Zweitmalignomrisikos auf eine zusätzliche Strahlentherapie verzichtet.</p> <h2>Neue Therapiestrategien mit neuen Substanzen für relabierte/refraktäre Patienten</h2> <p>So gut die Ergebnisse der First-Line- Therapie bei Patienten mit HL sind, so enttäuschend waren bisher PFS und OS bei relabierten/refraktären Patienten.<br /> Ein wichtiger Parameter dabei ist die Chemosensitivität gegenüber der Standardtherapie im Relaps, und auch hier gibt die PET-CT entscheidende Hinweise auf die Prognose.<sup>7</sup> Patienten mit PET-negativem Befund vor einer ASCT haben ein 10-Jahres-OS von 75 % , Patienten mit PETpositiven Resten haben nur eine 30 % ige Chance auf Heilung (Abb. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1701_Weblinks_s34_abb1.jpg" alt="" width="1457" height="841" /><br /><br /> <strong>Brentuximab Vedotin (BV)</strong><br /> Die Tatsache, dass Hodgkin/Reed- Sternbergzellen (HRS) ein CD30-Antigen auf der Oberfläche tragen, bewirkt, dass BV, ein CD30-Antikörper – gekoppelt an die zytotoxische Substanz Monomethylauristatin E –, durch die Bindung zu einer zielgerichteten Apoptose der Tumorzelle führt.<br /> Durch die Einbeziehung der Substanz in die Standardtherapie (ST) konnten die Remissionsraten in dieser Patientengruppe um 20 % verringert werden.<br /> Die Frage einer Konsolidierung mit BV nach einer ASCT wurde im AETHERA Trial untersucht.<sup>9</sup> In dieser Studie konnten 5 Risikofaktoren definiert werden, von denen mindestens zwei vorliegen müssen, um eine Konsolidierungstherapie mit BV nach ASCT zu rechtfertigen: 1. Relaps <12 Monate oder kein Ansprechen auf die Ersttherapie, 2. keine CR auf die vorangegangene Salvagetherapie, 3. Extranodalbefall bzw. 4. B-Symptomatik im Relaps vor ASCT, 5. zwei oder mehr der ASCT vorangegangene Salvagetherapien.<br /><br /> <strong>Checkpoint-Inhibitoren</strong><br /> Schon lange hatte man den Verdacht, dass beim HL das Mikroenvironment eine bedeutende Rolle für die HRS-Zelle spielt (Abb. 2). Die Annahme, dass aufgrund der CD20-Positivität der Bystander-Zellen eine Therapie mit dem CD20-Antikörper beim klassischen HL einen Vorteil für Hochrisikopatienten bringt, konnte aber in der HD18-Studie nicht bewiesen werden.<br /> Eine bedeutende Rolle spielen jedoch die T-Zellen, da der auf ihnen exprimierte PD-L1/2-Ligand zu einer Herabsetzung der T-Zell-Aktivität führt, die jedoch zur Abtötung der Tumorzelle benötigt wird. Diese Überexpression wird durch eine Amplifikation des Chromosoms 9p24.1 hervorgerufen, eine chromosomale Veränderung, die sich bei nahezu allen Fällen eines klassischen HL findet.<br /> Durch den PD-1-Antikörper Nivolumab wird der entsprechende Rezeptor blockiert, was die natürliche T-Zell-Aktivität wiederherstellt, die zur Abtötung der Tumorzellen benötigt wird.<br /> Nivolumab zeigt eine sehr gute Wirksamkeit bei Patienten mit klassischem HL (cHL), wenn auch die komplette Remissionsrate relativ gering ist (Tab. 1). Das Gesamtansprechen liegt bei 87 % in einer Patientengruppe von schwer vorbehandelten Patienten, und auch bei Patienten, die nur eine PR erreichen, kann eine Krankheitsstabilität erreicht werden, die in einigen Fällen sogar bei Absetzen der Medikation bestehen bleibt. Das ausgezeichnete Nebenwirkungsprofil und die hohe Lebensqualität unter der Therapie mit Nivolumab machen dieses Medikament derzeit zu einer hervorragenden Option für Patienten, die nach einer ASCT relabieren.<sup>10</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1701_Weblinks_s34_abb2.jpg" alt="" width="1417" height="2268" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1701_Weblinks_s34_tab1.jpg" alt="" width="2151" height="1060" /></p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Die Positronenemissionstomografie bleibt unverändert ein wichtiges Tool für die frühe Risikoeinschätzung von Patienten mit HL. Vielleicht kann durch Kombination mit der Messung von Biomarkern (z.B. TARC) eine noch bessere Voraussage bezüglich Patienten mit deutlich erhöhtem Relapsrisiko getroffen werden, die dann von einer intensivierten Therapie profitieren.<br /> Die Therapie mit neuen Substanzen stellt derzeit vor allem eine sehr gute Option für stark vorbehandelte Patienten dar. Ob die Kombination dieser Substanzen untereinander bzw. mit konventioneller Chemotherapie die Zahl der kompletten Remissionen erhöhen kann und damit eine Option zum Einsatz in der First Line wird, können nur zukünftige Studien zeigen. Das ambitionierte Ziel muss sein, die derzeit vorliegenden ausgezeichneten Resultate in der First Line nicht zu gefährden und gleichzeitig die Langzeittoxizität durch die Therapie für geheilte Patienten weiter zu vermindern.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Cheson BD: Hodgkin lymphoma: protecting the victims of our success. J Clin Oncol 2012; 30(36): 4456-7 <strong>2</strong> Filippi AR et al: Interim positron emission tomography and clinical outcome in patients with early stage Hodgkin lymphoma treated with combined modality therapy. Leuk Lymphoma 2013; 54(6): 1183-7 <strong>3</strong> Franklin J et al: Second malignancy risk associated with treatment of Hodgkin’s lymphoma: meta-analysis of the randomised trials. Ann Oncol 2006; 17(12): 1749-60 <strong>4</strong> Raemaekers JM et al: Omitting radiotherapy in early positron emission tomographynegative stage I/II Hodgkin lymphoma is associated with an increased risk of early relapse: Clinical results of the preplanned interim analysis of the randomized EORTC/ LYSA/FIL H10 trial. J Clin Oncol 2014; 32(12): 1188-94 <strong>5</strong> Radford J et al: Results of a trial of PET-directed therapy for early-stage Hodgkin’s lymphoma. N Engl J Med 2015; 372(17): 1598-1607 <strong>6</strong> Johnson P et al: Adapted treatment guided by interim PET-CT scan in advanced Hodgkin’s lymphoma. N Engl J Med 2016; 374(25): 2419-29 <strong>7</strong> Adams HJ, Kwee TC: Prognostic value of pretransplant FDG-PET in refractory/relapsed Hodgkin lymphoma treated with autologous stem cell transplantation: systematic review and meta-analysis. Ann Hematol 2016; 95(5): 695-706 <strong>8</strong> Moskowitz AJ et al: PET-adapted sequential salvage therapy with brentuximab vedotin followed by augmented ifosamide, carboplatin, and etoposide for patients with relapsed and refractory Hodgkin’s lymphoma: a non-randomised, open-label, single-centre, phase 2 study. Lancet Oncol 2015; 16(3): 284-92 <strong>9</strong> Moskowitz CH et al: Brentuximab vedotin as consolidation therapy after autologous stem-cell transplantation in patients with Hodgkin’s lymphoma at risk of relapse or progression (AETHERA): a randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet 2015; 385: 1853-62 <strong>10</strong> Ansell SM et al: PD-1 blockade with nivolumab in relapsed or refractory Hodgkin’s lymphoma. N Engl J Med 2015; 372(4): 311-9 <strong>11</strong> Moskowitz C: Novel agents and strategies in transplant-eligible patients with relapsed and refractory Hodgkin lymphoma. Hematology Am Soc Hematol Educ Program 2016; 2016(1): 331-38 <strong>12</strong> Aldinucci D et al: The classical Hodgkin’s lymphoma microenvironment and its role in promoting tumour growth and immune escape. J Pathol 2010; 221: 248-63 <strong>13</strong> Scott DW, Steidl C: The classical Hodgkin lymphoma tumor microenvironment: macrophages and gene expression-based modeling. Hematology Am Soc Hematol Educ Program 2014; 2014(1): 144-50</p>
</div>
</p>