© Getty Images/iStockphoto

Paradigmenwechsel in der Therapie des Hodgkin-Lymphoms?

<p class="article-intro">Von allen malignen Lymphomen zählt das Hodgkin-Lymphom (HL) zu denen mit der besten Prognose. Mehr als 90 % der Patienten mit limitierter Erkrankung und 70–80 % mit fortgeschrittener Erkrankung können durch die Ersttherapie (FL) dauerhaft geheilt werden.<sup>1</sup></p> <hr /> <p class="article-content"><p>Diese Ergebnisse konnten mithilfe von Chemo- und Strahlentherapie erzielt werden, wobei vor allem in den limitierten Stadien eine kombinierte Chemo-/Strahlentherapie mit zwei bis vier Zyklen ABVD zum Einsatz kommt, in den fortgeschrittenen Stadien sechs bis acht Zyklen Chemotherapie (BEACOPP esk., ABVD) mit eventueller Nachbestrahlung von Restlymphknoten.<sup>23</sup><br /> Trotz der ausgezeichneten Erfolge erleiden aber etwa 25 % der Patienten ein Rezidiv oder sind prim&auml;r therapierefrakt&auml;r, und von diesen wiederum kann nur die H&auml;lfte mit Salvagetherapien geheilt werden.<br /> Daraus ergaben sich auch die beiden Hauptthemen am ASH-Meeting 2016, n&auml;mlich: 1. der aktuelle Stand der &bdquo;responseadapted&ldquo; Frontline-Therapie und 2. neue Therapiestrategien f&uuml;r relabierte oder therapierefrakt&auml;re Patienten.</p> <h2>&bdquo;Response-adapted&ldquo; Therapie in der First Line</h2> <p>Ziel einer solchen Ma&szlig;nahme ist es, jene Patienten fr&uuml;hzeitig zu identifizieren, die von einer intensivierten Therapie profitieren bzw. weniger Therapie ben&ouml;tigen, was sich idealerweise in einer Reduktion der Langzeitfolgen ohne Verminderung der Heilungsrate auswirken soll.<br /> Durch die Einf&uuml;hrung der Positronenemissionstomografie (PET) und die Einbeziehung dieser bildgebenden Methode in rezente Studien wie die H10-Studie der EORTC/GELA/FIL<sup>4</sup>, den UK/NCIR RAPID Trial<sup>5</sup> und nicht zuletzt auch den RATHL Trial<sup>6</sup> k&ouml;nnen nun entsprechende Erkenntnisse aus den Studienergebnissen abgeleitet werden.<br /> In der H10- und der RAPID-Studie wird bei den &bdquo;Early favourable&ldquo;-Stadien die Frage der Notwendigkeit einer Strahlentherapie gekl&auml;rt. Allgemein muss festgestellt werden, dass die Voraussage bez&uuml;glich PFS und auch OS durch den Einsatz von PET sehr gut ist. PET-negative Patienten haben eine sehr gro&szlig;e Chance, ohne Strahlentherapie auszukommen. Dagegen spricht aber, dass der derzeitige Standard der HD10 mit zwei Zyklen Chemotherapie und nachfolgender &bdquo;Involved field&ldquo;-Strahlentherapie ausgezeichnete Ergebnisse gebracht hat, die kaum zu &uuml;berbieten sind. Au&szlig;erdem kommt es zu einem Verlust der Krankheitskontrolle von 5&ndash;10 % sogar bei PET-negativen Patienten, die keine Strahlentherapie erhalten.<br /> Bei den &bdquo;Early unfavourable&ldquo;-Stadien zeigt sich auch bei den PET-negativen Patienten ein Unterschied von 3 % im PFS zugunsten der Patienten mit Strahlentherapie, wobei aber im OS kein Unterschied besteht. Bei den PET-positiven Patienten besteht in der H10-Studie ein deutlicher Vorteil f&uuml;r die Patienten, die mittels BEACOPP eskaliert, gefolgt von einer IF-Radiotherapie, intensiviert werden.<br /> Insgesamt ist die fr&uuml;he Beurteilung des Ansprechens mittels PET/PET-CT als Standard anzusehen, um Patienten zu identifizieren, die von einer Intensivierung der Therapie profitieren bzw. durch ein Weglassen der Strahlentherapie keinen Schaden erleiden. Da alle bisher publizierten Studien einen Vorteil selbst f&uuml;r PET-negative Patienten mit Strahlentherapie ergeben, jedoch dabei kein Unterschied im OS besteht, muss in Zukunft gut &uuml;berlegt werden, ob man nur bei einer gef&auml;hrdeten Patientengruppe (i.e. junge weibliche Erwachsene mit Lymphknoten im Mediastinum) im Hinblick auf die Vermeidung eines erh&ouml;hten Zweitmalignomrisikos auf eine zus&auml;tzliche Strahlentherapie verzichtet.</p> <h2>Neue Therapiestrategien mit neuen Substanzen f&uuml;r relabierte/refrakt&auml;re Patienten</h2> <p>So gut die Ergebnisse der First-Line- Therapie bei Patienten mit HL sind, so entt&auml;uschend waren bisher PFS und OS bei relabierten/refrakt&auml;ren Patienten.<br /> Ein wichtiger Parameter dabei ist die Chemosensitivit&auml;t gegen&uuml;ber der Standardtherapie im Relaps, und auch hier gibt die PET-CT entscheidende Hinweise auf die Prognose.<sup>7</sup> Patienten mit PET-negativem Befund vor einer ASCT haben ein 10-Jahres-OS von 75 % , Patienten mit PETpositiven Resten haben nur eine 30 % ige Chance auf Heilung (Abb. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1701_Weblinks_s34_abb1.jpg" alt="" width="1457" height="841" /><br /><br /> <strong>Brentuximab Vedotin (BV)</strong><br /> Die Tatsache, dass Hodgkin/Reed- Sternbergzellen (HRS) ein CD30-Antigen auf der Oberfl&auml;che tragen, bewirkt, dass BV, ein CD30-Antik&ouml;rper &ndash; gekoppelt an die zytotoxische Substanz Monomethylauristatin E &ndash;, durch die Bindung zu einer zielgerichteten Apoptose der Tumorzelle f&uuml;hrt.<br /> Durch die Einbeziehung der Substanz in die Standardtherapie (ST) konnten die Remissionsraten in dieser Patientengruppe um 20 % verringert werden.<br /> Die Frage einer Konsolidierung mit BV nach einer ASCT wurde im AETHERA Trial untersucht.<sup>9</sup> In dieser Studie konnten 5 Risikofaktoren definiert werden, von denen mindestens zwei vorliegen m&uuml;ssen, um eine Konsolidierungstherapie mit BV nach ASCT zu rechtfertigen: 1. Relaps &lt;12 Monate oder kein Ansprechen auf die Ersttherapie, 2. keine CR auf die vorangegangene Salvagetherapie, 3. Extranodalbefall bzw. 4. B-Symptomatik im Relaps vor ASCT, 5. zwei oder mehr der ASCT vorangegangene Salvagetherapien.<br /><br /> <strong>Checkpoint-Inhibitoren</strong><br /> Schon lange hatte man den Verdacht, dass beim HL das Mikroenvironment eine bedeutende Rolle f&uuml;r die HRS-Zelle spielt (Abb. 2). Die Annahme, dass aufgrund der CD20-Positivit&auml;t der Bystander-Zellen eine Therapie mit dem CD20-Antik&ouml;rper beim klassischen HL einen Vorteil f&uuml;r Hochrisikopatienten bringt, konnte aber in der HD18-Studie nicht bewiesen werden.<br /> Eine bedeutende Rolle spielen jedoch die T-Zellen, da der auf ihnen exprimierte PD-L1/2-Ligand zu einer Herabsetzung der T-Zell-Aktivit&auml;t f&uuml;hrt, die jedoch zur Abt&ouml;tung der Tumorzelle ben&ouml;tigt wird. Diese &Uuml;berexpression wird durch eine Amplifikation des Chromosoms 9p24.1 hervorgerufen, eine chromosomale Ver&auml;nderung, die sich bei nahezu allen F&auml;llen eines klassischen HL findet.<br /> Durch den PD-1-Antik&ouml;rper Nivolumab wird der entsprechende Rezeptor blockiert, was die nat&uuml;rliche T-Zell-Aktivit&auml;t wiederherstellt, die zur Abt&ouml;tung der Tumorzellen ben&ouml;tigt wird.<br /> Nivolumab zeigt eine sehr gute Wirksamkeit bei Patienten mit klassischem HL (cHL), wenn auch die komplette Remissionsrate relativ gering ist (Tab. 1). Das Gesamtansprechen liegt bei 87 % in einer Patientengruppe von schwer vorbehandelten Patienten, und auch bei Patienten, die nur eine PR erreichen, kann eine Krankheitsstabilit&auml;t erreicht werden, die in einigen F&auml;llen sogar bei Absetzen der Medikation bestehen bleibt. Das ausgezeichnete Nebenwirkungsprofil und die hohe Lebensqualit&auml;t unter der Therapie mit Nivolumab machen dieses Medikament derzeit zu einer hervorragenden Option f&uuml;r Patienten, die nach einer ASCT relabieren.<sup>10</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1701_Weblinks_s34_abb2.jpg" alt="" width="1417" height="2268" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1701_Weblinks_s34_tab1.jpg" alt="" width="2151" height="1060" /></p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Die Positronenemissionstomografie bleibt unver&auml;ndert ein wichtiges Tool f&uuml;r die fr&uuml;he Risikoeinsch&auml;tzung von Patienten mit HL. Vielleicht kann durch Kombination mit der Messung von Biomarkern (z.B. TARC) eine noch bessere Voraussage bez&uuml;glich Patienten mit deutlich erh&ouml;htem Relapsrisiko getroffen werden, die dann von einer intensivierten Therapie profitieren.<br /> Die Therapie mit neuen Substanzen stellt derzeit vor allem eine sehr gute Option f&uuml;r stark vorbehandelte Patienten dar. Ob die Kombination dieser Substanzen untereinander bzw. mit konventioneller Chemotherapie die Zahl der kompletten Remissionen erh&ouml;hen kann und damit eine Option zum Einsatz in der First Line wird, k&ouml;nnen nur zuk&uuml;nftige Studien zeigen. Das ambitionierte Ziel muss sein, die derzeit vorliegenden ausgezeichneten Resultate in der First Line nicht zu gef&auml;hrden und gleichzeitig die Langzeittoxizit&auml;t durch die Therapie f&uuml;r geheilte Patienten weiter zu vermindern.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Cheson BD: Hodgkin lymphoma: protecting the victims of our success. J Clin Oncol 2012; 30(36): 4456-7 <strong>2</strong> Filippi AR et al: Interim positron emission tomography and clinical outcome in patients with early stage Hodgkin lymphoma treated with combined modality therapy. Leuk Lymphoma 2013; 54(6): 1183-7 <strong>3</strong> Franklin J et al: Second malignancy risk associated with treatment of Hodgkin&rsquo;s lymphoma: meta-analysis of the randomised trials. Ann Oncol 2006; 17(12): 1749-60 <strong>4</strong> Raemaekers JM et al: Omitting radiotherapy in early positron emission tomographynegative stage I/II Hodgkin lymphoma is associated with an increased risk of early relapse: Clinical results of the preplanned interim analysis of the randomized EORTC/ LYSA/FIL H10 trial. J Clin Oncol 2014; 32(12): 1188-94 <strong>5</strong> Radford J et al: Results of a trial of PET-directed therapy for early-stage Hodgkin&rsquo;s lymphoma. N Engl J Med 2015; 372(17): 1598-1607 <strong>6</strong> Johnson P et al: Adapted treatment guided by interim PET-CT scan in advanced Hodgkin&rsquo;s lymphoma. N Engl J Med 2016; 374(25): 2419-29 <strong>7</strong> Adams HJ, Kwee TC: Prognostic value of pretransplant FDG-PET in refractory/relapsed Hodgkin lymphoma treated with autologous stem cell transplantation: systematic review and meta-analysis. Ann Hematol 2016; 95(5): 695-706 <strong>8</strong> Moskowitz AJ et al: PET-adapted sequential salvage therapy with brentuximab vedotin followed by augmented ifosamide, carboplatin, and etoposide for patients with relapsed and refractory Hodgkin&rsquo;s lymphoma: a non-randomised, open-label, single-centre, phase 2 study. Lancet Oncol 2015; 16(3): 284-92 <strong>9</strong> Moskowitz CH et al: Brentuximab vedotin as consolidation therapy after autologous stem-cell transplantation in patients with Hodgkin&rsquo;s lymphoma at risk of relapse or progression (AETHERA): a randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet 2015; 385: 1853-62 <strong>10</strong> Ansell SM et al: PD-1 blockade with nivolumab in relapsed or refractory Hodgkin&rsquo;s lymphoma. N Engl J Med 2015; 372(4): 311-9 <strong>11</strong> Moskowitz C: Novel agents and strategies in transplant-eligible patients with relapsed and refractory Hodgkin lymphoma. Hematology Am Soc Hematol Educ Program 2016; 2016(1): 331-38 <strong>12</strong> Aldinucci D et al: The classical Hodgkin&rsquo;s lymphoma microenvironment and its role in promoting tumour growth and immune escape. J Pathol 2010; 221: 248-63 <strong>13</strong> Scott DW, Steidl C: The classical Hodgkin lymphoma tumor microenvironment: macrophages and gene expression-based modeling. Hematology Am Soc Hematol Educ Program 2014; 2014(1): 144-50</p> </div> </p>
Back to top