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Genetische Faktoren und ihre prognostische Aussagekraft
Jatros
Autor:
Assoc. Prof. Univ.-Prof. Dr. Vesna Bjelic-Radisic, MBA
Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Medizinische Universität Graz<br/> E-Mail: vesna.bjelic-radisic@medunigraz.at<br/> Quelle: 3. Post-SABCS, 8. Jänner 2016, Wien
30
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25.02.2016
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<p class="article-intro">Auch das diesjährige Post-SABCS-Meeting war von spannenden Themen und Studienergebnissen geprägt. Die inter- und intratumorale Heterogenität von Brustkrebs war einer der zentralen Forschungsbereiche, zu denen Ergebnisse präsentiert wurden. Im Bereich der tripelnegativen Mammakarzinome wurde nachgewiesen, dass der BRCA-Status als Prädiktor für das Therapieansprechen fungieren kann. Schließlich war erneut der prognostische Wert von zirkulierenden Tumorzellen Gegenstand von diversen Untersuchungen.</p>
<hr />
<p class="article-content"><h2>Genetische Variabilität von Mammakarzinomen</h2> <p>Vor Kurzem publizierte Studien zeigen eine große Breite der genetischen Variabilität von Brustkrebs (BC). Diese Variabilität bezieht sich nicht nur auf die Unterschiede zwischen Mammakarzinomen bei verschiedenen Patientinnen, sondern auch auf die Variabilität innerhalb eines Tumors. Ein besseres Verständnis des Verhaltens des Tumors brachten neben den klassischen klinisch-pathologischen Parametern (TNM-Klassifikation) molekularbiologische Untersuchungsmethoden, anhand deren molekulare Profile individueller Patientinnen erstellt wurden. Bei diesen Verfahren werden bestimmte Gruppen von Genen in sogenannten Profilen ausgelesen, die Aussagen über das Verhalten des Tumors in Bezug auf die Prognose bzw. das Ansprechen und Aussagen hinsichtlich der tumorspezifischen Therapie erlauben.<br /> Im Rahmen des Post-SABCS 2015 wurde – bezugnehmend auf den Vortrag von Dr. Samuel Aparicio am SABCS 2015 – über „clonal dynamics and breast cancer subtypes“<sup>1</sup> berichtet. In dieser Session wurden die rezentesten Erkenntnisse über die inter- und intratumorale Heterogenität und deren Implikation für Forschung und Krebstherapie resümiert. U.a. wurden die Ergebnisse der Analyse des Genoms und Transkriptoms von 2.000 BC-Patientinnen mit einem langen klinischen Follow-up präsentiert:<sup>2</sup> In einem Brustkrebsgewebeset, das 997 Fälle aus einer Tumorbank des Vereinigten Königreichs und von Kanada umfasste, wurde eine integrative Analyse der Kopienzahlvariationen (CNV), Einzelnukleotid-Polymorphismen (SNP), erworbenen somatischen Kopienzahlaberrationen (CNA) und der Genexpression durchgeführt. Aus CNV, CNA und SNP wurde eine Mappe des Brustkrebsgenoms generiert, um den Einfluss einzelner Mutationen auf die Expressionslandschaft zu überprüfen. Sowohl Keimbahn- als auch somatische Variationen zeigten Einfluss auf die Tumorexpressionsarchitektur und waren in ca. 40 % der Gene mit einer Expression assoziiert. Die Analyse wurde in einem weiteren Tumorgewebeset (995 Tumorgewebeproben) validiert. Beide Analysen führten zu einer Reklassifikation des Karzinoms, basierend auf dem genetischen „Fingerabdruck“ des Tumors. Insgesamt wurden 10 Subtypen mit unterschiedlichem klinischem Outcome identifiziert (Abb. 1). Eine von diesen Subgruppen ist das Östrogenrezeptor(ER)-positive Hochrisiko-Mammakarzinom („11q13/14 cis-acting“-Subtyp), das mit einer ungünstigen Prognose einhergeht.<br /> Die Tumorgenomanalyse im Rahmen des METABRIC(Molecular Taxonomy of Breast Cancer International Consortium)-Projekts, der NeoTango-Studie und der Nottingham-Tumorbank umfasste 2.433 Tumorgewebeproben. Dabei konnten 40 Tumorsuppressor-Onkogen-Driver identifiziert werden. 21 wurden nur bei den ER<sup>+</sup>-, drei nur bei ER<sup>–</sup>-BC und 16 in beiden Gruppen identifiziert. Anzumerken ist, dass nur 6 von 40 dieser Driver bereits als Onkogene bekannt waren. Gleichzeitig wurde zwischen einzelnen Mutationen auch eine positive oder negative Korrelation im Sinne eines konkomitanten Auftretens beobachtet. Ein Beispiel ist die positive Assoziation zwischen den Mutationen <em>CBFB</em> und <em>GATA3</em>, die in diesem Setting beobachtet wurde. Eine negative Korrelation konnte für das gleichzeitige Vorliegen der Mutationen <em>AKT1</em> und <em>PI3KA</em> gezeigt werden. Auch die Detektion einer Mutation in ER<sup>+</sup>- und ER<sup>–</sup>- BC erwies sich als unterschiedlicher Prognosefaktor. Tripelnegative Karzinome (TNBC) gingen mit einer besseren Prognose einher, wenn gleichzeitig eine <em>PI3KA</em>-Mutation vorlag (Follow-up-Dauer: 90 Monate) und stellen damit eine Sondersubgruppe dar.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Onko_1601_Weblinks_Seite111.jpg" alt="" width="693" height="497" /></p> <h2>Intratumorale Heterogenität</h2> <p>In Bezug auf die intratumorale Heterogenität wurde berichtet, dass zum Zeitpunkt der Diagnose eine klonale Variabilität von BC besteht. Das klonale Evolutionsmodell hat seinen Ursprung in der Darwin’schen Evolutionstheorie. In einer normalen Zelle entsteht eine zufällige Mutation, die dieser Zelle einen „Überlebensvorteil“ im Vergleich zu anderen Zellen bringt. In weiterer Folge werden die Zellen nicht ausreichend durch Apoptose vernichtet, sondern durch ein weiteres Ereignis entsteht eine weitere Mutation, die in dieser Zelle bzw. in ihrer Tochterzelle zu einem weiteren Überlebensvorteil führt. Damit entwickeln sich Tumorzellen, die sich in ihren Eigenschaften von den Ursprungszellen unterscheiden.<br /> Die Prinzipien der klonalen Evolution und des mehrstufigen Modells der Karzinogenese wurden von Nowell im Jahr 1976 integriert und stellen die gültige Mehrschritthypothese zur malignen Transformation von Zellen bei der Karzinogenese dar. Die Transformation einer ursprünglich normalen Zelle bis zum Vorliegen eines Zellklons, der alle Kriterien eines Malignoms erfüllt, verläuft in mehreren Schritten.<br /> Abhängig von den Eigenschaften des Klons und dessen Interaktion mit der Umgebung entwickelt sich über die Zeit hinweg eine neutrale Klondynamik, d.h., die Balance zwischen den Klonen bleibt im Zeitverlauf unverändert. Es kann aber auch eine positive oder negative Klondynamik entstehen. Dabei überleben nur die Zellen eines bestimmten Klons, aber durch weitere Mutationen kann auch ein neuer Zellklon entstehen. Dies führt zu den verschiedenen molekularen Phänotypen des Mammakarzinoms mit intratumoraler Heterogenität, die einen Schlüssel für das Verständnis der Metastasenbiologie und des selektiven Ansprechens des Tumors auf die Therapie darstellen.<sup>3</sup><br /> Klonale Heterogenität kann in einem Tumor, in einer Zellpopulation, aber auch in einer Zelle gemessen werden. Die Methode der Einzelzellanalyse wurde vom Team um Dr. Samuel Aparicio, University of British Columbia, Kanada, entwickelt; die ersten Erkenntnisse wurden vorgestellt.<br /> Das Ziel all dieser Genom- und Transkriptomanalysen ist es, mithilfe des genomischen Fingerprints des Tumors die bestmögliche Therapie für jede einzelne Patientin zu identifizieren.<br /> Die Aktualität des Themas wurde durch mehrere Daten bestätigt: So wurden die Ergebnisse einer Studie präsentiert, in der „early and late driver“ der Metastasen bei BC identifiziert worden sind:<sup>4</sup> Bei 14 Mammakarzinompatientinnen, die ≥2 Fernmetastasen aufgewiesen hatten, wurde posthum eine genomische Analyse des primären Tumors sowie der Metastasen durchgeführt. Dabei wurden die Korrelationen zwischen den genomischen und somatischen Variationen im Primum und in den Metastasen analysiert. Aus den Resultaten geht hervor, dass ein Großteil der Mutations-Driver bereits im Primum nachweisbar ist. Die genomische Analyse des Metastasengewebes zeigte aber auch, dass bestimmte Zellklone eine Affinität zu einer bestimmten Metastasenlokalisation aufweisen. Gleichzeitig waren auch neu entstandene somatische Mutationen und damit auch neue Zellklone in bestimmten Metastasenlokalisationen zu finden. Anhand dieser Untersuchung wurde dargelegt, dass Metastasen die Folge eines multiklonalen Prozesses sein können. Die erstellte genomische Mappe der CNV, CNA und SNP bestätigte, dass DNA-CNV sowohl im Primum als auch in den Metastasen den Großteil der Tumor-Driver repräsentieren.</p> <h2>BRCA-Mutationen und prognostische Informationen</h2> <p>Unter dem Titel „A functional assay for homologous recombination DNA repair and whole exome sequencing reveal that HR-defective sporadic breast cancers are enriched for genetic alterations in DNA repair genes“ wurde ein Funktionstest zur Bestimmung der RAD51-Aktivität im Tumorgewebeproben präsentiert. Bei 56 BC-Patientinnen wurde die RAD51-Aktivität überprüft und als suffizient oder insuffizient eingestuft. Im Rahmen dieser Studie konnte gezeigt werden, dass die Aktivität von RAD51 mit der Mutationssignatur korreliert, die für die HR-Defizienz verantwortlich ist (BRCA-Mutation). Eine biallelische Inaktivierung von DNA-Repair ist in 90 % mit einer RAD51-Insuffizienz assoziiert.<sup>5</sup><br /> Patientinnen mit dem Vorliegen einer BRCA1- oder -2-Mutation waren auch die Zielgruppe in einer Subgruppenanalyse der GeparQuinto-Studie, die Peter Fasching<sup>6</sup> im Namen der GBG (German Breast Group) präsentierte. In dieser randomisierten zweiarmigen Phase-III-Studie wurde eine Subgruppe von 471 TNBC-Patientinnen, bei denen eine Mutationstestung durchgeführt worden war – stratifiziert nach dem BRCA-Status – zur neoadjuvanten Verabreichung von Epirubicin und Cyclophosphamid (EC), gefolgt von Docetaxel ± Bevacizumab randomisiert. Bei 82 Patientinnen (17,4 % ) lag eine BRCA1- oder -2-Mutation vor, die restlichen 389 (89 % ) wiesen einen BRCA-Wildtyp-Status auf. Aus den Ergebnissen geht hervor, dass der BRCA-Status als Prädiktor für das Therapieansprechen gewertet werden kann: Bei BRCA-positiven Patientinnen wurden signifikant höhere pCR-Raten erzielt als bei BRCA-Wildtyp-Patientinnen (50 vs. 30,8 % ; p=0,001). In beiden Kohorten korrelierte das Erreichen einer pCR mit einer Verlängerung des krankheitsfreien Überlebens (DFS) und des Gesamtüberlebens (OS) bei einer Gesamtbeobachtungsdauer von 72 Monaten (p=0,06), wobei der Effekt bei BRCA-Mutationsträgerinnen nicht so ausgeprägt war. Die zusätzliche Verabreichung von Bevacizumab führte in beiden Gruppen zu höheren pCR-Raten (Abb. 2), jedoch konnte dieser Benefit in keiner der Gruppen auf das DFS übertragen werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Onko_1601_Weblinks_Seite112.jpg" alt="" width="702" height="464" /></p> <h2>CTC – zirkulierende Tumorzellen</h2> <p>In vielen Studien, die zurzeit publiziert werden, wurden zirkulierende Tumorzellen (CTC) als Prognosefaktor identifiziert, allerdings hat die Bestimmung von CTC als Marker für die Identifikation von Hochrisikopatientinnen im Zuge der Follow-up-Untersuchungen noch keinen Weg in die Praxis gefunden.<br /> Unter anderem wurde in der SUCCESS-A-Studie<sup>7</sup> der Frage nach der prognostischen Bedeutung von CTC nachgegangen: Im Rahmen dieser Studie erhielten 3.754 „Hochrisiko“-BC-Patientinnen (pT2–4/pN1–3/G3, negativer ER-Status, Alter ≤35 Jahren) eine Chemotherapie gefolgt von Zoledronsäure für 2 oder 5 Jahre ± eine endokrine Therapie. Bei 1.087 Patientinnen wurden CTC mithilfe einer Blutprobe vor Beginn, nach Beendigung der Chemotherapie und 2 Jahre danach bestimmt. Bei 198 Patientinnen (18,2 % ) wurden zwei Jahre nach Beendigung der Therapie ≥1 CTC nachgewiesen und als unabhängiger prognostischer Faktor bestätigt: Wie erwartet, zeigten jene Patientinnen die beste Prognose, bei denen vor der Chemotherapie und zwei Jahre danach keine CTC detektiert worden waren, gefolgt von jenen, bei denen CTC vor Beginn der Therapie, jedoch zwei Jahre danach nicht mehr nachweisbar waren. Die schlechteste Prognose wurde bei jenen Patientinnen festgestellt, bei denen CTC vor der Therapie und 2 Jahre danach vorlagen. In der Subgruppe der Patientinnen mit einem HER2-positiven BC konnte der prognostische Wert der CTC nicht bestätigt werden.<br /> Wie in früheren Jahren leistete auch die ABCSG mit der Präsentation der Daten der ABCSG-18 einen großen Beitrag. Eine Pressekonferenz fand im Vorfeld des Kongresses statt. Die Ergebnisse<sup>8</sup> stießen auf großes Echo bei den Teilnehmern des SABCS 2015.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Universitätsklinik für Frauenheilkunde und
Geburtshilfe,
Medizinische Universität Graz<br/>
E-Mail: vesna.bjelic-radisic@medunigraz.at<br/>
Quelle: 3. Post-SABCS, 8. Jänner 2016, Wien
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<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Aparicio S: SABCS 2015; Oral Presentation<br /><strong>2</strong> Curtis C et al: Nature 2012; 486: 346-352<br /><strong>3</strong> Aparicio S et al: N Engl J Med 2012; 368: 842-851<br /><strong>4</strong> Siegel MB et al: SABCS 2015; Abstract #S4-01<br /><strong>5</strong> Riaz N et al: SABCS 2015; Abstract #S4-03<br /><strong>6</strong> Fasching PA et al: SABCS 2015; Abstract #S5-06<br /><strong>7</strong> Janni W et al: SABCS 2015; Abstract #S2-03<br /><strong>8</strong> Gnant M et al: SABCS 2015; Abstract #S2-02<br /><br /><strong>Weitere Literatur bei der Verfasserin</strong></p>
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