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Heureka-Moment

„Drug Repurposing“: von Leukämie zu Blasenkrebs

Iris Ertl, PhD, schrieb ihre Dissertation über die Funktion Chromatin-remodellierender SWI/SNF-Komplexe im Modellorganismus Caenorhabditis elegans. Seit 2016 forscht sie an der Universitätsklinik für Urologie der Medizinischen Universität Wien im Forschungslabor von Univ.-Prof. Dr. Shahrokh F. Shariat. Ihr Hauptfokus liegt auf der Erforschung verschiedener urogenitaler Malignitäten, insbesondere auf der Identifizierung neuer Therapien für Blasenkrebs.

Wie würden Sie Ihre Forschung in drei Sätzen beschreiben?

Da der Fokus unseres Forschungslabors hauptsächlich auf der Entwicklung neuer Therapien für Blasenkrebs liegt, haben wir einen Therapeutika-Screen durchgeführt, im Zuge dessen die Wirksamkeit von über 1700 Wirkstoffen auf die Viabilität von 23 molekular charakterisierten Blasenkrebs-Zelllinien getestet wurde.

Neben vielen anderen vielversprechenden Substanzen haben wir dabei Clofarabin identifiziert, das bisher nur als Drittlinientherapie bei leukämiekranken Kindern eingesetzt wird. Durch Folgeversuche in Zelllinien, die bei uns im Labor direkt aus Tumoren etabliert wurden, und Experimente in verschiedenen Mausmodellen konnten wir zeigen, dass Clofarabin auch bei Blasentumoren eine hohe Wirksamkeit entfalten könnte.

Was ist das bestmögliche Ergebnis, das Sie sich für Ihre Forschung vorstellen können?

Basierend auf unseren präklinischen Daten wird mit Jahresende eine klinische Studie an unserer Universitätsklinik durchgeführt, um die Wirksamkeit von Clofarabin bei Patient:innen in fortgeschrittenen Krankheitsstadien zu evaluieren.

Im Idealfall erhoffen wir uns, dass die Substanz ein Fortschreiten der Erkrankung verhindern oder sogar einen Rückgang der Tumoren bewirken kann, ohne dabei stärkere Nebenwirkungen als die gängigen Therapien zu verursachen.

Wie geht es mit Ihrer Forschung/Ihrem Projekt in der Zukunft weiter?

Im Zuge unseres groß angelegten Wirkstoff-Screens wurden über 400 chemische Komponenten identifiziert, die bei Blasenkrebs wirksam sein könnten. Wir haben daher vor, einige dieser Substanzen, die uns am vielversprechendsten erscheinen, näher zu untersuchen, so wie wir es zuvor mit Clofarabin gemacht haben. Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir auf diese Weise weitere neue Therapien identifizieren werden, die zumindest bei einigen Subtypen von Blasenkrebs eine hohe Wirksamkeit entfalten könnten.

Wie sehen Sie Ihre Forschung im klinischen Alltag?

In den letzten Jahren wurden zwar große Fortschritte in der Behandlung von Blasenkrebs erzielt, im Vergleich zu anderen Krebsarten sind die therapeutischen Optionen aber nach wie vor relativ limitiert. Um eine Verlängerung der Lebensdauer sowie eine Erhöhung der Lebensqualität betroffener Patient:innen zu erreichen, ist präklinische Forschung, wie sie in unserem Forschungslabor betrieben wird, also essenziell.

Welche Erkenntnis hat Sie am meisten überrascht?

„Drug repurposing“, also der Einsatz von Arzneimitteln für die Behandlung von Erkrankungen, für die sie eigentlich nicht vorgesehen waren, ist ein gängiges Konzept, um Entwicklungszeit und -kosten für neue Therapien zu senken.

Trotzdem haben mich einige der Medikamente, die wir im Wirkstoff-Screen identifiziert haben, überrascht. Beispielsweise scheinen etliche Therapeutika, die ursprünglich für psychische Erkrankungen entwickelt worden sind, das Wachstum von Blasenkrebszellen zu inhibieren.

Heureka-Moment: Junge Forschende stellen sich vor

Heute: Iris Ertl, PhD
Genetikerin an der Universitätsklinik für Urologie
Medizinische Universität Wien
E-Mail: iris.ertl@meduniwien.ac.at

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