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Posturale Kontrolle bei Lumbalgie
Jatros
30
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13.07.2017
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<p class="article-intro">Die Lendenwirbelsäule wird in ihrer korrekten Haltung durch die tiefe Bauch- und Rückenmuskulatur geschützt und stabilisiert. Ein gezieltes Training dieser Muskeln kann Rückenschmerzen lindern und die posturale Kontrolle verbessern.</p>
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<p class="article-content"><p>Prof. Dr. Ronald Dorotka, Wien, hält die posturale Kontrolle für einen essenziellen Faktor in der Prävention und Therapie von Rückenschmerzen. Was ist darunter zu verstehen? „Das ist die statische und dynamische Fähigkeit, sich gegen die Wirkung der Schwerkraft aufzurichten“, erklärt Dorotka. „Diese Haltungskontrolle ändert sich – je nach der Position des Körpers im Raum – ständig.“ An der posturalen Kontrolle beteiligt sind das Zentralnervensystem (Vestibularorgan, visuelles System, Propriozeption, Exterozeption, Antizipation) sowie der aktive und passive Bewegungsapparat. Muskulär wirken hier einerseits globale Muskelgruppen, die für die Hauptbewegungen der Wirbelsäule verantwortlich sind; diese Muskeln werden bei herkömmlichen Sportarten und auch beim unspezifischen Krafttraining trainiert. Für die segmentale Stabilisierung sind andererseits die lokalen, tiefen Muskelgruppen verantwortlich. Dazu zählen der M. transversus abdominis und die kurzen Anteile der Mm. multifidii. Diese können nur in physiotherapeutischen Übungen oder im Rahmen eines speziellen Rückentrainings aktiviert werden.</p> <h2>Muskeln in der Tiefe</h2> <p>„Die tief liegenden Rückenmuskeln sind kurz und verlaufen zwischen den einzelnen Lumbalsegmenten. Sie sind daher kaum imstande, Bewegung und Gleichgewicht zu steuern“, erklärt Dorotka. „Sie sind aber gut dafür geeignet, die einzelnen Segmente der Wirbelsäule zu stabilisieren.“ Sie haben eine „Steady state“-Funktion, d.h., man kann sie mit geringer Aktivität über einen längeren Zeitraum anspannen. Sie sind aber anfällig für Atrophie und morphologische Veränderungen wie Fetteinlagerung und verringerte Kapillarisierung.<br /> Der tief liegende Bauchmuskel (M. transversus abdominis) kann aufgrund seiner anatomischen Lage ebenfalls zur Stabilität der Wirbelsäule beitragen. Er spielt eine Rolle bei der sogenannten „feedforward contraction“, d.h., er stabilisiert die Wirbelsäule vor einer erwarteten Belastung. Aber auch bei einer unerwarteten Belastung, wie z.B. einer plötzlichen Erschütterung oder einem Sturz, ist der M. transversus abdominis der Muskel, der noch vor allen anderen Rumpfmuskeln aktiviert wird, wie EMG-Messungen gezeigt haben (Creswell AG et al: Exp Brain Res 1994; 98: 336-41).</p> <h2>Mit Training stabilisieren</h2> <p>„Ein hoher Anteil von Rückenschmerzen entsteht durch Muskelfunktionsdefizite“, so Dorotka. „Das können Muskelschwäche, eine gestörte Muskelkoordination oder verzögerte Muskelreaktionszeiten sein.“ Verschiedenste therapeutische Ansätze stehen zur Verbesserung der posturalen Stabilisierung zur Verfügung. Dazu zählen globales Krafttraining, Krafttraining zur segmentalen Stabilisierung, Übungen auf einem Ball oder instabilen Platten etc.<br /> Nicht nur zur Behandlung, sondern auch zur Sekundärprävention unspezifischer Rückenschmerzen sind laut Dorotka Verhaltensänderungen im Alltag, Beruf und Sport sowie eine Verbesserung der posturalen Kontrolle essenziell. Herkömmliches Krafttraining der oberflächlichen Rückenmuskulatur, wie es in Fitness- Centern angeboten wird, behebt die Ursache von Rückenschmerzen oft nicht. Vor dem eigentlichen Krafttraining sollte die Wirbelsäule segmental stabilisiert werden. Durch das Training des M. transversus abdominis und der M. multifidii lumbalis können Rückenbeschwerden gezielter behandelt werden. Sie bringen die einzelnen Wirbelkörper in die biomechanisch richtige Position, um so z.B. die Bandscheibe vor Fehlbelastungen zu schützen.</p> <h2>Sensorgesteuertes Training</h2> <p>Für die Stärkung der segmentalen Stabilisierung über die lokale Muskulatur haben sich z.B. die Therapiegeräte nach Dr. Wolff als hilfreich erwiesen. Diese eignen sich nach der Physiotherapie ganz besonders für ein mehrmonatiges Muskelaufbau- und Vorbeugetraining. Im Gegensatz zum Krafttraining im Fitnessstudio wird hier speziell die tiefe Rückenmuskulatur gestärkt. Das Konzept unterscheidet sich grundlegend von herkömmlichen Systemen: Die Übungen sind charakterisiert durch einen kleinen Bewegungsumfang, sind aber koordinativ anspruchsvoll. Angesteuert werden der M. transversus und die Mm. multifidii. Die Aktivierung der tief liegenden Muskulatur erfolgt in drei Übungspositionen (stehend, sitzend und liegend) und in drei Ebenen (sagittal, frontal und transversal). Digitale Sensoren erfassen die Bewegungen des Patienten und dokumentieren sie über eine optische Anzeigeeinheit. Diese Visualisierung der Trainingsbewegung und der Übungsposition erleichtert das Erlernen und „Verinnerlichen“ der Übungen. Ziele sind die Wiederherstellung des Zusammenspiels von ZNS und aktivem und passivem Bewegungssystem und die Wiedererlangung der motorischen Kontrolle über Lendenwirbelsäule und Becken. Denn bei akuten und chronischen Schmerzen wird die tief liegende Muskulatur von Gehirn und Nervensystem oft nicht mehr aktiviert, was zu einer weiteren Verschlimmerung der Situation führt. Durch das Training an sensorgesteuerten Geräten werden die stabilisierenden Muskeln der Lendenwirbelsäule reaktiviert, die knöchernen Strukturen werden entlastet. Dorotka empfiehlt vor allem in der Anfangsphase der Therapie ein 8-wöchiges Training an diesen Geräten. Daran anschließend sollte zusätzlich mit der Stärkung der Bewegungsmuskulatur begonnen werden: „Ein sensomotorisches Training zur Optimierung des neuromuskulären Zusammenspiels kann die Bewegungskontrolle der Wirbelsäule verbessern. Begleitende Physiotherapie bzw. medizinische Trainingstherapie tragen zur Vergrößerung des schmerzfreien Bewegungsumfangs, zur Reduktion der Schmerzangst und zum Wiedererlangen der physiologischen Muskelaktivität bei.“ Eine gut trainierte tief liegende Muskulatur kann auch bei plötzlichen Bewegungen oder höherer Belastung die Stabilität im jeweils benötigten Segment der Wirbelsäule sicherstellen, wodurch Bandscheibenschäden und anderen Verletzungen im Rücken vorgebeugt wird.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1704_Weblinks_ortho_1704__s70_foto.jpg" alt="" width="1455" height="896" /></p> <p>Rückentherapie nach Dr. Wolff wird an zahlreichen Standorten in ganz Österreich angeboten. Nähere Informationen: <a href="https://rueckentherapie-center.com">www.rueckentherapie-center.com</a></p></p>