
Vielversprechende Daten für RNA-Interferenztherapie
Bericht:
Reno Barth
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Die hereditäre Transthyretin-Amyloidose (ATTRv) verursacht vielfältige Krankheitssymptome wie periphere Polyneuropathien, autonome Funktionsstörungen und Kardiomyopathien. Insbesondere bei Polyneuropathien unklarer Genese sollte an eine ATTRv-Amyloidose gedacht und eine genetische Testung veranlasst werden, da für die ATTRv-Amyloidose mit Vutrisiran eine gezielte RNA-Interferenz(RNAi)-Therapie, erstattet in der gelben Box, zur Verfügung steht.
Polyneuropathien sind eine sehr heterogene Gruppe von Erkrankungen mit vielfältigen Ursachen und unterschiedlicher Prognose. Nicht selten besteht ein genetischer Hintergrund. So liegt in 5–14% aller Fälle von peripherer Neuropathie eine hereditäre Polyneuropathie vor. An einen hereditären Hintergrund sollte vor allem dann gedacht werden, wenn sich keine eindeutige Ätiologie feststellen lässt.1
Hereditäre Polyneuropathien sollten möglichst frühzeitig diagnostiziert werden, da einige von ihnen, wie die akute hepatische Porphyrie, Morbus Fabry und die ATTRv-Amyloidose behandelbar sind und ein früher Behandlungsbeginn die Prognose deutlich verbessert.2,3 Aufgrund der unspezifischen Symptomatik kann eine definitive Diagnose dieser Erkrankungen nur durch genetische Untersuchungen gestellt werden. An eine hereditäre Genese sollte immer dann gedacht werden, wenn bei klinischer Diagnose einer Polyneuropathie Diabetes, Niereninsuffizienz und Alkoholabusus sowie erworbene Neuro-pathien (metabolisch, toxisch, infektiös, neoplastisch) und immunologische Ursachen ausgeschlossen werden können.2
Polyneuropathie: Verdacht auf ATTRv-Amyloidose
Eine Erkrankung, die sich in überwiegenden Fällen durch polyneuropathische Symptome äußert, ist die ATTRv-Amyloidose, die durch Amyloidbildung infolge pathologisch gefalteter Transthyretinmoleküle charakterisiert wird. Bei der erblichen Form liegen diesen Prozessen Mutationen im für Transthyretin (TTR) codierenden Gen zugrunde. Unbehandelt verläuft eine ATTR-Polyneuropathie aggressiv und rasch progredient,unddie mediane Überlebenszeit der Patienten nach Diagnosestellung liegt, wenn keine Therapie eingeleitet wird,bei 4,7 Jahren.4
Zielgerichtete RNAi-Therapie für die ATTRv-Amyloidose
Allerdings stehen für die ATTRv-Amyloidose heute zielgerichtete Therapien zur Verfügung, die auf einer Unterdrückung der Transthyretinsynthese in der Leber beruhen. Eine Weiterentwicklung vom bereits 2018 zugelassenen Patisiran ist Vutrisiran. Es ist eine doppelsträngige, kleineinterferierende Ribonukleinsäure („small interfering RNA“, siRNA), die durch RNA-Interferenz (RNAi) die Expression des TTR-Gens und damit die Produktion des krankheitsauslösenden Proteins unterbindet. Das Wirkprinzip durch Antisense-Oligonukleotid (ASO), wie Wirkstoff Inotersen, unterdrückt die TTR-Synthese durch Abbau der für Transthyretin kodierenden messenger RNA (mRNA) im Zellkern. RNAi-Therapeutika, wie Patisiran und dessen Weiterentwicklung Vutrisiran, degradieren die TTR-mRNA hingegen im Zytosol, außerhalb des Zellkerns. Beide Wirkprinzipien unterbinden die Expression des TTR-Gens und damit die Produktion des krankheitsauslöenden Proteins. Weiters steht der Tetramerstabilisator Tafamidis zur Behandlung der ATTRv-Amyloidose zur Verfügung.
Die Zulassung von Vutrisiran beruht auf der globalen, randomisierten, offenen, multizentrischen Phase-III-Studie HELIOS-A,in die 164 Patienten mit ATTRv-Amyloidose mit Polyneuropathie im medianen Alter von 60 Jahren eingeschlossen waren und randomisiert mit 25mg Vutrisiran s.c. alle drei Monate oder 0,3mg/kg Patisiran i.v. alle drei Wochen behandelt wurden.5 Bei Patisiran handelt es sich ebenfalls um eine siRNA, die seit mehreren Jahren zur Behandlung von Polyneuropathien vom Grad 1 oder 2 infolge einer ATTRv-Amyloidose zugelassen ist. Die Placebogruppe aus der Zulassungsstudie von Patisiran wurde ebenfalls als Vergleichsgruppe herangezogen.6 Der primäre Endpunkt war die Veränderung im modifizierten Neuropathy Impairment Score+7 (mNIS+7) von Baseline bis Monat 9, der Behandlungszeitraum betrug 18 Monate.
Nach 18 Monaten hatte sich der mNIS+7 unter Vutrisiran um 0,5 Punkte verbessert, während er sich in der historischen Placebogruppe über 18 Monaten um 28,1 Punkte verschlechtert hatte (p<0,0001). Damit wurde der primäre Endpunkt erreicht.
Ein Vergleich zwischen Patisiran und Vutrisiran wurde im Hinblick auf die prozentuale Reduktion des Serum-TTR-Spiegels durchgeführt. Dabei zeigte sich ein schnell eintretender und im Mittel um 88% reduzierter Serum-TTR-Spiegel, vergleichbar mit der Wirkung von Patisiran. Signifikante Verbesserungen konnten auch im Hinblick auf Lebensqualität (Norfolk QoL-DN), Ganggeschwindigkeit (10-MWT), Ernährungszustand (mBMI) bzw. die Einschränkung bzgl. Alltagsaktivitäten (R-ODS) im Laufe der 18-monatigen Studiendauer erzielt werden. Damit wurden alle sekundären Endpunkte erreicht.5,7
Subgruppenanalysen zeigten unter anderem, dass Vutrisiran nicht nur beim in Europa häufigsten ATTRv-Genotyp V30M, sondern auch bei anderen Genotypen wirksam war. Ebenso konnte die Wirksamkeit nach Vorbehandlung mit Tetramerstabilisatoren die Wirksamkeit nicht beeinflussen. Auch in der Subpopulation mit kardialer Beteiligung zusätzlich zur Polyneuropathie war die Wirksamkeit gegeben.5,7
Auf Basis dieser Daten erfolgte im September 2022 die Zulassung von Vutrisiran zur Behandlung der ATTRv-Amyloidose bei Erwachsenen mit Polyneuropathie der Stadien 1 oder 2. Seit Oktober 2023 ist Vutrisiran in Österreich in der gelben Box. Damit besteht für Vutrisiran die gleiche Indikation wie für Patisiran, mit dem Unterschied, dass Vutrisiran alle drei Monate s.c. injiziert wird, während Patisiran-Infusionen alle drei Wochen erforderlich sind.
Literatur:
1 Lehmann HC et al.: Diagnosis of peripheral neuropathy. Neurol Res Pract 2020; 02: 20 2 Finsterer J et al.: Orphan peripheral neuropathies. J Neuromuscul Dis 2021; 8(1): 1-23 3 Adams D et al.: Expert consensus recommendations to improve diagnosis of ATTR amyloidosis with polyneuropathy. J Neurol 2021; 268(6): 2109-22 4 Neeleman RA et al.: Diagnostic and therapeutic strategies for porphyrias. Neth J Med 2020; 78(4): 149-60 5 Adams D et al.: Efficacy and safety of vutrisiran for patients with hereditary transthyretin-mediated amyloidosis with polyneuropathy: a randomized clinical trial. Amyloid 2023; 30(1): 1-9 6 Adams D et al.: Patisiran, an RNAi therapeutic, for hereditary Transthyretin amyloidosis. N Engl J Med 2018; 379(1): 11-21 7 Obici L et al.: Impact of vutrisiran on quality of life and physical function in patients with hereditary transthyretin-mediated amyloidosis with polyneuropathy. Neurol Ther 2023; 12(5): 1759-75
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