Hereditäre Transthyretin-Amyloidose: vielfältige Symptomatik & komplexe Genetik
Bericht:
Reno Barth
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Die Transthyretin-Amyloidose kann sich als Kardiomyopathie und/oder Polyneuropathie manifestieren. Unbehandelt ist sie in beiden Fällen mit hoher Morbidität und Mortalität assoziiert. Voraussetzung für eine wirksame Therapie ist eine möglichst frühe Diagnose, die sich nicht zuletzt auf genetische Testung stützen muss.
Amyloidosen sind eine Gruppe von Erkrankungen, die durch Bildung fehlgefalteter Proteine sowie deren Ablagerung in verschiedenen Geweben und Organen charakterisiert sind. Diese Ablagerungen zerstören die Struktur und Funktion der betroffenen Organe und führen schließlich zum Tod – soweit keine wirksame Therapie verfügbar ist. Physiologisches Transthyretin ist ein spezialisiertes Transportproteinvon Schilddrüsenhormonen im Serum. Es wird in der Leber gebildet und als Tetramer sezerniert, das sich aus identischen Monomeren zusammensetzt. Im Fall der Transthyretin-Amyloidose (ATTR) dissoziieren instabile Transthyretin-Tetramere in fehlgefaltete Monomere, die aggregieren und unlösliche Amyloid-Fibrillen bilden. In der Folge wird Amyloid in unterschiedlichen Organen, u.a. in den Nerven, im Herzen und im Gastrointestinaltrakt, abgelagert und verursacht so Schäden, die zu klinischen Symptomen wie sensibler und autonomer Polyneuropathie (PNP) sowie Kardiomyopathie (CM) mit restriktiver Herzinsuffizienz führen. Die klinische Präsentation ist heterogen und reicht von einer primär kardialen über eine gemischt kardiale und neuropathische bis zur primär neuropathischen Manifestation.1,2 Tatsächlich leidet mehr als die Hälfte der Patienten mit hereditärer ATTR an einem gemischten Phänotyp.3
Prävalenz über lange Zeit deutlich unterschätzt
Die Transthyretin-Amyloidose kommt sowohl in einer hereditären (ATTRv) als auch einer erworbenen „Wild type“-Form (wtATTR) vor. Die hereditäre ATTR-Amyloidose verläuft dabei deutlich aggressiver und die mediane Überlebenszeit ab Diagnose liegt unbehandelt bei 3,7 Jahren.4 Daher empfehlen Fachgesellschaften bei jedem Verdacht auf ATTR-Amyloidose immer eine genetische Testung.5Die Häufigkeit der Erkrankung ist nicht bekannt,sie dürfte stark unterdiagnostiziert sein, da bis vor Kurzem für die Diagnose der Erkrankung eine Myokardbiopsie erforderlich war.6 Seit mittels Szintigrafie diagnostiziert werden kann, wurden die Prävalenzschätzungen deutlich nach oben korrigiert. So fand sich in einer Screeningstudie bei 13% aller untersuchten hospitalisierten Patienten mit Herzinsuffizienz mit erhaltener linksventrikulärer Auswurffraktion (HFpEF) eine ATTR.3Eine Szintigrafiestudie mit Patienten mit schwerer kalzifizierter Aortenstenose, die sich einer TAVI („transcatheter aortic valve implantation“) unterzogen, fand bei 16% eine ATTR-Amyloidose als Ursache.7 Ein Karpaltunnelsyndrom, von dem 3–6% Prozent der Gesamtbevölkerung betroffen sind, kann ebenfalls erstes Anzeichen einer ATTR sein, insbesondere bei bilateralem Auftreten.8Bei den peripheren Neuropathien sind in 5–14% aller Fälle hereditäre Polyneuropathien die Ursache.4 Folglich dürfte die Erkrankung häufiger sein als bislang angenommen und nicht mehr die Kriterien für eine seltene Erkrankung (laut EMA eine Prävalenz von 1/2000) erfüllen.
Nur die frühe Diagnostik führt zu früher Therapie
Da mittlerweile für die ATTR wirksame Therapien zur Verfügung stehen, ist eine zeitgerechte Diagnose essenziell, da nur ein früher Therapiebeginn die Erkrankung bei geringer Vorschädigung verlangsamen oder aufhalten kann.9–12 Die frühe Diagnose wird durch die komplexe Klinik erschwert. Insbesondere die PNP infolge einer ATTRv-Amyloidose kann mit so unterschiedlichen Erkrankungen wie einer chronischen inflammatorischen demyelinisierenden PNP (CIDP), einer amyotrophen Lateralsklerose oder einem Morbus Fabry verwechselt werden.1,13–15
Auch die komplexe Genetik der hereditären Form der ATTR-Amyloidose macht die Diagnostik nicht einfacher. Bislang sind mehr als 130 pathogene Mutationen am TTR-Gen auf Chromosom 18q12.1 bekannt, die in Zusammenhang mit hereditärer ATTR-Amyloidose stehen. Auch Heterozygotie führt zu manifesten Erkrankungen, wobei eingeschränkte Penetranz und variable Expression den Wert der Familienanamnese in der Diagnostik einschränken. Eine positive Familienanamnese beschleunigt die Diagnose allerdings erheblich.16 Im geografischen Vergleich zeigen sich regionale und ethnische Cluster pathologischer TTR-Mutationen mit autosomal-dominantem Vererbungsmuster.17 Die in Europa wichtigste Mutation ist Val30Met mit bis zu 4% Prävalenz im Norden Schwedens. Eine eindeutige Zuordnung bestimmter Mutationen zu Phänotypen der Erkrankung oder zu Symptomen war bislang nicht möglich.
Angesichts der vielfältigen und oft unklaren Symptomatik sowie der zur Verfügung stehenden Therapie spielt die Genanalyse in der Diagnostik der ATTR-Amyloidose eine entscheidende Rolle. Sie dient der Absicherung der Diagnose, der Bestimmung der pathologischen Mutation und unter Umständen auch der Identifikation möglicherweise betroffener, aber noch nicht erkrankter Verwandter.9,18–21
Literatur:
1 Hawkins PN et al.: Evolving landscape in the management of transthyretin amyloidosis. Ann Med 2015; 47(8): 625-38 2 Ruberg FL, Berk JL: Transthyretin (TTR) cardiac amyloidosis. Circulation 2012; 126(10): 1286-1300 3 Rapezzi C et al.: Disease profile and differential diagnosis of hereditary transthyretin-related amyloidosis with exclusively cardiac phenotype: an Italian perspective. Eur Heart J 2013; 34(7): 520-8 4 Sattianayagam PT et al.: Cardiac phenotype and clinical outcome of familial amyloid polyneuropathy associated with transthyretin alanine 60 variant. Eur Heart J 2012; 33(9): 1120-7 5 Condoluci A et al.: Management of transthyretin amyloidosis. Swiss Med Wkly 2021; 151: w30053 6 Obi CA et al.: ATTR epidemiology, genetics, and prognostic factors. Methodist Debakey Cardiovasc J 2022; 18(2): 17-26 7 Porcari A et al.: Transthyretin amyloid cardiomyopathy: an uncharted territory awaiting discovery. Eur J Intern Med 2020; 82: 7-15 8 González-López E et al.: Wild-type transthyretin amyloidosis as a cause of heart failure with preserved ejection fraction. Eur Heart J 2015; 36(38): 2585-94 9 Adams D et al.: Amyloid neuropathies. Curr Opin Neurol 2012; 25(5): 564-72 10 Maurer MS et al.: Genotype and phenotype of transthyretin cardiac amyloidosis: THAOS (Transthyretin Amyloid Outcome Survey). J Am Coll Cardiol 2016; 68(2): 161-72 11 Hanna M: Novel drugs targeting transthyretin amyloidosis. Curr Heart Fail Rep 2014; 11(1): 50-7 12 Ruberg FL, Berk JL: Transthyretin (TTR) cardiac amyloidosis. Circulation 2012; 126(10): 1286-1300 13 Lehmann HC et al.: Diagnosis of peripheral neuropathy. Neurol Res Pract 2020; 02: 20 14 Castaño A et al.: Unveiling transthyretin cardiac amyloidosis and its predictors among elderly patients with severe aortic stenosis undergoing transcatheter aortic valve replacement. Eur Heart J 2017; 38(38): 2879-87 15 Papoutsidakis N et al.: Time course of common clinical manifestations in patients with transthyretin cardiac amyloidosis: delay from symptom onset to diagnosis. J Card Fail 2018; 24(2): 131-3 16 Brown EE et al.: Positive family history decreases diagnosis time by over 200. Amyloid 2019; 26(1): 17 17 Rapezzi C et al.: Cardiac amyloidosis: the great pretender. Heart Fail Rev 2015; 20(2): 117-24 18 Gertz MA: Hereditary ATTR amyloidosis: burden of illness and diagnostic challenges. Am J Manag Care 2017; 23(7): 107-12 19 Ruberg FL, Berk JL: Transthyretin (TTR) cardiac amyloidosis. Circulation 2012; 126(10): 1286-1300 20 Shin SC, Robinson- Papp J: Amyloid neuropathies. Mt Sinai J Med 2012; 79(6): 733-48 21 Obici L et al.: Recommendations for presymptomatic genetic testing and management of individuals at risk for hereditary transthyretin amyloidosis. Curr Opin Neurol 2016; 29(1): 27-35
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