Primäre Hyperoxalurie Typ 1 – seltene Erkrankung mit lebenslanger Intervention
Bericht:
Mag. Dr. Anita Schreiberhuber
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Von allen drei Typen stellt die primäre Hyperoxalurie Typ 1 (PH1) die häufigste und gleichzeitig aggressivste Form dar. Sie zeichnet sich durch Steinbildung in Niere und harnableitenden Wegen aus und kann zu lebensbedrohlichen Komplikationen bis hin zu terminalem Nierenversagen führen.
Die primäre Hyperoxalurie Typ 1 (PH1) ist eine seltene genetisch bedingte Stoffwechselstörung, die einem autosomal-rezessiven Erbgang folgt. Pathophysiologisch liegt ihr eine Defizienz des leberspezifischen von Alanin-Glyoxylat-Aminotransferase (AGT) und Pyridoxal-5-Phosphat (PLP)abhängigen Enzyms zugrunde, das in den Glyoxylat-Metabolismus involviert ist. Infolgedessen erfolgt eine exzessive endogene Produktion von Kalziumoxalat, die zu einer überdurchschnittlich hohen Exkretion über die Niere führt und mit Nephrolithiasis, Nephrokalzinose bis hin zum Nierenversagen und systemischen Schäden auch in anderen Organen einhergeht.1,2
Formen & Typen der PH
Bislang wurden drei Typen von PH – PH1, PH2 und PH3 – identifiziert, wobei PH1 die aggressivste und mit fast 80% aller PH-Diagnosen die häufigste Form aller PH darstellt.1 PH1 weist eine geschätzte Inzidenz von ca. 1:100000 Lebendgeburten/Jahr in Europa auf und macht gemäß Registerdaten aus Europa, den USA und Japan ca. 1% aller Nierenerkrankungen im Endstadium (End Stage Kidney Disease; ESKD) aus.3 Eine infantile Oxalose, charakterisiert durch ein sehr frühes Auftreten der Symptome, wird meist schon im Alter <1 Jahr manifest. Bis zum Alter von 3 Jahren haben 80% dieser Kinder bereits eine lebensbedrohliche ESKD auf dem Boden einer bilateralen Nephrokalzinose entwickelt und benötigen intensive Therapien.
Dies unterstreicht, dass eine frühzeitige Diagnose das A und O bei der Erkrankung ist.2 Grundsätzlich bedarf eine PH1 einer lebenslangen Therapie und Rezidivprophylaxe.4
Weg zur Diagnostik
Gemäß der aktuellen Version der S2k-Leitlinie sollte bei jedem Kind mit einer ersten Steinmanifestation und auch im Rahmen der Rezidivprophylaxe (Metaphylaxe) eine metabolische Abklärung erfolgen. Für die Harnsteinanalyse weisen Infrarotspektroskopie, Röntgendiffraktionsanalyse sowie die Polarisationsmikroskopie ausreichend hohe Qualitätsstandards auf. Für die Abklärung werden eine Harn- und Blutuntersuchung, die mikroskopische Bestimmung des Urinsediments auf Kristalle und vor Durchführung einer geplanten Intervention das Anlegen einer Urinkultur empfohlen. Bei Verdacht auf bzw. zwecks Abklärung des Vorliegens einer PH erfolgt eine Urinsammlung an 3 aufeinanderfolgenden Tagen.4
Insgesamt werden mit bis zu 70% am häufigsten Kalziumoxalatsteine nachgewiesen. Zu weiteren Steinarten (Vorkommen in ≥0,5–10%) zählen harnsäurehaltige Steine, Kalziumphosphat, Infektsteine und Cystinsteine.4 Neben der Labordiagnostik sollte auch eine bildgebende Diagnostik bei Verdacht auf das Vorliegen von Harnsteinen zwecks Nachweises der Lokalisation, Größe und Röntgeneigenschaft der Steine durchgeführt werden. Zu den weiteren bildgebenden Verfahren, die zum Einsatz kommen können, zählen Ultraschall (US), Computertomografie als weiterführende Diagnostik nach dem US und ggf. Ureteropyelografie.4Die genetische Testung auf die Stoffwechselstörung ist insofern wichtig, da hierdurch Geschwister oder (sehr junge) Kinder von Verwandten vor irreversiblen Nierenschäden bewahrt werden können.
Therapeutische Interventionen
Zu den Therapiemaßnahmen zählen konservative Therapie inklusive einer medikamentösen Supportivtherapie, interventionelle Steinentfernung, medikamentös-expulsive Therapie (MET) sowie Medikamente. Bei Steinen bis zu einer Größe von 7mm kann – vorausgesetzt, es erfolgt eine regelmäßige Kontrolle – der spontane Steinabgang abgewartet werden. Die MET hat das Ziel, die Ausscheidungsrate zu erhöhen und zu beschleunigen, ist aber „off-label“.4 Wenn keine Indikation für eine interventionelle Steinentfernung besteht (asymptomatische Steine), soll eine aktive Überwachung in Form von jährlichen Untersuchungen erfolgen. Die Indikationsstellung für eine interventionelle Therapie hängt von den Stein-assoziierten Symptomen, der Größe und Lokalisation sowie dem Ausmaß der durch die Steine verursachten Obstruktion ab.4 Bei Lokalisation der Steine im Harnleiter können die extrakorporale Stoßwellenlithotripsie (ESWL) oder die Ureterorenoskopie (URS) zur Anwendung kommen.4
Literatur:
1 DʼAmbrosio V, Ferraro P: Lumasiran in the management of patients with primary hyperoxaluria type 1: from bench to bedside. Int J Nephrol Renovasc Dis 2022; 17: 197-206 2 Fargue S, Bourdain CA: Primary hyperoxaluria type 1: pathophysiology and genetics. Clin Kidney J 2022; https:/doi.org/10.1093/ckj/sfab217 ; zuletzt aufgerufen am 2.5.2024 3 Cochat P et al.: Primary hyperoxaluria type 1: indications for screening and guidance for diagnosis and treatment. Nephrol Dial Transplant 2012; 27: 1729-36 4 Arbeitskreis Harnsteine der Akademie der Deutschen Urologen & Deutsche Gesellschaft für Urologie e.V.: S2k-Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Metaphylaxe der Urolithiasis, Stand: 2018. https://register.awmf.org/assets/guidelines/043-025l_S2k_Diagnostik_Therapie_Metaphylaxe_Urolithiasis_2019-07_1.pdf ; zuletzt aufgerufen am 2.5.2024
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