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Wenn die 4-Säulen-Therapie nicht ausreicht

Weitere medikamentöse Optionen bei Herzinsuffizienz mit reduzierter Auswurffraktion

Stabil ist nicht gleich sicher: Die Behandlungsmöglichkeiten bei Herzinsuffizienz mit reduzierter Auswurffraktion (HFrEF) enden nicht bei der Etablierung der 4-Säulen-Therapie. Eine weiterführende medikamentöse Therapie kann entscheidend sein, um Hospitalisierungen zu vermeiden und die Prognose zu verbessern.

Keypoints

  • Eine „stabile“ HFrEF bedeutet nicht automatisch ein niedriges Risiko.

  • Die 4-Säulen-Therapie in optimierter Dosis ist derzeitiger Therapiestandard bei HFrEF.

  • Eine Therapieerweiterung um Ivabradin ist bei HF ≥ 75/min und Sinusrhythmus in Betracht zu ziehen.

  • Vericiguat ist vorgesehen bei rezenter Dekompensation trotz guter Standard-Herzinsuffizienztherapie.

  • Digitalis bleibt vorerst zurückhaltend zu bewerten – Ergebnisse von DIGIT-HF werden noch heuer erwartet.

4-Säulen-Therapie – Goldstandard bei HFrEF

Die leitliniengerechte Therapie der HFrEF besteht aktuell aus vier Grundpfeilern: Sacubitril/Valsartan, Betablockern, Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonisten (MRA) und SGLT2-Inhibitoren. Mit dieser medikamentösen Basistherapie kann eine signifikante Reduktion von Mortalität und Hospitalisierungen erreicht werden.1 Doch auch unter dieser 4-Säulen-Therapie ist die Rate an Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienzund kardiovaskulärem Tod hoch.2

„Stabile Herzinsuffizienz“– ein trügerischer Begriff

In der klinischen Routine werden Patient:innen mit fehlender rezenter Dekompensation häufig als „stabil“ bezeichnet. Dabei wird oft übersehen, dass eine derartige scheinbare Stabilität keine Prognosesicherheit garantiert und der Begriff der „Stabilität“ oft eine Situation mit hoher Ereignisrate verharmlost: Patient:innen mit HFrEF, die weder eine ausgeprägte Symptomatik (NYHA II) noch eine rezente Dekompensation verzeichnen, haben eine Rate an Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz oder kardiovaskulärem Tod von ca. 10% oder mehr pro Jahr, was klar gegen eine stabile Situation spricht.2

Die Fehleinschätzung einer vermeintlichen klinischen „Stabilität“ hat oft dramatische Konsequenzen für die Patient:innen: Eine US-amerikanische Querschnittsbefragung von über 300 Ärzt:innen ergab, dass die Hauptbegründung für das Nichtverschreiben der empfohlenen 4-Säulen-Therapie die Einschätzung „Patient:in ist klinisch stabil und/oder hat eine adäquate Symptomkontrolle“ war.3 Es ist allerdings aus zahlreichen Analysen bekannt, dass eine nichtoptimierte Therapie – sowohl das Fehlen einzelner empfohlener Substanzklassen als auch eine nichtoptimierte Dosis – zu einer erhöhten Sterberate und vermehrten Dekompensationen führt.4

Die 4-Säulen-Therapie bei HFrEF muss deshalb bei allen Herzinsuffizienzpatienten optimiert werden, und zwar unabhängig von einer – meist trügerischen – Stabilität. Doch wenn nun alle vier Therapiesäulen optimiert sind – welche zusätzlichen medikamentösen Optionen stehen uns noch zur Verfügung?

Ivabradin bei Sinusrhythmus und hoher Herzfrequenz

Ivabradin reduziert die Herzfrequenz selektiv über eine Hemmung der If-Kanäle („funny channels“) im Sinusknoten, ohne Auswirkungen auf die kontraktile Funktion des Myokards oder den Blutdruck, wie wir sie von Betablockern oder Kalzium-Antagonisten vom Nicht-Dihydropyridin-Typ kennen. Im SHIFT-Trial wurde Ivabradin bei 6558 Patient:innen mit HFrEF untersucht.5 Ivabradin zeigte eine signifikante Reduktion des kombinierten primären Endpunkts aus kardiovaskulärem Tod oder Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz im Vergleich zu Placebo (HR: 0,82, 95% CI: 0,75–0,90, p-Wert: <0,0001). Dies macht Ivabradin zu einer wertvollen Ergänzung bei Patient:innen mit Sinusrhythmus, einer Herzfrequenz ≥75/min (≥75/min laut EMA-Zulassung und Fachinformation, ≥70/min laut primärer Analyse der SHIFT-Studie und Guidelines) sowie persistierender Symptomatik trotz optimierter Herzinsuffizienztherapie – insbesondere maximal tolerierter Betablockertherapie. Aufgrund der spezifischen Wirkung auf die If-Kanäle im Sinusknoten hat diese Substanz keine der von anderen Herzinsuffizienztherapien bekannten Nebenwirkungen auf Blutdruck, Nierenfunktion, Elektrolyte und Ähnliches.

Vericiguat bei rezenter Dekompensation

Vericiguat stimuliert die lösliche Guanylatzyklase (sGC), ein zentrales Enzym im NO-sGC-cGMP-Signalweg, und verbessert dadurch die vaskuläre und myokardiale Funktion. Es ist seit einiger Zeit für eine klinisch relevante Zielgruppe mit hohem Risiko zugelassen: Patient:innen mit HFrEF, die trotz Standardtherapie kürzlich dekompensiert waren. Die VICTORIA-Studie untersuchte 5050 Patient:innen mit HFrEF, die in den vorangegangenen sechs Monaten eine Dekompensation gehabt hatten, bei der eine intravenöse Diuretikatherapie zum Einsatz gekommen war. Die Zugabe von Vericiguat zur Standardtherapie senkte signifikant den primären, kombinierten Endpunkt aus kardiovaskulärem Tod oder erster Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz (HR: 0,90; 95% CI: 0,82–0,98, p=0,02).6 Vericiguat stellt somit eine neue Therapieerweiterung für eine Hochrisikogruppe mit kürzlicher klinischer Verschlechterung dar.

Digitalis – noch zeitgemäß?

Die Anwendung von Digitalispräparaten bei HFrEF wird mittlerweile seitJahrzehnten kontrovers diskutiert, was unter anderem auf Unsicherheiten hinsichtlich des Nutzen-Risiko-Verhältnisses zurückzuführen ist. Der Einsatz von Digitalis ist jedenfalls deutlich rückläufig, auch erkennbar an der Hintergrundtherapie der in die Herzinsuffizienzstudien der letzten Jahrzehnte eingeschlossenen Patient:innen. Die bislang größteplacebokontrollierte Digitalis-Studie mit Digoxin bei HFrEF, der DIG-Trial, zeigte keinen Einfluss auf den primären Endpunkt Gesamtmortalität, sodass die beobachtete signifikante Reduktion der Herzinsuffizienz-bedingten Hospitalisierungen nur als hypothesengenerierend gilt.7 Eine spätere Analyse ergab, dass höhere Plasmaspiegel sogar mit einer erhöhten Mortalität assoziiert waren, was zusätzliche Unsicherheit und Skepsis auslöste.8

Die DIGIT-HF-Studie mit Digitoxin wurde erst kürzlich abgeschlossen, die Ergebnisse sollen beim ESC-Kongress, der vom 29.8. bis 1.9.2025 stattfindet, präsentiert werden.6 Diese Daten werden mit Spannung erwartet – besonders wegen der Frage, ob im Fall von positiven Ergebnissen eine Wiederbelebung der Digitalistherapie bei Herzinsuffizienz stattfinden könnte.

Fazit

Die Behandlung der HFrEF basiert auf der 4-Säulen-Therapie, doch muss sie dort nicht enden. Patient:innen mit hoher Herzfrequenz bei Sinusrhythmus trotz optimierter Betablockertherapie oder rezenter Dekompensation sollten dahingehend evaluiert werden, ob eine Erweiterung der Therapie durch Ivabradin oder Vericiguat sinnvoll ist. Digitalis hat derzeit kaum einen Stellenwert. Falls die DIGIT-HF-Studie positive Ergebnisse zeigt, könnte sich dies allerdings ändern.

1 McDonagh TA et al.: 2021 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure. Eur Heart J 2021; 42(36): 3599-726 2 Greene SJ et al.: Contextualizing Risk Among Patients With Heart Failure. JAMA 2021; 326(22): 2261-2 3 Greene SJ et al.: Physician-Reported Reasons for Not Initiating Guideline-Directed Medical Therapy for Heart Failure. JACC Heart Fail 2024; 12(12): 2120-2 4 Epstein M et al.: Evaluation of the treatment gap between clinical guidelines and the utilization of renin-angiotensin-aldosterone system inhibitors. Am J Manag Care 2015; 21(11 Suppl): S212-20 5 Swedberg K et al.: Ivabradine and outcomes in chronic heart failure (SHIFT): a randomised placebo-controlled study. Lancet 2010; 376(9744): 875-85 6 Armstrong PW et al.: Vericiguat in Patients with Heart Failure and Reduced Ejection Fraction. N Engl J Med 2020; 382(20): 1883-93 7 Digitalis Investigation G: The effect of digoxin on mortality and morbidity in patients with heart failure. N Engl J Med 1997; 336(8): 525-33 8 Adams KF et al.: Dose response characterization of the association of serum digoxin concentration with mortality outcomes in the Digitalis Investigation Group trial. Eur J Heart Fail 2016; 18(8): 1072-81

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