
Umfangreiches Update zum Management von Arrhythmien und plötzlichem Herztod
Bericht:
Reno Barth
Die ESC hat auch ihre Leitlinie zu Arrhythmien und plötzlichem Herztod stark überarbeitet.1 Die Updates betreffen unter anderem die Diagnostik, die erste Hilfe durch Laien bei Herzstillständen, die Indikationsstellung zur Implantation eines ICD („implantable cardioverter-defibrillator“) sowie die Empfehlungen zur Katheterablation.
DieLeitlinie der European Society of Cardiology (ESC) zum Management von Arrhythmien und plötzlichem Herztod wurde umfassend überarbeitet und im Rahmen des diesjährigen ESC-Kongresses vorgestellt. Seit der Vorgängerversion aus dem Jahr 2015 wurde umfangreiche Evidenz generiert, die in die neue Version eingeflossen ist. „Diese enthält mehr als 150 neue Empfehlungen sowie zahlreiche Updates zu bestehenden Empfehlungen“, so Prof. Dr. Katja Zeppenfeld vom Leiden University Medical Center (Niederlande), „wie etwa detaillierte Algorithmen für die diagnostische Abklärung unterschiedlicher Personengruppen.“ Dies betrifft unter anderem Patienten mit ventrikulären Arrhythmien ohne bekannte Herzerkrankung, Patienten nach Herzstillstand, Verwandte von Menschen nach plötzlichem Herztod oder Patienten mit ventrikulären Tachykardien. Die Algorithmen sind in Flussdiagrammen zusammengefasst, an deren Ende eine Diagnose oder eine wahrscheinliche Diagnose steht. In ähnlicher Form werden auch konkrete Empfehlungen für das Management dieser Zustandsbilder gegeben. Ein Farbcode lässt die Stärke der jeweiligen Empfehlung erkennen.
Gentestung bei ICD-Implantation
Hinsichtlich der konkreten Empfehlungen gibt es wichtige Neuerungen, wie zum Beispiel eine Klasse-I-Empfehlung für die elektrische Kardioversion bei Patienten mit anhaltenden monomorphen ventrikulären Tachykardien (SMVT), sofern davon ausgegangen werden kann, dass der Patient die Narkose verträgt. Amiodaron wird nicht als First-Line-Therapie für Patienten mit idiopathischen ventrikulären Arrhythmien empfohlen (Klasse III). Ebenfalls genau definiert wurde, wann Verwandten von Menschen, die am plötzlichen Herztod gestorben sind, eine umfangreiche genetische Testung angeboten wird. Bei bestimmten Punktmutationen wird die ICD-Implantation empfohlen, wenn mit einem Risikorechner ein Risiko für eine lebensbedrohliche Arrhythmie von mindestens 10% innerhalb von fünf Jahren errechnet wird. Zahlreiche Empfehlungen zur Rolle der Genetik bei Indikationsstellung für den ICD sind neu und in einem eigenen Kapitel zusammengefasst. Diese betreffen z.B. Patienten mit dilatativer oder nicht dilatativer hypokinetischer Kardiomyopathie. So besteht nun für Patienten mit einer LVEF unter 50% und mindestens zwei Risikofaktoren, darunter Punktmutationen in den Genen LMNA, PLN, FLNC und RBM20, eine Klasse-IIa-Empfehlung für den ICD. Die Leitlinie empfiehlt, die genetischen Tests in Abstimmung mit spezialisierten Teams durchzuführen, denen auch Experten für die Beratung der Betroffenen angehören. Um mehr Evidenz zu Risikofaktoren für den plötzlichen Herztod zu generieren, besteht nun eine Klasse-I-Empfehlung für eine umfassende Autopsie, insbesondere wenn Menschen im Alter von weniger als 50 Jahren verstorben sind.
Long-QT-Syndrom
„Eine Klasse-I-Empfehlung besteht auch für die genetische Testung und Beratung von Patienten mit Long-QT-Syndrom“, so Leitlinienautor Prof. Dr. Jacob Tfelt-Hansen von der Universität Kopenhagen (Dänemark). Im Management des Long-QT-Syndroms besteht eine Klasse-I-Empfehlung für vorzugsweise nicht selektive Betablocker.
Herzinsuffizienz und WCDs
Generell ist die linksventrikuläre Auswurffraktion in Kombination mit anderen Faktoren ein wichtiger Faktor für die Indikationsstellung zur ICD-Implantation. Hier dürften die neuen Empfehlungen allerdings dazu führen, dass die Zahl der Implantationen etwas sinken sollte. So bestand beispielsweise 2015 eine Klasse-I-Empfehlung für den ICD bei Patienten mit symptomatischer Herzinsuffizienz (NYHA-Klasse II/III) und einer Auswurffraktion von 35% oder weniger trotz dreier Monate optimaler konservativer Therapie. Diese Empfehlung wurde nun auf Klasse IIa herabgestuft. Bei Patienten mit Indikation für einen ICD, bei denen die Implantation für eine begrenzte Zeit, z.B. wegen der Explantation eines infizierten Devices, nicht möglich ist, wird mit Empfehlungsstärke IIa zur Überbrückung das Tragen eines WCD („wearable cardioverter-defibrillator“) empfohlen.
Um die Überlebenschancen bei plötzlichem Herzstillstand zu verbessern, fordert die Leitlinie die verbesserte Schulung von Laien in Reanimation. Diese soll auf kommunaler Ebene implementiert werden und bereits in den Schulen beginnen. Darüber hinaus wird eine bessere Versorgung mit automatischen, von Laien bedienbaren Defibrillatoren z.B. in Einkaufszentren, Stadien und Bahnstationen gefordert.
Literatur:
1 Zeppenfeld K et al.: 2022 ESC Guidelines for the management of patients with ventricular arrhythmias and the prevention of sudden cardiac death. Eur Heart J 2022
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