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Graubereiche beim Athletenherz

Transthorakale Echokardiografie bei der Sporttauglichkeitsuntersuchung

<p class="article-intro">Das Athletenherz imponiert echokardiografisch als eine harmonische Vergrößerung und Hypertrophie aller vier Herzhöhlen. Merkmale einiger Kardiomyopathien überlappen sich jedoch mit typischen Veränderungen beim Athletenherz. Eine sichere Differenzierung ist häufig nur durch eine differenzierte Echokardiografie mit Bestimmung funktioneller Parameter möglich.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Das Athletenherz imponiert echokardiografisch mit einer harmonischen Dilatation und Hypertrophie aller Herzh&ouml;hlen.</li> <li>Besonders m&auml;nnliche Masterathleten zeigen nicht selten eine LV-Hypertrophie &uuml;ber den aktuell geltenden oberen Grenzwerten des Normalen.</li> <li>Das Athletenherz erf&uuml;llt h&auml;ufig die aktuellen echokardiografischen Task-Force-Kriterien der ARVC.</li> <li>Funktionelle Echoparameter erlauben h&auml;ufig eine Differenzierung zwischen Ver&auml;nderungen, die sowohl beim Athletenherz als auch bei Kardiomyopathien auftreten k&ouml;nnen.</li> <li>Die Sporttauglichkeitsuntersuchung ist eine zu selten durchgef&uuml;hrte Ma&szlig;nahme, um die kardiale Gesundheit von wettkampforientierten Sportlern zu sichern.</li> </ul> </div> <p>Das Athletenherz fasziniert Kliniker und Wissenschaftler seit dem 19. Jahrhundert. Salomon Henschen perkutierte erweiterte Herzdimensionen im Anschluss an ein Skilanglaufrennen und schlussfolgerte, dass diese strukturelle Anpassung des Herzens beim trainierten Sportler eine h&ouml;here Leistung erlaubt.<sup>1</sup> Dass sich das Herz eines Athleten von einem Herzen in der gesunden Allgemeinbev&ouml;lkerung sowohl strukturell als auch funktionell unterscheidet, ist seit dieser wegweisenden Arbeit in unz&auml;hligen Folgepublikationen mit innovativen Untersuchungstechniken best&auml;tigt worden. Jedoch gibt es wiederkehrende Diskussionen, ob diese Ver&auml;nderungen Zeichen einer physiologischen Adaptation auf Training und sogar eine Voraussetzung f&uuml;r sportliche H&ouml;chstleistungen sind oder diese Ver&auml;nderungen das Risiko f&uuml;r bestimmte kardiale Komplikationen erh&ouml;hen. Zudem &uuml;berlappen sich einige sportbedingte strukturelle Ver&auml;nderungen des Herzens mit bestimmten Kardiomyopathien und er&ouml;ffnen einen diagnostischen Graubereich. Die transthorakale Echokardiografie erm&ouml;glicht in diesen Graubereichen bei entsprechender Expertise sowie unter Verwendung neuer Untersuchungstechniken eine schnell verf&uuml;gbare, kosteng&uuml;nstige und nicht invasive M&ouml;glichkeit der diagnostischen Orientierung. Zur Interpretation, ob die echokardiografischen Messgr&ouml;&szlig;en Ausdruck einer physiologischen Anpassung oder einer pathologischen Ver&auml;nderung sind, bedarf es jedoch vorab der Erhebung einiger anamnestischer Punkte, die in der Tabelle 1 aufgelistet sind.<br /> Im Folgenden werden exemplarisch die relevanten Graubereiche zwischen einer hypertrophen Kardiomyopathie (HCM) und einer sportassoziierten LV-Hypertrophie sowie einer arrhythmogenen rechtsventrikul&auml;ren Kardiomyopathie (ARVC) und sportassoziierten RV-Dilatation skizziert.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Kardio_1701_Weblinks_s10_tab1.jpg" alt="" width="1419" height="1010" /></p> <h2>Hypertrophe Kardiomyopathie vs. LV-Hypertrophie beim Athleten</h2> <p>Die HCM ist eine genetisch bedingte Herzmuskelerkrankung, die per definitionem mit einer vergr&ouml;&szlig;erten linksventrikul&auml;ren Wanddicke einhergeht, ohne dass diese Ver&auml;nderung durch abnormal ver&auml;nderte Volumen- oder Druckverh&auml;ltnisse erkl&auml;rt werden kann, und stellt die h&auml;ufigste Ursache f&uuml;r einen pl&ouml;tzlichen Herztod bei jungen Athleten dar.<sup>2</sup> Die HCM manifestiert sich heterogen, die asymmetrisch septale Hypertrophie ist dabei mit ca. 80 % die h&auml;ufigste Variante. Da sich die HCM jedoch auch im apikalen oder lateralen Ventrikelbereich manifestieren kann, muss der echokardiografische Fokus zum Ausschluss auch auf diese Segmente gelegt werden. Unabh&auml;ngig von Ausma&szlig; und Lokalisation der strukturellen Ver&auml;nderungen sind die Empfehlungen der Fachgesellschaften uniform und raten Athleten sowohl von moderatem und intensivem dynamischen als auch statischem Sport ab.<sup>3</sup> Besonders m&auml;nnliche Masterathleten zeigen jedoch nicht selten eine LV-Hypertrophie &uuml;ber dem aktuell geltenden oberen Grenzwert des Normalen (1,0cm beim Mann, 0,9cm bei der Frau)<sup>4</sup> und er&ouml;ffnen somit einen Graubereich zwischen dem Athletenherz und der HCM. Unabh&auml;ngig von Sportanamnese, Anthropometrie, Geschlecht und ethnischer Herkunft ist ein Ventrikelmyokard von =1,3cm bei M&auml;nnern und =1,2cm bei Frauen auch bei homogener Hypertrophie weiter abkl&auml;rungsbed&uuml;rftig. Dabei ist die echokardiografische Funktionsdiagnostik des linken Ventrikels f&uuml;r die Differenzierung hilfreich.<sup>5</sup> Die durch die EF gesch&auml;tzte systolische Funktion ist wie beim Athleten h&auml;ufig normal und insgesamt kein gutes Surrogat f&uuml;r die systolische Funktion bei vorliegender Hypertrophie. Daher soll laut den aktuellen Empfehlungen zus&auml;tzlich die longitudinale Verformung des linken Ventrikelmyokards mithilfe der Speckle-Tracking- Technik gemessen werden. Diese ist bei der HCM im Gegensatz zum Athletenherz h&auml;ufig trotz normaler EF global und besonders regional im Bereich der Hypertrophie reduziert. Athleten haben regelm&auml;&szlig;ig eine supranormale diastolische LV-Funktion, w&auml;hrend diese Funktion bei HCMErkrankten h&auml;ufig reduziert ist. Eine umfassende Beurteilung der diastolischen LV-Funktion hilft somit bei der Abgrenzung zum Athletenherz. Aufgrund des Einflusses von Lastver&auml;nderungen, der Herzfrequenz und des Alters auf das transmitrale Flussprofil sollten zus&auml;tzlich Gewebedopplermessungen, das Flussprofil in den Pulmonalvenen, der systolisch pulmonal- arterielle Druck und die Vorhofgr&ouml;&szlig;e gemessen werden. Zumeist erlaubt die Kombination der erw&auml;hnten diagnostischen Schritte den Graubereich zwischen HCM und dem Athletenherz auszur&auml;umen. Sollte sich dennoch die Diagnose nicht eindeutig stellen lassen, so ist eine kardiale MRT-Untersuchung indiziert.</p> <h2>Arrhythmogene rechtsventrikul&auml;re Kardiomyopathie vs. RV-Dilatation beim Athleten</h2> <p>Die ARVC ist eine genetisch bedingte Herzmuskelerkrankung mit regionaler Atrophie vorwiegend des rechtsventrikul&auml;ren Myokards mit nachfolgendem Ersatz durch Fett- und Bindegewebe, welches sich echokardiografisch mit einer regionalen Kinetikst&ouml;rung und Dilatation des rechten Ventrikels &auml;u&szlig;ert.<sup>6</sup> Da Sport das arrhythmogene Risiko bei diesem Krankheitsbild erh&ouml;ht, z&auml;hlt die ARVC zu den h&auml;ufigsten Ursachen f&uuml;r den pl&ouml;tzlichen Herztod bei jungen, scheinbar herzgesunden Athleten.<sup>2</sup> Die aktuellen Leitlinien raten bei einer gesicherten ARVC-Diagnose sowohl von moderatem und intensivem dynamischem als auch statischem Sport ab. Die aktuellen Task-Force-Kriterien f&uuml;r die Diagnose der ARVC basieren auf einem multidisziplin&auml;ren Zugang, wobei die Echokardiografie eine gewichtige Rolle spielt.<sup>6</sup> Die echokardiografischen Kriterien &uuml;berlappen sich jedoch mit physiologischen Ver&auml;nderungen der rechtsventrikul&auml;ren Ventrikelstruktur beim Athletenherz. In einer Arbeit &uuml;ber 1.009 Olympioniken unterschiedlicher Disziplinen erreichten 4 % die Major- und 32 % die Minor-Kriterien der ARVC Task Force f&uuml;r die RV-Dilatation.<sup>7</sup> &Auml;hnlich wie im diagnostischen Graubereich der HCM kann die echokardiografische Funktionsdiagnostik bei der Differenzierung unterst&uuml;tzen, da sich das Athletenherz zumeist mit einer normalen bis supranormalen RV-Funktion pr&auml;sentiert. Besonders die im M-Mode gemessene systolische Exkursionsbewegung des lateralen Trikuspidalanulus (TAPSE) und die Geschwindigkeit der systolischen Myokardbewegung im Gewebedoppler (s&rsquo;) als Surrogat der longitudinalen RV-Funktion als auch die globale und regionale Deformation der lateralen Myokardwand mithilfe der Speckle-Tracking-Untersuchung erm&ouml;glichen eine Unterscheidung.<sup>8</sup><br /> Zudem wurde in den letzten Jahren diskutiert, ob repetitive, hochintensive und prolongierte Ausdauerleistungen zu einem ARVC-&auml;hnlichen Bild mit einem proarrhythmogenen Risiko f&uuml;hren k&ouml;nnen.<sup>9</sup> Auch wenn diese Theorie weiterhin in der Literatur kontrovers diskutiert wird, hilft eine ausf&uuml;hrliche echokardiografische Funktionsdiagnostik fr&uuml;hzeitig, bei einer solchen vermeintlichen Risikogruppe maladaptative Ver&auml;nderungen zu diagnostizieren bzw. den Verlauf zu kontrollieren.</p> <h2>Die Echokardiografie in der Untersuchungskette f&uuml;r die Sporttauglichkeitsbescheinigung</h2> <p>Obwohl die gesundheitlichen Vorteile von regelm&auml;&szlig;igem Sport unbestritten sind, stellen intensive sportliche Belastungen bei vorbestehenden Kardiomyopathien einen Risikofaktor f&uuml;r den pl&ouml;tzlichen Herztod dar. Zudem wird weiterhin in der sportkardiologischen Forschung diskutiert, ob der rechte Ventrikel und die Vorh&ouml;fe tats&auml;chlich kardiale &bdquo;Achillesfersen&ldquo; des alternden Ausdauerathleten sind und ein Substrat f&uuml;r Arrhythmien darstellen. Somit sollte f&uuml;r Nachwuchssportler sowie wettkampforientierte Hobbysportler eine Sporttauglichkeitsuntersuchung nach dem in der Abbildung 1 skizzierten Ablauf, wie sie in vielen L&auml;ndern und vielen Verb&auml;nden vor einer Wettkampfteilnahme verpflichtend vorgeschrieben wird, eine sinnvolle Investition in die eigene Gesundheit sein. Neben dem Ruhe- und Belastungs- EKG kommt dabei der Echokardiografie eine zentrale Rolle zu.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Kardio_1701_Weblinks_s10_abb1_.jpg" alt="" width="1417" height="1199" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Henschen SM: Eine medizinische Sportstudie. Skilauf und Skiwettlauf. Mittlg Med Klinik Uppsala 1899; 2: 15 <strong>2</strong> Maron BJ et al: Sudden deaths in young competitive athletes: analysis of 1866 deaths in the United States, 1980-2006. Circulation 2009; 119: 1085-92 <strong>3</strong> Maron BJ et al, American Heart Association Electrocardiography and Arrhythmias Committee of the Council on Clinical Cardiology, et al: Eligibility and Disqualification Recommendations for Competitive Athletes With Cardiovascular Abnormalities: Task Force 3: Hypertrophic cardiomyopathy, arrhythmogenic right ventricular cardiomyopathy and other cardiomyopathies, and myocarditis: a scientific statement from the American Heart Association and American College of Cardiology. Circulation 2015; 132: e273-280 <strong>4</strong> Lang RM et al: Recommendations for cardiac chamber quantification by echocardiography in adults: an update from the American Society of Echocardiography and the European Association of Cardiovascular Imaging. Eur Heart J Cardiovasc Imaging 2015; 16: 233-270 <strong>5</strong> Elliott PM et al, members TF: 2014 ESC Guidelines on diagnosis and management of hypertrophic cardiomyopathy: the Task Force for the Diagnosis and Management of Hypertrophic Cardiomyopathy of the European Society of Cardiology (ESC). Eur Heart J 2014; 35: 2733-2779 <strong>6</strong> Marcus FI et al: Diagnosis of arrhythmogenic right ventricular cardiomyopathy/dysplasia: proposed modification of the Task Force Criteria. Eur Heart J 2010; 31: 806-814 <strong>7</strong> D&rsquo;Ascenzi F et al: RV remodeling in olympic athletes. JACC Cardiovasc Imaging 2016; doi: 10.1016/j.jcmg.2016.03.017. [Epub ahead of print] <strong>8</strong> Qasem M et al: A meta-analysis for echocardiographic assessment of right ventricular structure and function in ARVC. Echo Res Pract 2016; pii: ERP-16-0028. [Epub ahead of print] <strong>9</strong> La Gerche A et al: Exercise-induced right ventricular dysfunction is associated with ventricular arrhythmias in endurance athletes. Eur Heart J 2015; 36: 1998-2010</p> </div> </p>
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