
Ist ein ICD im Zeitalter moderner Rhythmologie und Pharmakotherapie noch ein Thema?
Autor:
Dr. Michael Nürnberg
Leiter der Device-Therapie
Wilhelminenspital/Klinik Ottakring
E-Mail: michael.nuernberg@gesundheitsverbund.at
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Die einzige Aufgabe eines ICD besteht darin, den plötzlichen Herztod zu verhindern. In Abbildung 1 sieht man das Auftreten eines Kammerflimmerns während der Morgenbesprechung initiiert durch eine R auf T-VES (Lown V ) 6 Jahre nach einem völlig arrhythmiefreien Intervall bei einem jetzt 47-jährigen, noch immer sehr sportlichen Kollegen, dem 2014 sekundärprophylaktisch nach überlebtem plötzlichem Herztod (Kammerflimmern) nach Ausschluss einer ischämischen, strukturellen oder genetischen Herzerkrankung ein ICD implantiert wurde. Der ICD hat somit seine Aufgabe erfüllt.
Keypoints
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Ein ICD verhindert weiterhin den plötzlichen Herztod.
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Der ICD wurde in der Primärprophylaxe bis dato zu wenig häufig implantiert.
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ARNI und SGLT2-Inhibitoren zeigen eine Reduktion der Mortalität/Arrhythmie-Inzidenz in der Behandlung der Herzinsuffizienz.
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Sie sollten in der optimierten medikamentösen Therapie eingesetzt werden.
In den letzten Jahren haben sich die Ablationstherapie in der Sekundärprophylaxe und die medikamentöse Therapie der Herzinsuffizienz in der Primärprophylaxe enorm entwickelt, sodass der Stellenwert der ICD-Therapie hinterfragt wird.
Der eingangs geschilderte Fall hatte nach den 2015 publizierten ESC-Guidelines eine Klasse-I-Level-A-ICD-Indikation. 2019 erschien nun ein EHRA Consensus Statement über die Ablation von ventrikulären Arrhythmien, nach dem für einige Arrhythmieformen ebenfalls eine Klasse-I-Empfehlung besteht. Bei fast allen Studien – auch den derzeit noch laufenden – waren und sind die Patienten mit anhaltenden Tachyarrhythmien mit einem „ICD back-up“ als „Sicherheitsgurt“ versorgt. Lediglich ein kleines internationales Register von nur 43 ARVC-Patienten mit Kammertachykardien und alleiniger Ablation (ICD wurde nicht finanziert oder vom Patienten abgelehnt) zeigte in 4 Jahren eine Rezidivrate von 20%, jedoch keine Mortalität.
Somit hat die ICD-Therapie in der Sekundärprophylaxe weiter ihren Stellenwert.
ESC-Guidelines 2015: ICD-Indikationen und aktuelle Studien
In den 2015 publizierten ESC-Guidelines besteht eine Klasse-I-ICD-Indikation in der Primärprophylaxe bei Patienten mit einer LVEF <35–40% nach zumindest 3-monatiger optimaler medikamentöser Therapie (ACE-Hemmer/Angiotensin-II-Rezeptorblocker, Betablocker und Mineralokortikoid) sowohl bei der ischämischen als auch der dilatativen Kardiomyopathie basierend auf vielen randomisierten Studien älteren Datums.
Eine rezent 2020 publizierte multizentrische Kohortenstudie (EU-CERT-ICD) an 2200 Patienten bestätigte eine reduzierte Mortalität von 27% in der ICD-Gruppe unabhängig von der Ätiologie (ischämisch vs. dilatativ), vor allem bei Patienten <75 Jahren und Nichtdiabetikern.
Die 2016 publizierte DANISH-Studie zeigte überraschenderweise keine reduzierte Mortalität bei Patienten mit dilatativer Kardiomyopathie. Eine Subgruppenanalyse ergab jedoch ebenfalls einen Benefit für Patienten unter 70 Jahren.
Eine ebenfalls 2020 publizierte französische Real-Life-Studie mit 45000 Patienten mit CRT-Systemen (CRT-D vs. CRT-P) ergab eine signifikante Reduktion der Mortalität durch die ICD-Funktion bei Patienten <75 Jahren unabhängig von der Ätiologie. Bei Patienten >75 Jahre profitierten nur die ischämischen Patienten von der ICD-Funktion.
Daten des 2019 publizierten Swedish Heart Failure Registry zeigten ebenfalls eine signifikant reduzierte Mortalität nach 5 Jahren bei Patienten, die mit einem ICD versorgt waren, unabhängig vom Jahr des Einschlusses in das Register (2000–2011 vs. 2012–2016). Insgesamt erhielten jedoch nur 10% der Patienten, welche die ICD-Indikation (insgesamt mehr als 16000 Patienten) erfüllten, einen ICD! Alle rezenten Daten bestätigen somit den Wert der ICD-Therapie in der Primärprävention.
Neuerungen und deren Basis
Zwei moderne Medikamente haben jedoch eine deutliche Reduktion der Mortalität in der Behandlung der Herzinsuffizienz gezeigt, die auch in die neuen Herzinsuffizienz-Guidelines Eingang finden werden.
Die erste Studie war PARADIGM-HF (2014 publiziert), die eine signifikante Reduktion der Mortalität durch Sacubitril/Valsartan (ARNI) vs. Enalapril zeigte. Die durchschnittliche Ejektionsfraktion betrug bei Einschluss in beiden Gruppen 29,6%, aber nur 21% der Patienten waren mit einem ICD oder CRT-D versorgt. Eine 2018 publizierte Studie an 120 Patienten mit ICD und telemedizinischer Nachsorge ergab eine Reduktion von ICD-Schocks und ventrikulären Tachykardien, wobei die Patienten nach 9-monatiger Therapie mit einem ACE-Hemmer auf ARNI wechselten und weitere 9 Monate nachbeobachtet wurden. 2019 wurde die DAPA-HF-Studie publiziert, die mit 4744 Patienten durchgeführt wurde. Es kam zu einer signifikanten Mortalitätsreduktion durch den SGLT2-Inhibitor Dapaglifozin unabhängig vom Vorliegen eines Diabetes. Vermutet wird eine Reduktion der Häufigkeit des plötzlichen Herztodes.
ERASE-Studie
In Österreich wurde nun an 8 Zentren unter der Führung der Medizinischen Universität Graz die ERASE-Studie initiiert, die bei Patienten mit ICD/CRT-Systemen durch die Gabe von Ertugliflozin eine reduzierte Tachyarrhythmie-Inzidenz in einer Nachbeobachtung von 1 Jahr nachweisen soll.
Beide Substanzen (ARNI und SGLT2-Inhibitoren) werden daher in die Klasse I der optimierten Therapie der Herzinsuffizienzbehandlung aufgenommen und sollten vor der Entscheidung zur primärprophylaktischen ICD-Implantation verabreicht werden.
Fazit
Der ICD beweist weiterhin, dass durch die Implantation – sei es transvenös oder subkutan – der plötzliche Herztod verhindert werden kann. Die neuen Medikamente in der Behandlung der Herzinsuffizienz zeigen jedoch eine vielversprechende Reduktion der Mortalität – auch durch eine Reduktion der ventrikulären Tachyarrhythmien. Trotzdem bleibt der ICD als Sicherheitsgurt die letzte Instanz in der Verhinderung des plötzlichen Herztodes. Auch beim Autofahren schnallen wir uns an, in der Hoffnung, den Gurt nicht zu brauchen. Bei einem Unfall kann er jedoch Leben retten.
Literatur:
beim Verfasser
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