© bojanstory E+

ESC Guidelines on cardiovascular assessment and management of patients undergoing non-cardiac surgery

Präoperative kardiologische Abklärung: Wer ist betroffen?

Die ESC (European Society of Cardiology) hat ihre Leitlinie zur kardiovaskulären Abklärung vor nicht kardiologischen Operationen gründlich überarbeitet.1 In zahlreichen Flussdiagrammen werden nun detaillierte Empfehlungen zum Vorgehen in verschiedenen Patientengruppen und vor unterschiedlich riskanten Eingriffen gegeben.

Kardiovaskuläre Komplikationen nach nicht kardiovaskulären Operationen sind häufig und betreffen in Europa nach Schätzungen mehr als 600 000 Patienten pro Jahr. Kardiovaskuläre Komplikationen, die perioperativ auftreten können, sind beispielsweise Myokardinfarkt, Thrombosen, Arrhythmien, Pulmonalembolie, Schlaganfall und kardiovaskulärer Tod.

Risikopatient hinsichtlich perioperativer Komplikationen?

Eine Identifikation von Risikopatienten im Rahmen der präoperativen Abklärung und ein konsequentes Management der Risikofaktoren sind daher von essenzieller Bedeutung. Wie dieses aussehen soll, hat die ESC in ihren aktualisierten Leitlinien zu dieser Frage in 147 Empfehlungen festgelegt. Von diesen Empfehlungen haben 75 Klasse I (starke Empfehlung) und 34 fallen in Klasse III, was so viel bedeutet, wie dass keine Empfehlung gegeben wird, so Prof. Dr. Sigrun Halvorsen, Vorsitzende der Taskforce vom Universitätsspital Oslo Ulleval (Norwegen). Die dahinterstehende Evidenz ist allerdings eher dünn und nur 17 Empfehlungen beruhen auf randomisierten klinischen Studien (Evidenzlevel A). Im Vergleich zu der vor acht Jahren publizierten Vorgängerversion der Guideline wurden sämtliche Kapitel gründlich überarbeitet, zahlreiche Flussdiagramme zur Verbesserung der Übersichtlichkeit sind hinzugekommen.

Das perioperative Risiko ergibt sich, so Halvorsen, aus der komplexen Interaktion zwischen dem Risiko des Eingriffs und dem individuellen kardiologischen Risiko des Patienten. Mehrere Risikoscores wurden entwickelt, die Taskforce verzichtet jedoch bewusst darauf, einem dieser Scores den Vorzug zu geben. Generell soll die Risikobewertung vor elektiven Eingriffen nicht anhand eines Scores, sondern auf Basis einer klinischen Untersuchung und mithilfe der mit der Guideline entwickelten Flussdiagrammen durchgeführt werden. Nimmt der Patient Medikamente, sollen diese optimiert werden, und allenfalls sollte das Rauchen mindestens vier Wochen vor der Operation eingestellt werden. Blutdruck, Diabeteseinstellung und Plasmalipide sollten so weit wie möglich optimiert werden. Bei antikoagulierten Patienten ist eine genaue Beratung erforderlich, wann und wie die Einnahme der Medikamente nach der Operation wieder begonnen werden sollen.

Kategorisierung von Eingriffen – spezifisches Risiko & Alter

Auch die spezifischen Risiken diverser Eingriffe werden kategorisiert, und zwar als niedrig (<1%), mittel (1–5%) und hoch (>5%) bezogen auf Herzinfarkt, Schlaganfall oder kardiovaskulären Tod innerhalb von 30 Tagen nach dem Eingriff. Beispielsweise wird das Risiko einer Knie-OP als niedrig, das einer Nierentransplantation als mittel und das einer Lungentransplantation als hoch eingestuft.

Was das Risiko auf Patientenseite angeht, verlangt eine zentrale Empfehlung der Leitlinie, dass alle Patienten über 65 Jahre vor nichtkardiologischen Eingriffen mit mittlerem oder hohem Risiko kardiologisch abgeklärt werden. In der Altersgruppe zwischen 45 und 65 ist die Empfehlung etwas schwächer. In dieser Altersgruppe sollten auch bei Patienten ohne Hinweise auf kardiovaskuläre Erkrankung vor Hochrisikooperationen die Bestimmung des Troponin-Werts sowie ein EKG in Betracht gezogen werden, so Prof. Dr. Julinda Mehilli vom Krankenhaus Landshut-Achdorf, Deutschland. Eine bestehende kardiovaskuläre Erkrankung erhöht auch das Risiko für peri- und postoperative kardiovaskuläre Komplikationen. Das Gleiche gilt für Klappenerkrankungen. Daher sollte vor riskanteren elektiven Operationen nach Möglichkeit eine chirurgische oder interventionelle Sanierung der betroffenen Klappe vorgenommen werden.

Anästhesie & Komorbiditäten

Falls die Entscheidung zu treffen ist, ob, wann und mit welcher Anästhesie ein Eingriff vorgenommen werden soll, so betont die Leitlinie, dass der Patient in diese Entscheidung einbezogen werden muss. Für bestehende kardiale oder kardiovaskuläre Erkrankungen sowie für Diabetes, Niereninsuffizienz und andere Zustandsbilder, die mit erhöhtem kardiovaskulärem Risiko assoziiert sind, werden detaillierte Empfehlungen in Abhängigkeit von der Diagnose gegeben. Die häufigste kardiologische Komplikation nach nichtkardiologischen Operationen ist eine Schädigung des Myokards, die mit einer erhöhten Sterblichkeit im ersten Monat nach der Operation assoziiert ist. Bei herzkranken Patienten ist dieses Risiko substanziell erhöht, weshalb eine längere postoperative Beobachtung auf der Intensivstation empfohlen wird.

1 Halvorsen S: 2022 ESC Guidelines on cardiovascular assessment and management of patients undergoing non-cardiac surgery. Eur Heart J 2022. ehac270

Back to top