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Hot Line Session: TOMAHAWK-Studie

Nach Herzstillstand: Nicht jeder Patient braucht eine Angiografie

Reanimierte Patienten, die nach einem Herzstillstand keine Hebung der ST-Strecke zeigen, profitieren nicht von einer Notfallangiografie direkt nach Aufnahme ins Krankenhaus, wie die Ergebnisse der TOMAHAWK-Studie zeigen.1

Hinter einem extramuralen Herzstillstand kann ein Myokardinfarkt stehen, auch wenn nach Reanimation im EKG keine Hebung der ST-Strecke zu erkennen ist. Im klinischen Alltag stellt sich die Frage, ob diese Patienten alle und möglichst früh angiografiert werden sollen. Da nach bisher publizierten Daten in rund einem Drittel der Fälle ein Myokardinfarkt vorliegen dürfte,2 könnten die Betroffenen von einer frühzeitigen Angiografie und folgenden perkutanen Intervention profitieren. Gemäß den aktuellen ESC-Guidelines soll nach erfolgreicher Reanimation bei hämodynamisch stabilen Patienten ohne Hebung der ST-Strecke eine verzögerte anstelle einer sofortigen Angiografie in Erwägung gezogen werden.3 Diese Empfehlung basiert auf den Daten der COACT-Studie, die keinen Vorteil für ein sofortiges invasives Vorgehen ohne vorhergehende Patientenselektion zeigen konnte.4 Die Leitlinie hielt auch fest, dass zum Zeitpunkt der Publikation der Guidelines laufende Studien wie TOMAHAWK mehr Klarheit in dieser Frage bringen werden. Die Ergebnisse von TOMAHAWK wurden in einer Hot Line Session des ESC 2021 präsentiert und zeitgleich im „New England Journal of Medicine“ publiziert.1

„Argumente für eine frühe Angiografie und eine mögliche Katheterintervention sind, eine hämodynamische Verschlechterung sowie weitere Ereignisse zu verhindern und einen möglichen Schaden am Myokard zu begrenzen“, sagt dazu Prof. Dr. Steffen Desch vom Herzzentrum Leipzig. Dies setze allerdings voraus, dass in der Angiografie eine behandelbare Läsion gefunden werde. Dem stehe das Risiko der Intervention gegenüber.

Die multizentrische, randomisierte, offene TOMAHAWK-Studie verglich in einem Kollektiv nach Herzstillstand reanimierter Patienten ohne Hebung der ST-Strecke eine sofortige Angiografie nach Krankenhauseinlieferung mit einem konservativen Vorgehen mit Intensivpflege, nicht invasiver Abklärung und bei Bedarf verzögerter, elektiver Angiografie. Primärer Endpunkt war der Tod innerhalb von 30 Tagen nach dem Ereignis. Insgesamt konnten 554 Patienten randomisiert werden. Das Management auf der ICU erfolgte nach aktuellen Leitlinien, die Indikation zur elektiven Angiografie wurde im konservativ behandelten Arm nach Einschätzung des behandelnden Teams gestellt.

TOMAHAWK zeigte keinen Vorteil einer sofortigen Intervention. Der primäre Endpunkt trat bei 143 Patienten (54%), die sofort angiografiert wurden, und bei 122 Patienten (46%) mit verzögerter Angiografie ein (HR: 1,28; CI: 95%: 1,00–1,63; p=0,058; Abb. 1). Dieses Ergebnis blieb über alle prädefinierten Subgruppen konsistent. Der sekundäre Kompositum-Endpunkt aus Tod und schweren neurologischen Defiziten nach 30 Tagen trat nach sofortiger Angiografie geringfügig, aber signifikant häufiger ein (RR: 1,16; CI: 95%: 1,002–1,34). Hinsichtlich aller weiteren sekundären Endpunkte wurde kein Unterschied zwischen den Gruppen gefunden. Auch in Sicherheitsendpunkten wie schweren Blutungen und Nierenversagen unterschieden sich die Gruppen nicht.

Abb. 1: TOMAHAWK-Studie zeigt, dass bei einem extramuralen Herzstillstand ohne Hebung der ST-Strecke eine sofortige Angiografie keinen Vorteil bringt

Desch: „In der Praxis bedeutet das, dass man sich guten Gewissens Zeit lassen kann, um die Entwicklung auf der Intensivstation abzuwarten und Informationen zum klinischen Hintergrund des Herstillstandes zu sammeln. Wenn keine Hebung der ST-Strecke vorhanden ist, bringt eine Angiografie unter Notfallbedingungen keinen Vorteil.“

ESC-Kongress 2021, The Digital Experience, 27.–30.8.2021

1 Desch S et al.: Invasive coronary angiography after out-of-hospital cardiac arrest without ST-segment elevation (TOMAHAWK). N Engl J Med: 10.1056/NEJMoa2101909 2 Zanuttini D et al.: Predictive value of electrocardiogram in diagnosing acute coronary artery lesions among patients with out-of-hospital-cardiac-arrest. Resuscitation 2013; 84: 1250-4 3 Collet JP et al.: 2020 ESC Guidelines for the management of acute coronary syndromes in patients presenting without persistent ST-segment elevation. Eur Heart J 2021; 42: 1289-367 4 Lemkes JS et al.: Coronary angiography after cardiac arrest without ST-segment elevation. N Engl J Med 2019; 380: 1397-407

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