© Getty Images/iStockphoto

Marathon nach Herzinfarkt? Der Freizeitsportler mit KHK

<p class="article-intro">Sport mit moderater Intensität wird gegen das Fortschreiten atherosklerotischer Erkrankungen empfohlen. Doch wie ist vorzugehen wenn sich Freizeitsportler gerne wieder anstrengen möchten? Strikte Risikofaktorenkontrolle, eine State-of-the-art Leistungsdiagnostik und die Aufklärung über Nutzen-Risiko- Verhältnis sind Basis der weiteren Betreuung.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Regelm&auml;&szlig;ige k&ouml;rperliche Aktivit&auml;t und trainingsbasierte Rehabilitationsprogramme nach akuten Koronarereignissen, nach Revaskularisation oder f&uuml;r Patienten mit Herzinsuffizienz werden mit h&ouml;chster Evidenz (1A) empfohlen.</li> <li>Anstrengende k&ouml;rperliche Belastung erh&ouml;ht passager das Risiko f&uuml;r einen kardiovaskul&auml;ren Zwischenfall. Dieses ist f&uuml;r k&ouml;rperlich inaktive Menschen am h&ouml;chsten, bleibt aber auch f&uuml;r Aktive mit manifester KHK immer erh&ouml;ht.</li> <li>F&uuml;r das Verhindern des Fortschreitens der KHK spielt striktes Risikofaktorenmanagement eine entscheidende Rolle. Daf&uuml;r n&ouml;tige medikament&ouml;se Therapien k&ouml;nnen durch Training nicht ersetzt werden.</li> <li>Bei Wunsch nach Wiederaufnahme ambitionierter k&ouml;rperlicher Aktivit&auml;t werden eine sportmedizinische Leistungsevaluierung, Herzultraschalluntersuchung und eine individuelle Nutzen-Risiko-Abw&auml;gung mit dem Betroffenen empfohlen.</li> </ul> </div> <p>Regelm&auml;&szlig;ige k&ouml;rperliche Aktivit&auml;t reduziert das Risiko einer koronaren Herzerkrankung, da zahlreiche Risikofaktoren positiv beeinflusst werden. Daher wird allen Menschen prim&auml;r- und sekund&auml;rpr&auml;ventiv moderate k&ouml;rperliche Aktivit&auml;t mit bester Evidenz und h&ouml;chstem Grad (IA) empfohlen.<sup>1&ndash;3</sup> Anstrengende k&ouml;rperliche Belastung erh&ouml;ht jedoch passager das Risiko f&uuml;r einen kardiovaskul&auml;ren Zwischenfall.<sup>4&ndash;6</sup> Freizeitsportler, die vor Bekanntwerden ihrer koronaren Herzerkrankung (KHK) regelm&auml;&szlig;ig aktiv waren, wollen auf gewohnte Aktivit&auml;ten dennoch nicht verzichten und w&uuml;nschen sich Beratung bez&uuml;glich der Wiederaufnahme ihrer sportlichen Aktivit&auml;ten.<br /> Freizeitsport wird in diesem Artikel als Sport definiert, der in der Freizeit ausge&uuml;bt wird und im Gegensatz zum professionellen Sport nicht dazu dient, Geld oder G&uuml;ter durch k&ouml;rperliche Leistung zu erwerben. Freizeitsportler &uuml;ben ihren Sport mit oder ohne Wettkampfambitionen aus. Umf&auml;nge und Belastungsintensit&auml;ten k&ouml;nnen dabei breit gestreut sein, ebenso wie das Fitnessniveau und die &bdquo;Risikofaktorenkarriere&ldquo; der Aus&uuml;benden. In der Praxis wird Freizeitsport oft mit &bdquo;nicht anstrengend&ldquo; und Leistungssport mit &bdquo;anstrengend&ldquo; assoziiert. Patienten wird daher simpel geraten, in Zukunft keinen Leistungssport mehr zu betreiben, was einen zu breiten Interpretationsspielraum offenl&auml;sst und damit f&uuml;r Betroffene unbefriedigend ist.</p> <h2>Ist Freizeitsport anstrengend?</h2> <p>Wie sehr sich jemand bei Aus&uuml;bung seines Sports anstrengt, h&auml;ngt von individuellen Pr&auml;ferenzen, der Art des Sportes, der Bewegungserfahrung des Einzelnen und der Regelm&auml;&szlig;igkeit der Sportaus&uuml;bung ab. Hohe Belastungsintensit&auml;ten k&ouml;nnen vom Sportler bzw. der Sportlerin bewusst angestrebt werden, wie zum Beispiel bei Teilnahme an Marathonl&auml;ufen, Radrennen oder Outdoorabenteuern. Sie k&ouml;nnen aber auch &bdquo;unabsichtlich&ldquo; entstehen, wenn Aktivit&auml;ten fr&uuml;herer Zeiten wieder aufgenommen werden, als die k&ouml;rperliche Leistungsf&auml;higkeit noch besser war und Sportaus&uuml;bung kein Problem dargestellt hat, nun aber aufgrund von Erkrankung und reduzierter Kondition zu einer erh&ouml;hten relativen Belastung f&uuml;hrt. Als Beispiele seien Bergtouren oder Radausfahrten in der Freundesgruppe genannt, aber auch Teilnahme an Spielsportarten wie Fu&szlig;ball, Tennis, etc. Auch Umgebungsbedingungen, wie Hitze, K&auml;lte, hohe Luftfeuchtigkeit oder H&ouml;he, k&ouml;nnen die Belastung erh&ouml;hen. Der Wunsch der Patienten nach Wiederaufnahme ihres Sports ist meist gro&szlig; und stellt einen wichtigen Teil ihrer Lebensqualit&auml;t dar. Da diesbez&uuml;glich die Datenlage noch unzureichend ist, ist die Wiederaufnahme der Aktivit&auml;t eine Herausforderung f&uuml;r die &auml;rztliche Beratung.</p> <h2>Ist Anstrengung riskant?</h2> <p>Das Risiko, durch k&ouml;rperliche Anstrengung einen kardiovaskul&auml;ren Zwischenfall (Myokardinfarkt, Insult, Arrhythmie-induzierter pl&ouml;tzlicher Herztod) zu erleiden, ist f&uuml;r Menschen am h&ouml;chsten, die nie k&ouml;rperlich aktiv waren.<sup>4</sup> Regelm&auml;&szlig;igkeit der Sportaus&uuml;bung und gute k&ouml;rperliche Fitness reduzieren das Risiko, dennoch bleibt dieses f&uuml;r Patienten mit manifester KHK erh&ouml;ht.<sup>4, 6, 7</sup> Bei Personen &uuml;ber 35 Jahre ist die atherosklerotische Herzerkrankung die h&auml;ufigste Ursache f&uuml;r einen belastungsinduzierten pl&ouml;tzlichen Herztod. M&auml;nner sind deutlich h&auml;ufiger betroffen als Frauen (Verh&auml;ltnis 10:1).<sup>8, 9</sup> Als Mechanismen werden diskutiert: spontane koronare Plaquerupturen, stenosebedingt prim&auml;res Missverh&auml;ltnis zwischen Sauerstoffangebot und erh&ouml;htem Bedarf infolge erh&ouml;hter Wandspannung, katecholamininduzierte gesteigerte Thrombozytenaggregation, Elektrolytdysbalancen, die ein ver&auml;ndertes Depolarisationsverhalten bedingen, und Rhythmusst&ouml;rungen aus Narben oder Myokardfibrosen.<sup>6, 10</sup> Bei etwa der H&auml;lfte aller M&auml;nner und postmenopausalen Frauen, aber nur einem Drittel der pr&auml;menopausalen Frauen, stellen der akute Myokardinfarkt oder der pl&ouml;tzliche Herztod die Erstmanifestation der KHK dar.<sup>11</sup><br /> Dass das Risiko eines kardiovaskul&auml;ren pl&ouml;tzlichen Herztods oder nicht t&ouml;dlichen Zwischenfalls bei Zustand nach Myokardinfarkt in den Folgejahren erh&ouml;ht bleibt, zeigt ein schwedisches Register, das 108 315 Patienten mit einem Index-Myokardinfarkt zwischen 2006 und 2011 verfolgt hat. Zehn Prozent der Betroffenen verstarben nach dem Ereignis, knapp 20 % erlitten im ersten Jahr einen nicht t&ouml;dlichen Reinfarkt, Insult oder einen Herz- Kreislauf-Tod, weitere 20 % in den vier Folgejahren. Das kumulative Risiko f&uuml;r j&uuml;ngere Patienten mit niedrigerem Risikofaktorenprofil war etwa halb so hoch, aber dennoch klinisch relevant.<sup>12</sup> Meist verantwortlich daf&uuml;r ist ein Fortschreiten der atherosklerotischen Erkrankung, was die Wichtigkeit einer ad&auml;quaten Sekund&auml;rpr&auml;vention unterstreicht.<sup>13</sup> Eine das Risiko modifizierende Rolle spielt die Linksventrikelfunktion: je schlechter, desto h&ouml;her das Risiko. Besonders j&uuml;ngere Herzinsuffizienzpatienten &lt;60 Jahren haben ein hohes Risiko f&uuml;r arrhythmogenen pl&ouml;tzlichen Herztod.<sup>14</sup></p> <h2>Medikament&ouml;se Therapie</h2> <p>Duale Pl&auml;ttchenhemmung (DAPT) nach PCI, Statintherapie generell, Betablocker, ACE-Inhibitoren/ARBs und MRAs bei Herzinsuffizienz mit verminderter Auswurffraktion (LVEF =40 % ) sind Standard in der Therapie der KHK.<sup>3, 15</sup> Eine stringente Risikofaktorenkontrolle ist ein wichtiger Teil der Therapie. Davon sind Sporttreibende nicht ausgenommen. Wirkungen und Nebenwirkungen der Medikation m&uuml;ssen eingehend besprochen werden. Wegen des erh&ouml;hten Blutungsrisikos sollten in der Zeit bis zum Absetzen der DAPT Sportarten mit erh&ouml;htem Verletzungsrisiko nicht ausge&uuml;bt werden. Muskul&auml;re Symptome sind ein wesentlicher Faktor f&uuml;r die Beendigung einer Statintherapie durch Patienten. Man nimmt an, dass bei einem gro&szlig;en Teil der angegebenen Beschwerden ein Noceboeffekt eine Rolle spielt.<sup>16</sup> Bei gesunden Erwachsenen verminderte sich im Rahmen einer doppelblind randomisierten Studie die k&ouml;rperliche Aktivit&auml;t, unabh&auml;ngig davon, ob 80mg Atorvastatin oder Placebo f&uuml;r 6 Monate eingenommen wurde.<sup>17</sup> Die vorliegende Evidenz best&auml;tigt ein bei Weitem positives Nutzen-Risiko- Verh&auml;ltnis der Statintherapie bei atherosklerotischen Erkrankungen. PCSK9- Inhibitoren bleiben derzeit einer kleinen Minderheit vorbehalten, ihre Rolle bei Sporttreibenden kann daher vorerst nicht beurteilt werden.</p> <h2>Leistungsdiagnostik</h2> <p>Um die Belastungsvertr&auml;glichkeit zu testen, wird ein symptomlimitierter Belastungstest empfohlen.<sup>18, 19</sup> Richtig durchgef&uuml;hrt, n&auml;mlich bis zur Aussch&ouml;pfung der kardiovaskul&auml;ren, ventilatorischen und/ oder muskul&auml;ren Reserven, ergeben sich daraus wertvolle Informationen zu Leistungsf&auml;higkeit, Herzfrequenz- und Blutdruckregulation sowie EKG-Ver&auml;nderungen, Prognose und Trainingssteuerung. Die Belastung muss nur dann vorzeitig abgebrochen werden, wenn Symptome, Regulationsst&ouml;rungen, Zeichen einer Isch&auml;mie oder der elektrischen Instabilit&auml;t auftreten. Das Belastungsinkrement sollte so gew&auml;hlt werden, dass die Ausbelastung in etwa 10 Minuten erreicht wird, wof&uuml;r man die Belastbarkeit durch Erheben einer detaillierten sportmedizinischen Anamnese vorab absch&auml;tzen muss.<sup>20, 21</sup></p> <h2>Empfehlungen zur Aktivit&auml;t</h2> <p>Als Basisbewegung werden k&ouml;rperlich aktiver Lebensstil und Ausdaueraktivit&auml;t im Umfang von 150 Minuten pro Woche mit moderater Intensit&auml;t (3&ndash;6 MET) oder 75 Minuten pro Woche mit h&ouml;herer Intensit&auml;t (&gt;6 MET) empfohlen. Zus&auml;tzlich gilt, dass bessere Fitness und h&ouml;here Bewegungsumf&auml;nge weitere gesundheitliche Vorteile bringen. Inaktiven Personen und jenen mit eingeschr&auml;nkter Leistungsf&auml;higkeit wird geraten, &uuml;berhaupt aktiv zu werden und die Aktivit&auml;t an ihre M&ouml;glichkeiten anzupassen.<sup>22</sup> Eine trainingsbasierte Rehabilitation wird Patienten nach einem kardiovaskul&auml;ren Ereignis, nach Revaskularisation und bei Herzinsuffizienz mit h&ouml;chstem Evidenzgrad empfohlen.<sup>2</sup><br /><br /> Allgemeine und nach wie vor g&uuml;ltige Empfehlungen zur Gestaltung einer Aktivit&auml;tseinheit sind der Europ&auml;ischen Guideline (Tab. 1) zu entnehmen.<sup>18</sup> W&auml;hrend in den bisher g&uuml;ltigen Guidelines von 2006 Patienten mit KHK nur Sportarten mit niedriger statischer und dynamischer Belastung empfohlen wurden (Gehen, Billard, Darts, Minigolf, etc.), wurden 2015 in den USA neuere Empfehlungen publiziert, die in der Praxis besser anwendbar sind (Tab. 2).<sup>18, 19</sup> Die schlechte Datenlage zu diesem Thema stellt weiterhin ein Problem dar.<br /> Da in &Ouml;sterreich Bergsport gerne und von vielen ausge&uuml;bt wird, soll erg&auml;nzend noch auf aktuelle Empfehlungen dazu hingewiesen werden (Tab. 3).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Kardio_1803_Weblinks_s9_tab1.jpg" alt="" width="1419" height="1014" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Kardio_1803_Weblinks_s9_tab2.jpg" alt="" width="1419" height="1864" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Kardio_1803_Weblinks_s9_tab3.jpg" alt="" width="1419" height="1415" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Sesso HD et al.: The Harvard Alumni Health Study. Circulation 2000; 102: 975-80 <strong>2</strong> Piepoli MF et al.: Eur Heart J 2016; 37: 2315-81 <strong>3</strong> Task Force Members et al.: Eur Heart J 2013; 34: 2949-3003 <strong>4</strong> Thompson PD et al.: Circulation 2007; 115: 2358-68 <strong>5</strong> von Klot S et al.: Eur Heart J 2008; 29: 1881-8 <strong>6</strong> Albert CM et al.: N Engl J Med 2000; 343: 1355-61 <strong>7</strong> Myers J et al.: N Engl J Med 2002; 346: 793-801 <strong>8</strong> Corrado D et al.: Eur Heart J 2011; 32: 934-44 <strong>9</strong> Landry CH et al.: N Engl J Med 2017; 377: 1943-53 <strong>10</strong> Burke AP et al.: JAMA 1999; 281: 921-6 <strong>11</strong> Wilson PWF et al.: Epidemiology of coronary heart disease. UpToDate<sup>&reg;</sup>, Wolters Kluwer; letzter Zugriff: 7. Aug. 2018 <strong>12</strong> Jernberg T et al.: Eur Heart J 2015; 36: 1163-70 <strong>13</strong> Silber S et al.: Lancet 2011; 377: 1241-7 <strong>14</strong> Chatterjee NA et al.: JAMA Cardiol 2018; 3: 591-600 <strong>15</strong> Ibanez B et al.: Eur Heart J 2018; 39: 119-77 <strong>16</strong> Mach F et al.: Eur Heart J 2018; 39: 2526-39 <strong>17</strong> Panza GA et al.: Med Sci Sports Exerc 2016; 48: 1-6 <strong>18</strong> ESCSGoS Cardiology: Eur J Cardiovasc Prev Rehabil 2006; 13: 137-49 <strong>19</strong> Thompson PD et al.: Circulation 2015; 132: 310-4 <strong>20</strong> Wonisch M et al.: Journal f&uuml;r Kardiologie 2008; 15: 3-17 <strong>21</strong> Mezzani A: Ann Am Thorac Soc 2017; 14: S3-S11 <strong>22</strong> Garber CE et al.: Med Sci Sports Exerc 2011; 43: 1334-59 <strong>23</strong> Parati G et al.: Eur Heart J 2018; 39: 1546-54</p> </div> </p>
Back to top