
Ist Lipidmanagement auch bei älteren Patienten sinnvoll?
Autor:
Priv.-Doz. Dr. Christoph Brenner, FESC
Stv. Klinikdirektor
Univ.-Klinik für Innere Medizin III – Kardiologie und Angiologie
Medizinische Universität Innsbruck
E-Mail: christoph.brenner@i-med.ac.at
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Mit zunehmendem Lebensalter nimmt die Polymorbidität in der Bevölkerung zu und bedarf entsprechend einer breiten medikamentösen Therapie. Um das Nebenwirkungsprofil gering und die langfristige Therapieadhärenz hoch zu halten, gilt es dabei, die langfristige medikamentöse Therapie auf die prognostisch wichtigen Präparate zu fokussieren. Der lipidsenkenden Therapie kommt dabei ein besonderer Stellenwert zu. Die Indikation zur medikamentösen Therapie einer Hypercholesterinämie bei älteren Patienten (über 70 Jahre) wird dabei allerdings mitunter kontrovers diskutiert.
Keypoints
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Ältere Patienten leiden häufig unter einer medikamentösen Polytherapie. Zur Optimierung der Therapieadhärenz und zur Reduktion von Wechselwirkungen sollte die Therapie möglichst auf prognostisch relevante und nebenwirkungsarme Präparate fokussiert werden.
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Die Hypercholesterinämie stellt einen hochrelevanten Risikofaktor für Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems dar. Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse dabei exponentiell an.
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Die Statintherapie als einfache, günstige und gut verträgliche Behandlung hat prognostisch eine hohe Relevanz – insbesondere bei älteren Patienten. Der medikamentösen Senkung des LDL-Cholesterins sollte deshalb in der Dauertherapie auch im Alter ein hoher Stellenwert eingeräumt werden.
In den vergangenen Jahrzehnten konnte LDL-Cholesterin (LDL-C) als einer der kardiovaskulären Hauptrisikofaktoren klar identifiziert werden. Dass LDL-C eindeutig in einem kausalen Zusammenhang mit der Entstehung der Atherosklerose und damit auch der koronaren Herzerkrankung steht, gilt heute als bewiesen. Dabei führt eine Statin-basierte Cholesterinsenkung statistisch zu einer relativen Reduktion der kardiovaskulären Ereignisrate um etwa 22% pro 1mmol/l (39mg/dl) LDL-C-Senkung, und das sowohl in der kardiovaskulären Primär- als auch Sekundärprophylaxe.1 Für andere Formen der Cholesterinsenkung wie z.B. Diät, Resorptionshemmung, PCSK9-Inhibition oder genetische Polymorphismen konnten vergleichbare Effekte gezeigt werden.2–5
Während in der Sekundärprophylaxe auch bei älteren Patienten die Sinnhaftigkeit einer medikamentösen LDL-C-Senkung unstrittig ist, ist die Datenlage in der Primärprävention dagegen deutlich dünner. Bekannt ist, dass mit zunehmendem Lebensalter das Risiko für Myokardinfarkte oder andere kardiovaskuläre Erkrankungen exponentiell ansteigt und dass damit bei der Bevölkerungsgruppe ab einem Alter von über 70 Jahren der Kontrolle der vorhandenen Risikofaktoren ein besonderer Stellenwert zukommt.6 Die größte randomisierte Studie zur primärprophylaktischen Statin-Therapie mit einem geplanten Einschluss von 18000 älteren Patientinnen und Patienten wird hier erst Klarheit bringen (NCT02099123, STAREE trial).
Verträglichkeit der Statintherapie
Neben den therapeutischen Effekten der Statintherapie wurde in der Vergangenheit auch ein großes Augenmerk auf die unerwünschten Arzneimittelwirkungen der medikamentösen Hemmung der HMG-CoA-Reduktase gelegt. Dabei hat die Verträglichkeit ebenso wie die Wirksamkeit mit jeder neuen Statingeneration weiter zugenommen. Mit Rosuvastatin als neuestem und potentestem Vertreter der Statine kann insbesondere bei moderater Dosierung (bis 20mg pro Tag) heute eine hervorragende LDL-C-Reduktion bei gleichzeitig exzellenter Verträglichkeit (hinsichtlich GPT- oder CK-Anstiegen) erreicht werden.7 Dies ist besonders relevant, da ein großer Anteil unserer Patienten über 70 Jahre die Indikation zur sekundärprophylaktischen Senkung der LDL-C-Konzentration erfüllt.
Die protektiven Effekte überwiegen hier bei Weitem die vergleichsweise seltenen potenziellen Nebenwirkungen wie Hepatopathien, Dysglykämien oder Myopathien.1 Zu den zuletzt genannten unerwünschten Ereignissen lieferte insbesondere die ASCOT-LLA-Studie interessante Einblicke. Die Autoren wiesen dabei im Rahmen der auf die verblindete placebokontrollierte Studienphase folgende Open-Label-Therapie einen klaren Nocebo-Effekt – also eine gefühlte Nebenwirkung (mit-)bedingt durch eine negative Erwartungshaltung – nach. Dieser Effekt kann die außerhalb von kontrollierten Studien beobachtete erhöhte Rate muskulärer Nebenwirkungen gut erklären.8
Wechselwirkungen beachten
Trotz guter Verträglichkeit sollte bei der Verordnung von Statinen, insbesondere bei polymorbiden/polytherapierten (älteren) Patienten, aufgrund der CYP450-abhängigen Metabolisierung auf mögliche medikamentöse Interaktionen geachtet werden. Dabei sind als Interaktionspartner z.B. Azol-Antimykotika, Makrolid-Antibiotika, Non-Dihydropyridin-Kalzium-Antagonisten, Amiodaron und Ranolazin zu nennen. Außer Prava- und Rosuvastatin werden alle in Österreich im Handel befindliche Statine über CYP450 verstoffwechselt.
LDL-C-Senkung bei älteren Patienten
Durch eine medikamentöse Senkung der LDL-C-Werte kann auch bei älteren Patienten eine relevante Prognoseverbesserung hinsichtlich Lebensqualität und Lebenszeit erreicht werden. Aufgrund des exzellenten Nutzen-Risiko-Verhältnisses sind die Statine hier Mittel der Wahl. Diese sind auch bei sehr alten Patienten hochwirksam und bei Tagestherapiekosten von unter 0,18 Euro (aktueller Kassen-Verkaufspreis in Österreich) darüber hinaus auch hochwirtschaftlich. In einer rezenten retrospektiven Analyse aus Italien an über 4000 älteren Patienten (≥65 Jahre) hatte sich im Vergleich zu einer entsprechend gematchten Kohorte gezeigt, dass das Absetzen einer Statinmedikation (unter Beibehaltung der übrigen Dauermedikation) unter anderem mit einem relevanten Anstieg der Mortalität um 15% (HR: 1,15; 95% CI: 1,02–1,30) im Beobachtungszeitraum von im Mittel 2,4 Jahren assoziiert war.9
Fazit
In der Priorisierung der Dauermedikation im fortgeschrittenen Alter sollte deshalb der Statintherapie aufgrund der heute guten Verträglichkeit, der exzellenten Wirksamkeit und hohen prognostischen Relevanz sowie der äußerst geringen Therapiekosten ein hoher Stellenwert eingeräumt und die cholesterinsenkende Therapie in keinem Fall leichtfertig abgesetzt werden.
Literatur:
1 Mach F et al.: 2019 ESC/EAS Guidelines for the management of dyslipidaemias: lipid modification to reduce cardiovascular risk. Eur Heart J 2020; 41(1): 111-88 2 Ference BA et al.: Low-density lipoproteins cause atherosclerotic cardiovascular disease. 1. Evidence from genetic, epidemiologic, and clinical studies. A consensus statement from the European Atherosclerosis Society Consensus Panel. Eur Heart J 2017; 38(32): 2459-72 3 Ference BA et al.: Effect of naturally random allocation to lower low-density lipoprotein cholesterol on the risk of coronary heart disease mediated by polymorphisms in NPC1L1, HMGCR, or both: a 2 x 2 factorial Mendelian randomization study. J Am Coll Cardiol 2015; 65(15): 1552-61 4 Mente A et al.: A systematic review of the evidence supporting a causal link between dietary factors and coronary heart disease. Arch Intern Med 2009; 169(7): 659-69 5 Toyota T et al.: More- versus less-intensive lipid-lowering therapy. Circ Cardiovasc Qual Outcomes 2019; 12(8): e005460 6 Mortensen MB, Nordestgaard BG: Elevated LDL cholesterol and increased risk of myocardial infarction and atherosclerotic cardiovascular disease in individuals aged 70-100 years: a contemporary primary prevention cohort. Lancet 2020; 396(10263): 1644-52 7 Brewer HB Jr.: Benefit-risk assessment of rosuvastatin 10 to 40 milligrams. Am J Cardiol 2003; 92(4B): 23K-29K 8 Gupta A et al.: Adverse events associated with unblinded, but not with blinded, statin therapy in the Anglo-Scandinavian Cardiac Outcomes Trial-lipid-lowering arm (ASCOT-LLA): a randomised double-blind placebo-controlled trial and its non-randomised non-blind extension phase. Lancet 2017; 389(10088): 2473-81 9 Rea F et al.: Cardiovascular outcomes and mortality associated with discontinuing statins in older patients receiving polypharmacy. JAMA Netw Open 2021; 4(6): e2113186
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