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LDL-Cholesterin – je niedriger, desto besser
Leading Opinions
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01.09.2016
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<p class="article-intro">Im Rahmen der «Hot News from Guidelines»-Session berichtet Prof. Dr. med. François Mach, Genf, einer der führenden europäischen Experten für kardiovaskuläre Prävention und Arteriosklerose, an der Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Kardiologie in Lausanne über Aktuelles aus dem Bereich der Dyslipidämie.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Alter und Dyslipidämie sind bekanntlich die beiden wichtigsten kardiovaskulären (CV) Risikofaktoren. Niemand weiss jedoch, welches der physiologische Normalwert für zirkulierendes LDL-Cholesterin (LDL-C) ist. «Streng genommen benötigen wir kein LDL-C in den Arterien. Also wahrscheinlich null. Aber das LDL-C muss selbstverständlich in die Zellen transportiert werden, die es benötigen», mutmasste Mach. Sicher ist aber, dass die Mittelwerte der Normalbevölkerung nicht als physiologische Normalwerte gelten können. Verglichen mit den Cholesterinwerten von Jägern und Sammlern, wilden Primaten und anderen Säugetieren sind die mittleren Cholesterinwerte der modernen westlichen Bevölkerung etwa doppelt so hoch.<sup>1</sup> Interessant ist auch die Tatsache, dass der Mensch die einzige Spezies ist, die ohne genetischen Defekt eine Arteriosklerose entwickeln kann. In den neuen ESC/EAS-Guidelines zum Management der Dyslipidämie, die Ende August 2016 veröffentlicht werden, sowie den neuen ESC-Guidelines zur kardiovaskulären Prävention in der klinischen Praxis<sup>3</sup> wird für Patienten mit sehr hohem CV Risiko als LDL-C-Ziel ein Wert <1,8mmol/l gefordert resp. eine Reduktion des LDL-C-Wertes um mindestens 50 % , falls der Ausgangswert zwischen 1,8 und 3,5mmol/l liegt (Tab. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Innere_1604_Weblinks_Seite72.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <div id="rot"> <p>«Wir haben gelernt: The lower, the better. Aber es gilt auch: The sooner, the better. Das LDL-C muss nicht nur so stark wie möglich, sondern auch so früh wie möglich gesenkt werden.» - F. Mach, Genf</p> </div> <h2>Reduktion des CV Risikos proportional zur LDL-C-Senkung</h2> <p>Anhand von zwei grossen Metaanalysen mit je ≥170 000 Teilnehmern zeigte die Cholesterol Treatment Trialists’ (CTT) Collaboration, dass das kardiovaskuläre Risiko direkt proportional zur Reduktion des LDL-C-Wertes abnimmt.<sup>4, 5</sup> Dies gilt für Frauen und Männer gleichermassen und ist unabhängig vom LDL-C-Ausgangswert. Demnach sinkt das Risiko für ein relevantes CV Ereignis pro 1mmol/l LDL-C-Reduktion um beachtliche 22 % (RR: 0,78 % ; 95 % CI: 0,76–0,80; p<0,0001).<sup>4</sup> Die Gesamtmortalität nimmt pro 1mmol/l LDL-C-Reduktion um 10 % ab (RR: 0,90; 95 % CI: 0,87–0,93; p<0,0001), die durch eine koronare Herzkrankheit bedingte Mortalität um 20 % (RR: 0,80; 99 % CI: 0,74–0,87; p<0,0001).<sup>4</sup> Eine möglichst intensive Cholesterinsenkung gehört deshalb zu den wichtigsten Zielen in der kardiovaskulären Prävention. In Tabelle 2 sind die von der ESC empfohlenen Massnahmen zusammengefasst. «Leider zeigt sich in der klinischen Praxis, dass ein Jahr nach einem akuten koronaren Ereignis (ACS) nur 35 % der Patienten LDL-C-Werte im empfohlenen Zielbereich haben und nur 57 % eine intensive lipidsenkende Therapie einhalten»<sup>6</sup>, sagte Mach. «Es bleibt also genügend Spielraum, um die Statindosis zu erhöhen und/oder Ezetimib dazuzugeben und bei Bedarf einen der neuen PCSK-9-Hemmer zu verschreiben.»</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Innere_1604_Weblinks_Seite73_2.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>PCSK-9-Hemmer sind potente Lipidsenker</h2> <p>Mit den PCSK-9-Hemmern sind die monoklonalen Antikörper auch in der Cholesterintherapie angekommen. Sie blockieren die Serinprotease PCSK9 (Proproteinkonvertase Subtilisin/Kexin Typ 9), welche die zelluläre Exprimierung der LDL-Rezep-toren reguliert. Durch die Hemmung von PCSK9 werden an der Oberfläche der Leberzellen mehr LDL-C-Rezeptoren exprimiert, was dazu führt, dass mehr LDL-C in die Leberzellen aufgenommen und dort abgebaut wird. Zurzeit sind in der Schweiz zwei Vertreter dieser Klasse auf dem Markt: Evolocumab (Repatha®, Amgen) und Alirocumab (Praluent®, Sanofi). Ein dritter PCSK-9-Hemmer (Bococizumab, Pfizer) ist in der Entwicklung schon weit fortgeschritten. <br /> Eine Metaanalyse von 24 randomisierten, kontrollierten Phase-II- und -III-Studien mit insgesamt mehr als 10 000 Patienten zeigte, dass der LDL-C-Spiegel mit einer PCSK-9-Behandlung im Durchschnitt um 47,5 % gesenkt werden konnte.<sup>7</sup> «HDL-Cholesterin wurde um durchschnittlich 6,3 % erhöht und Lipoprotein(a), von dem wir wissen, dass es das Risiko für Arteriosklerose und CV Ereignisse erhöht, wurde unter PCSK-9-Hemmern um mehr als 25 % reduziert. Das sind gute Neuigkeiten, da es sonst kein Medikament gibt, das dies kann», stellte Mach fest. In keiner dieser Studien wurde eine Zunahme von schweren Nebenwirkungen beobachtet. <br /> Wie sich die Behandlung mit PCSK-9-Hemmern auf das kardiovaskuläre Outcome auswirkt, ist noch unbekannt. «Wir warten deshalb alle sehr gespannt auf die Resultate der FOURIER-Studie<sup>8</sup>», so Mach. Diese randomisierte, placebokontrollierte, multinationale Doppelblindstudie prüft die Hypothese, wonach die Gabe von Evolocumab zu einer bestehenden Statintherapie bei Patienten mit klinisch manifester CV Erkrankung die Inzidenz von kardiovaskulären Ereignissen reduziert.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Innere_1604_Weblinks_Seite73_1.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>The lower, the better – but also the sooner, the better</h2> <p>Ähnlich wie beim Nikotin, wo wir den Begriff der «pack years» kennen, gibt es auch eine kumulative Wirkung von LDL-C, die in Gramm pro Jahr (g/year) angegeben werden könnte. Bei Patienten mit einer homozygoten familiären Hypercholesterinämie (FH), die bereits im Kindesalter sehr hohe LDL-C-Werte haben, kann schon im Alter von weniger als 15 Jahren ein Myokardinfarkt auftreten, bei unbehandelter heterozygoter FH tritt das erste koronare Ereignis ungefähr mit 35–40 Jahren auf. Je früher die lipidsenkende Therapie bei einem solchen Patienten beginnt, desto weiter kann der Zeitpunkt bis zum Erreichen der Ereignisschwelle hinausgeschoben werden (Abb. 1). «Daraus ergibt sich, dass der Zeitpunkt der klinischen Manifestation einer kardiovaskulären Erkrankung auch bei Menschen ohne FH bis ins hohe Alter hinausgezögert werden kann, wenn die Hyperlipidämie früh genug und adäquat behandelt wird. Das ist reine Mathematik. Was wir jedoch nicht wissen, ist, wie hoch das LDL-C g/year, das abhängig von anderen Risikofaktoren variiert, jedes Einzelnen ist», schloss Mach.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Innere_1604_Weblinks_Seite74.jpg" alt="" width="" height="" /></p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> O'Keefe JH Jr et al: Optimal low-density lipoprotein is 50 to 70 mg/dl: lower is better and physiologically normal. J Am Coll Cardiol 2004; 43: 2142-6 <br /><strong>2</strong> Reiner Z et al; ESC Committee for Practice Guidelines (CPG) 2008-2010 and 2010-2012 Committees: ESC/EAS Guidelines for the man-agement of dyslipidaemias: the Task Force for the man-agement of dyslipidaemias of the European Society of Cardiology (ESC) and the European Atherosclerosis Society (EAS). Eur Heart J 2011; 32: 1769-818 <br /><strong>3</strong> Piepoli MF et al; Authors/Task Force Members: 2016 European Guide- lines on cardiovascular disease prevention in clinical practice: the Sixth Joint Task Force of the European Society of Cardiology and Other Societies on Cardiovascular Disease Prevention in Clinical Practice (constituted by representatives of 10 societies and by invited experts): developed with the special contribution of the European Association for Cardiovascular Prevention & Rehabilitation (EACPR). Eur Heart J 2016 [epub ahead of print] <br /><strong>4</strong> Cholesterol Treatment Trialists’ (CTT) Collaboration; Baigent C et al: Efficacy and safety of more intensive lowering of LDL cholesterol: a meta-analysis of data from 170,000 participants in 26 randomised trials. Lancet 2010; 376: 1670-81<br /><strong>5</strong> Cholesterol Treatment Trialists’ (CTT) Collaboration; Fulcher J et al: Efficacy and safety of LDL-lowering therapy among men and women: meta-analysis of individual data from 174,000 participants in 27 randomised trials. Lancet 2015; 385: 1397-1405; N Engl J Med 2005; 352: 1425<br /><strong>6</strong> Gencer B et al: Expected impact of applying new 2013 AHA/ACC cholesterol guidelines criteria on the recommended lipid target achievement after acute coronary syndromes. Atherosclerosis 2015; 239: 118-24 <br /><strong>7</strong> Navarese EP et al: Effects of proprotein convertase subtilisin/kexin type 9 antibodies in adults with hypercholesterolemia: a systematic review and meta-analysis. Ann Intern Med 2015; 163: 40-51 <br /><strong>8</strong> Sabatine MS et al: Rationale and design of the Further cardiovascular OUtcomes Research with PCSK9 Inhibition in subjects with Elevated Risk trial. Am Heart J 2016; 173: 94-101 <br /><strong>9</strong> Nanchen D et al: Prevalence and management of familial hypercholesterolaemia in patients with acute coronary syndromes. Eur Heart J 2015; 36: 2438-45 <br /><strong>10</strong> Nordestgaard BG et al; European Atherosclerosis Society Consensus Panel: Familial hypercholesterolaemia is underdiagnosed and undertreated in the general population: guidance for clinicians to prevent coronary heart disease: consensus statement of the European Atherosclerosis Society. Eur Heart J 2013; 34: 3478-90a</p>
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