
Kombiniertes Vorgehen und Hybrideingriffe bei CTEPH
Autoren:
Priv.-Doz. Dr. Christoph B. Wiedenroth
Priv.-Doz. Dr. Stefan Guth
Abteilung für ThoraxchirurgieKerckhoff-Klinik, Bad Nauheim
E-Mail: c.wiedenroth@kerckhoff-klinik.de
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Die chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH) ist mit einer schlechten Prognose assoziiert. Aktuell stehen die pulmonale Endarteriektomie (PEA) zur Desobliteration der Lungenstrombahn, die pulmonale Ballonangioplastie (BPA) sowie medikamentöse Therapien zur Behandlung zur Verfügung. Dabei können die verschiedenen Modalitäten miteinander kombiniert werden.
Keypoints
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Trotz Komplexität des Eingriffs der PEA liegt die Mortalitätsrate heute nur in etwa bei 2% in erfahrenen Zentren.
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Ist eine zu peripher gelegene Endstrombahn betroffen, können CTEPH-Patienten mit PEA nicht versorgt werden.
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Bei subsegmental gelegenen Läsionen kommt die BPA in Betracht.
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Für inoperable bzw. rezidivierende PH-Patienten stehen heute Riociguat und Treprostinil zur Verfügung – zum präoperativen Einsatz fehlt aktuell noch Evidenz.
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Bei inoperablen Patienten kann die medikamentöse Therapie mit der BPA kombiniert werden.
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Bei hochselektionierten Patienten kann die intraoperative, zusätzliche BPA (im Rahmen der PEA) sinnvoll sein.
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CTEPH Patienten sollten in entsprechend erfahrenen Expertenzentren behandelt werden.
Die chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH) ist eine schwerwiegende Erkrankung und betrifft etwa 4% aller Patienten, die eine akute Lungenembolie überstehen.1–3 Bei diesen Patienten bleibt eine vollständige Resolution des thrombotischen Materials aus und es kommt zu einem fibrotischen Umbau.4 Die persistierenden Pulmonalarterienobstruktionen führen zur Ausbildung einer pulmonalen Hypertonie (PH) mit konsekutiver Rechtsherzbelastung.1 Erschwerend kann sich im weiteren Verlauf infolge von Hyperperfusion und „shearstress“ in den noch perfundierten Lungenarealen eine sekundäre Mikrovaskulopathie entwickeln. Unbehandelt führt die Erkrankung zu progredientem Rechtsherzversagen mit sekundärem Multiorganversagen und hat insgesamt eine schlechte Prognose.5,6
Pulmonale Endarteriektomie (PEA)
Grundziel der Behandlung der CTEPH ist die Desobliteration der pulmonalen Strombahn zur Senkung der rechtsventrikulären Nachlast und zur Wiederherstellung der pulmonalen Parenchymperfusion. Schon seit mehreren Jahrzehnten ist die Therapie der Wahl die chirurgische pulmonale Endarteriektomie (PEA).7–10 Dabei wird das lumenwärts gelegene narbige Material durch Ablösen der Intima von der Lungenarterienwand getrennt und durch Präparation beginnend in der zentralen Pulmonalarterie und schließlich reichend bis in die Peripherie beider Lungen vollständig entfernt. Voraussetzung hierzu sind blutleere Pulmonalarterien. Somit wird der Eingriff unter Einsatz der Herz-Lungen-Maschine vorgenommen. Die PEA selbst wird in mehreren Phasen von Kreislaufstillstand bei profunder Hypothermie (Körperkerntemperatur 18°C) durchgeführt.11 Trotz der Komplexität der Operation erreichen Expertenzentren heutzutage Mortalitätsraten von etwa 2%12 bei hervorragenden Langzeitergebnissen.13
Internationale Registerdaten belegen, dass etwa zwei Drittel aller CTEPH-Patienten chirurgisch versorgt werden können.14,15 Hauptgrund für Inoperabilität ist eine zu peripher gelegene Lokalisation der zugrundeliegenden pulmonalarteriellen Läsionen, sodass eine chirurgische Erreichbarkeit nicht gegeben ist.
Riociguat, Treprostinil
Für inoperable Patienten stehen mittlerweile zwei Substanzen zur gezielten medikamentösen Therapie zur Verfügung: Riociguat, ein Stimulator der löslichen Guanylatzyklase,16 sowie subkutan appliziertes Treprostinil.17 Rationale der medikamentösen Therapie ist die Beeinflussung der Mikrovaskulopathie.
Pulmonale Ballonangioplastie (BPA)
Als dritte Modalität wurde in den vergangenen Jahren die interventionelle pulmonale Ballonangioplastie (BPA) etabliert.18–20 Hierbei werden die subsegmental gelegenen Läsionen mittels Ballondilatation behandelt. Dies führt zu einer Besserung der Perfusion des nachgeschalteten Lungengewebes und reduziert die rechtsventrikuläre Nachlast. In den vergangenen Jahren hielt das Verfahren Einzug in zahlreiche westliche Nationen.21–24 Die Effektivität der BPA im Hinblick auf die pulmonale Hämodynamik und die körperliche Belastbarkeit ist verglichen mit der medikamentösen Therapie ausgeprägter.25 Üblicherweise werden bei inoperabler CTEPH die gezielte medikamentöse Therapie und die BPA kombiniert. Dabei geschieht die Behandlung von CTEPH-Patienten in entsprechend erfahrenen Zentren und folgt dem Beschluss einer multidisziplinären CTEPH-Konferenz.7,9
Kombination PEA und BPA
Bei einzelnen Patienten kann die Entscheidungsfindung erschwert sein. Finden sich einseitig chirurgisch sanierbare Läsionen, jedoch auf der Gegenseite überwiegend periphere Veränderungen und besteht eine schwere PH, so kann ein kombiniertes Vorgehen mit PEA bei gleichzeitiger Möglichkeit zur BPA erwogen werden. Die Rationale erklärt sich aus dem Umstand, dass auch in Fällen, die entsprechend der Bildgebung als schwer bzw. grenzwertig operabel eingestuft wurden, oftmals doch eine ausreichend stabile Endarteriektomieschicht in den zentralen Lungenarterien etabliert werden kann, sodass eine vollständige Desobliteration auch distal gelegener Läsionen erreicht wird. Gelingt die Entfernung des obstruierenden Materials nicht vollumfänglich, so ist mit einem gewissen Grad an residueller PH zu rechnen. Dies ist von besonderer Bedeutung, da die Letalität mit dem postoperativen pulmonalvaskulären Widerstand (PVR) korreliert.26 So bedeutet ein direkt postoperativer PVR >6,25 WE (Wood-Einheiten) eine Mortalitätsrate von 30,6% (anstelle von 0,9% bei Werten darunter).27 Die Option zur intraoperativen BPA stellt somit ein Rettungsmanöver zur Senkung der rechtsventrikulären Nachlast bei Unmöglichkeit der vollständigen chirurgischen Desobliteration der Lungenstrombahn dar. Die ersten dieserart versorgten Patienten wurden bereits 2016 publiziert. Dabei erfolgte die BPA an laufender Herz-Lungen-Maschine während der Aufwärmphase nach der Endarteriektomie.28
Hybrideingriffe & -behandlung
Im Rahmen der letzten internationalen CTEPH-Konferenz in Bad Nauheim (Deutschland)im Dezember 2021 wurden die Ergebnisse der zwischen März 2014 und Dezember 2021 für einen solchen Hybrideingriff avisierten Patienten vorgestellt: Er wurde für insgesamt 17 Patienten geplant, wobei die Kombination PEA und BPA nur bei 7 Patienten notwendig wurde. Bei 10 Patienten war eine vollständige chirurgische Desobliteration möglich. Die perioperative Mortalität in dieser hochselektionierten (und schwerkranken) Patientengruppe lag bei 5,9%.
Neben dieser speziellen Kombination kommt die Verknüpfung der beiden mechanischen Therapiemodalitäten im längerfristigen Verlauf bei Patienten mit residueller oder rezidivierender PH nach stattgehabter PEA in Betracht.29–31 Zur Entscheidungsfindung sollte die Ursache für diesen Zustand bedacht werden: Einerseits sollte das Antikoagulationskonzept hinterfragt und andererseits eine möglicherweise begleitende Mikrovaskulopathie gezielt medikamentös behandelt werden. Kommt eine erneute chirurgische Versorgung nicht infrage, kann bei Vorhandensein entsprechender Zielgebiete die BPA erfolgen.
Zuletzt ist der multimodale Ansatz mit gezielt medikamentöser Therapie zu diskutieren. Indiziert sind obengenannte Substanzen bei gesicherter Inoperabilität sowie bei residueller bzw. rezidivierender PH nach PEA. Ein präoperativer Einsatz ist aufgrund mangelnder Evidenz und Fehlens einer zugelassenen Substanz kritisch zu sehen. Hinsichtlich einer präinterventionellen Gabe finden sich in den bisher nur ausschnittsweise veröffentlichten Daten einer randomisiert-kontrollierten Studie zum Vergleich von Riociguat und BPA bei inoperablen Patienten (ClinicalTrials.gov Identifier: NCT02634203) Hinweise auf eine geringere Komplikationsrate bei der BPA nach medikamentöser Vorbehandlung.
Conclusio
Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass die CTEPH bei den meisten Patienten chirurgisch saniert werden kann. Dabei bestehen für inoperable Patienten mittlerweile etablierte medikamentöse und interventionelle Behandlungsoptionen. Die drei Modalitäten PEA, BPA und Medikation lassen sich im Sinne individualisierter Therapieansätze miteinander kombinieren, jedoch ist die Evidenz für viele dieser Kombinationen noch gering. Eine Behandlung im Expertenzentrum ist damit Grundvoraussetzung für die optimale Versorgung von Patienten mit CTEPH. Darüber hinaus ist eine langfristige Betreuung notwendig, um eine Adaptation des Therapieregimes im Bedarfsfall zu ermöglichen.
Literatur:
1 Pengo V et al.: Incidence of chronic thromboembolic pulmonary hypertension after pulmonary embolism. N Engl J Med 2004; 350(22): 2257-64 2 Klok FA et al.: Prospective cardiopulmonary screening program to detect chronic thromboembolic pulmonary hypertension in patients after acute pulmonary embolism. Haematologica 2010; 95(6): 970-5 3 Ende-Verhaar YM et al.: Incidence of chronic thromboembolic pulmonary hypertension after acute pulmonary embolism: a contemporary view of the published literature. Eur Respir J 2017; 49(2): 1601792 4 Bochenek ML et al.: From thrombosis to fibrosis in chronic thromboembolic pulmonary hypertension. Thromb Haemost 2017; 117(4): 769-83 5 Lang IM et al.: Risk factors and basic mechanisms of chronic thromboembolic pulmonary hypertension: a current understanding. Eur Respir J 2013; 41(2): 462-8 6 Riedel M et al.: Longterm follow-up of patients with pulmonary thromboembolism. Late prognosis and evolution of hemodynamic and respiratory data. Chest 1982; 81(2): 151-8 7 Galiè N et al.: 2015 ESC/ERS guidelines for the diagnosis and treatment of pulmonary hypertension: the Joint Task Force for the Diagnosis and Treatment of Pulmonary Hypertension of the European Society of Cardiology (ESC) and the European Respiratory Society (ERS): endorsed by: Association for European Paediatric and Congenital Cardiology (AEPC), International Society for Heart and Lung Transplantation (ISHLT). Eur Heart J 2016; 37(1): 67-119 8 Wilkens H et al.: Chronic thromboembolic pulmonary hypertension (CTEPH): updated recommendations from the Cologne Consensus Conference 2018. Int J Cardiol 2018; 272S: 69-78 9 Kim NH et al.: Chronic thromboembolic pulmonary hypertension. Eur Respir J 2019; 53(1): 1801915 10 de Perrot M et al.: Evaluation and management of patients with chronic thromboembolic pulmonary hypertension - consensus statement from the ISHLT. J Heart Lung Transplant 2021; 40(11): 1301-26 11 Thistlethwaite PA et al.: Technique and outcomes of pulmonary endarterectomy surgery. Ann Thorac Cardiovasc Surg 2008; 14(5): 274-82 12 Lankeit M et al.: Pulmonary endarterectomy in chronic thromboembolic pulmonary hypertension. J Heart Lung Transplant 2017; 37(2): 250-8 13 Delcroix M et al.: Long-term outcome of patients with chronic thromboembolic pulmonary hypertension: results from an international prospective registry. Circulation 2016; 133(9): 859-71 14 Pepke-Zaba J et al.: Chronic thromboembolic pulmonary hypertension (CTEPH): results from an international prospective registry. Circulation 2011; 124(18): 1973-81 15 Guth S et al.: Current strategies for managing chronic thromboembolic pulmonary hypertension: results of the worldwide prospective CTEPH registry. ERJ Open Res 2021; 7(3): 00850-2020 16 Ghofrani HA et al.: Riociguat for the treatment of chronic thromboembolic pulmonary hypertension. 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Pulm Circ 2018; 8:2045894018783996 26 Mayer E et al.: Surgical management and outcome of patients with chronic thromboembolic pulmonary hypertension: results from an international prospective registry. J Thorac Cardiovasc Surg 2011; 141(3): 702-10 27 Jamieson SW et al.: Pulmonary endarterectomy: experience and lessons learned in 1500 cases. Ann Thorac Surg 2003; 76(5): 1457-62 28 Wiedenroth CB et al.: Combined pulmonary endarterectomy and balloon pulmonary angioplasty in patients with chronic thromboembolic pulmonary hypertension. J Heart Lung Transplant 2016; 35(5): 591-6 29 Araszkiewicz A et al.: Balloon pulmonary angioplasty for the treatment of residual or recurrent pulmonary hypertension after pulmonary endarterectomy. Int J Cardiol 2019; 278: 232-7 30 Shimura N et al.: Additional percutaneous transluminal pulmonary angioplasty for residual or recurrent pulmonary hypertension after pulmonary endarterectomy. 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