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S3-Leitlinie „Infarktbedingter kardiogener Schock – Diagnose, Monitoring und Therapie“

Kardiogener Schock – was sagt die Leitlinie?

Mit der deutsch-österreichischen Leitlinie „Infarktbedingter kardiogener Schock“ liegt ein aktuell überarbeitetes, umfassendes, 366 Seiten starkes Elaborat vor, das sich ausschließlich und spezifisch diesem Thema widmet.1Es können im Rahmen dieses Beitrags nur die wichtigsten Pfeiler der Therapie des kardiogenen Schocks aus der Leitlinie wiedergegeben werden. Die Auswahl muss naturgemäß subjektiv bleiben.

Keypoints

  • Die First-Line-Stabilisierung bei kardiogenem Schock erfolgt mit Noradrenalin; Adrenalin sollte nicht eingesetzt werden.

  • Eine rasche Revaskularisation ist lebensrettend.

  • Im kardiogenen Schock sollten nur „culprit lesions“ behandelt werden.

  • Vor jeder Koronarintervention soll eine Echokardiografie durchgeführt werden.

  • Studien zu perkutanen Unterstützungssystemen sind im Laufen

Die Leitlinie entstand unter der Federführung von Prof. Dr. Karl Werdan, Halle-Wittenberg, sämtliche deutsche und österreichische kardiologische und intensivmedizinische Gesellschaften waren daran beteiligt.

Medikamentöse First-Line-Stabilisierung mit Noradrenalin

Die Begründung dafür kommt u.a. aus der SOAP-Studie,2 einer nicht randomisierten Studie, die Noradrenalin und Dopamin in der Behandlung des Schocks verglichen hat. Dabei hat die Untergruppe der kardiogen Schockierten signifikant besser abgeschnitten. Auch der körpereigene Kompensationsmechanismus im kardiogenen Schock führt zunächst zu einer Vasokonstriktion und Zentralisierung (Noradrenalin ist ein vorwiegend vasokonstriktorisches Katecholamin).3,4 Ebenso haben Patienten, die eine sogenannte nichthypotensive Verlaufsform des kardiogenen Schocks aufweisen, also durch Vasokonstriktion ihren Blutdruck noch aufrechterhalten können (im Schockregister waren das 4,9% der Patienten), auch bessere Überlebensraten (66% vs. 43% im Schockregister).5

Kein Adrenalin bei kardiogenem Schock!

Adrenalin soll bei kardiogenem Schock nicht eingesetzt werden. Der Grund liegt im physiologisch begründeten höheren Druck-Frequenzprodukt und in der wesentlich höheren Rate an therapierefraktärem kardiogenem Schock (37% vs. 7% mit Noradrenalin), die man sich mit Adrenalin einhandelt.6 Dabei ist festzuhalten, dass die zugrundeliegende Studie von Levy B et al. realiter Dobutamin plus Noradrenalin vs. Adrenalin plus Dobutamin verglichen hat, da auch in der Adrenalingruppe 67% der Patienten Dobutamin erhielten.6

Inotrope Medikamente Dobutamin und Levosimendan

Als inotrope Medikamente kommen Dobutamin und in zweiter Linie Levosimendan zum Einsatz. Bei therapierefraktärem Schock soll Levosimendan gegenüber den Phosphodiesterasehemmern bevorzugt eingesetzt werden.

Rasche Revaskularisation

Die entscheidende lebensrettende Maßnahme ist die möglichst rasche Revaskularisation. Die Begründung dafür kommt natürlich aus der bekannten multizentrischen und randomisierten SHOCK-Studie unter der Leitung von Judith Hochman.7 Dies ist seit Erscheinen der Studie im Jahr 1999 Standard of Care.

Nur schuldiges Koronargefäß(„culprit lesion“) behandeln

Es soll im infarktbedingten kardiogenen Schock nur die schuldige Läsion im Katheterlabor behandelt werden. Begründung ist die im Jahr 2017 erschienene randomisierte CULPRIT-Studie,die eindeutig gezeigt hat, dass eine „Culprit only“-Strategie signifikant bessere Überlebensraten erzielt.8 Dabei waren sowohl der kombinierte Endpunkt als auch das reine Überleben in der „Culprit only“-Gruppe signifikant besser.

Vor Koronarintervention Echokardiografie durchführen

Vor der Koronarintervention sollte in jedem Falle eine Echokardiografie durchgeführt werden (möglichst bald nach der Aufnahme). Die Begründung ist, dass im Falle mechanischer Infarktkomplikationen als Ursache des Schocks eine PCI nicht angezeigt ist. Die PCI soll sich durch die Echokardiografie nicht verzögern.

Mechanische Infarktkomplikationen rasch operieren

Mechanische Infarktkomplikationen sollen einer raschen Operation zugeführt werden. Hierbei ist der Empfehlungsgrad für die Papillarmuskelruptur höher als für die Ventrikelseptumruptur (VSR). Der Grund liegt in der besseren Prognose und der einfacheren Chirurgie der Papillarmuskelruptur. Die VSR hat, auch operiert, eine schlechte Prognose (im Schockregister 87,3% Mortalität)9 und die Operation ist technisch schwierig und geht über die normale Erwachsenenherzchirurgie hinaus. Daher ist die rasche, dringliche Operation schockierter Infarkt-VSR-Patienten zwar seit Langem in den Leitlinien, während es in der Praxis hingegen schwierig ist, einen Chirurgen für die Operation zu diesem Zeitpunkt zu gewinnen.

Keine Empfehlung mehr für intraaortale Ballonpumpe(IABP)

Für die IABP gibt es keine Empfehlung mehr. Auch bei mechanischen Infarktkomplikationen wurde nur mehr ein „kann eingesetzt werden“ konsentiert. Die Begründung liegt natürlich in der randomisierten IABP-Shock-II-Studie, in der die IABP zusätzlich zur PCI im infarktbedingten kardiogenen Schock keinen Überlebensvorteil brachte.10

Empfehlungsgrad für temporäre, perkutane Unterstützungssysteme

Für die neueren, viel potenteren perkutanen Unterstützungssysteme (ECMO, Impella) gibt es nur eine „Kann gemacht werden“-Empfehlung. Die Begründung ist, dass es bis dato keine randomisierte Studie oder Metaanalyse gibt, die für die potenteren neuen Systeme einen Überlebensvorteil gezeigt hätte.11–13 Einige randomisierte Studien zum Einsatz von Unterstützungssystemen sind im Laufen: ECLS-SHOCK, DanShock, EUROSHOCK. An dieser Stelle möchte ich nicht so verstanden werden, dass diese Systeme nicht eingesetzt werden sollen oder nichts bringen!Die Prognose mit solchen temporären Unterstützungssystemen hängt im Wesentlichen davon ab, welche Therapien, also z.B. Chirurgie von Infarktkomplikationen, LVAD (implantiertes, ambulantes Herzunterstützungssystem) oder Herztransplantation, man danach anbieten kann.14 Eine Erholung ist nicht so häufig, kann aber etwa bei Influenzamyokarditis oder anderen Myokarditiden erwartet werden.

1 Werdan K et al.: Deutsch-österreichische S3-Leitlinie „Infarktbedingter kardiogener Schock - Diagnose, Monitoring und Therapie“. https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/019-013.html 2 De Backer D et al.: Comparison of dopamine and norepinephrine in the treatment of shock. N Engl J Med 2010; 362(9): 779-89 3 Freis ED et al.: Hemodynamic alterations in acute myocardial infarction. I. Cardiac output, mean arterial pressure, total peripheral resistance, central and total blood volumes, venous pressure and average circulation time. J Clin Invest 1952; 31(2): 131-40 4 Bailey RW et al.: Pathogenesis of nonocclusive ischemic colitis. Ann Surg 1986; 203: 590-9 5 Menon V et al.: Acute myocardial infarction complicated by systemic hypoperfusion without hypotension: report of the SHOCK trial registry. Am J Med 2000; 108: 374-80 6 Levy B et al.: Epinephrine versus norepinephrine for cardiogenic shock after acute myocardial infarction. J Am Coll Cardiol 2018; 72(2): 173-82 7 Hochman JS et al.: Early revascularization in acute myocardial infarction complicated by cardiogenic shock. SHOCK investigators. Should we emergently revascularize occluded coronaries for cardiogenic shock. N Engl J Med 1999; 341: 625-34 8 Thiele H et al.: PCI strategies in patients with acute myocardial infarction and cardiogenic shock. N Engl J Med 2017; 377: 2419-32 9 Hochman JS et al.: Cardiogenic shock complicating acute myocardial infarction--etiologies, management and outcome: a report from the SHOCK trial registry. Should we emergently revascularize occluded coronaries for cardiogenic shocK? J Am Coll Cardiol 2000; 36(3 Suppl A): 1063-70 10 Thiele H et al.: Intraaortic balloon support for myocardial infarction with cardiogenic shock. N Engl J Med 2012; 367(14): 1287-96 11 Cheng JM et al.: Percutaneous left ventricular assist devices vs. intra-aortic balloon pump counterpulsation for treatment of cardiogenic shock: a meta-analysis of controlled trials. Eur Heart J 2009; 30(17): 2102-8 12 Schrage B et al.: Impella support for acute myocardial infarction complicated by cardiogenic shock. Circulation 2019; 139(10): 1249-58 13 Ouweneel DM et al.: Percutaneous mechanical circulatory support versus intra-aortic balloon pump in cardiogenic shock after acute myocardial infarction. J Am Coll Cardiol 2017; 69(3): 278-87 14 Kar B et al.: The percutaneous ventricular assist device in severe refractory cardiogenic shock. J Am Coll Cardiol 2011; 57(6): 688-96

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