
Initiale Diagnostik und Therapie der akuten Herzinsuffizienz
Autoren:
Fatima Aliyeva1
Androniki Papachristou1
Prof. Dr. med. John Parissis2
Prof. Dr. med. Christian Müller1
1 Kardiologie und Cardiovascular Research Institute Basel (CRIB), Universitätsspital Basel, Universität Basel
2 Department of Cardiology, Attikon University Hospital Athens, Greece
Korrespondenz:
Prof. Dr. med. Christian Müller
E-Mail: christian.mueller@usb.ch
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Die akute Herzinsuffizienz (AHF) ist eine der häufigsten Aufnahmediagnosen und ist leider weiterhin mit einer inakzeptabel hohen Mortalität und Morbidität verbunden.1 Schnelles Erkennen und gezieltere Therapie auf der Notfallstation sind essenziell und können zu einem besseren Outcome beitragen.2 Ziel dieser Übersicht ist es, anhand eines konkreten Patientenfalls die Prinzipien der Frühdiagnostik und der initialen Therapie der AHF aufzuzeigen.
Fallpräsentation
Anamnese und initiale Befunde
Eine 67-jährige Frau stellte sich in der Notaufnahme vor und klagte über eine abrupt aufgetretene Dyspnoe innerhalb der letzten drei Stunden.
Die Patientin wies eine Vorgeschichte mit einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) bei langjährigem Nikotinabusus sowie einer chronischen Herzinsuffizienz (linksventrikuläre Ejektionsfraktion [LVEF] 45%) bei koronarer (perkutane Koronarintervention vor 5 Jahren) und hypertensiver Herzkrankheit auf. Sie gab an, die folgenden Medikamente regelmässig einzunehmen: Aspirin 100mg einmal täglich, Valsartan/Hydrochlorothiazid 160mg/12,5mg einmal täglich, Bisoprolol 2,5mg zweimal täglich, Inhalation von Beclomethason/Formoterol zweimal täglich.
Die körperliche Untersuchung bei der Aufnahme ergab Folgendes:
A – Airway: Als erster Schritt zum Ausschluss alternativer Ursachen der Dyspnoe wurde die Beurteilung der Atemwege der Patientin durchgeführt, die keine Obstruktion ergab.
B – Breathing: Die pulmonale Untersuchung ergab endinspiratorische Rasselgeräusche und ein exspiratorisches Giemen, die Atemfrequenz lag bei 29 Atemzügen pro Minute. Die Sauerstoffsättigung betrug 85%. Die arterielle Blutgasanalyse ergab folgende Werte: pH 7,110, PCO2 76,6mmHg, PO2 65,8mmHg, HCO3 23,8mmol/l.
C – Circulation: Der initiale arterielle Blutdruck bei Aufnahme betrug 197/116mmHg, die kapilläre Wiederauffüllzeit <3sec. Im Standard-12-Kanal-EKG zeigte sich ein Vorhofflimmern mit einer Kammerfrequenz von 156 Schlägen pro Minute ohne typische Ischämiezeichen.
D – Disability: Zur Bestimmung des Bewusstseinszustandes der Patientin wurde die Glasgow Coma Scale (GCS) verwendet, der Wert betrug 15/15. Der Blutzuckerspiegel lag bei 97mg/dl.
E – Exposition: Die Patientin wies bilaterale Ödeme der unteren Extremitäten auf. Die Körpertemperatur betrug 37°C.
Erste Beurteilung
Gemäss den Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC)3 erfolgen in den ersten Minuten der Beurteilung zwei Überlegungen parallel:
-
Hat die Patientin eine AHF?
-
Wie schwer ist die AHF? Sind therapeutische Sofortmassnahmen nötig?
Aufgrund der Kombination aus Atemnot als Leitsymptom, einer chronischen Herzinsuffizienz in der Anamnese sowie spezifischer Herzinsuffizienzzeichen in der klinischen Untersuchung (Rasselgeräusche, Beinödeme) war die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer AHF als Hauptursache der Atemnot sehr hoch.
Erstversorgung
Die Erstversorgung von Patienten mit Verdacht auf AHF erfolgt in zwei Phasen nach dem ersten medizinischen Kontakt (Abb. 1).
Abb. 1: Erstbeurteilung von Patienten mit Verdacht auf akute Herzinsuffizienz (AHF): Wenn ein kardiogener Schock oder eine respiratorische Insuffizienz vorliegen, sind sofortige therapeutische Massnahmen nötig (adaptiert nach Njoroge und Teerlink)1
Die Patientin hatte keinerlei Hinweise auf einen kardiogenen Schock, aber eine akute respiratorische Insuffizienz (Sauerstoffsättigung <90%, pCO2 erhöht). Entsprechend ergab sich die Indikation zur nicht invasiven Überdruckbeatmung (CPAP, BiPAP). Je nach lokaler Logistik kann dies direkt auf der Notfallstation durchgeführt werden oder es bedarf einer Verlegung auf die Intensivstation/Coronary Care Unit. Die Betreuung der Patientin durch im Umgang mit CPAP/BiPAP gut geschulte und motivierte Pflegefachleute ist wesentlich für den Erfolg der nicht invasiven Beatmung.
Laborbefunde
Inzwischen waren auch die für die Initialbeurteilung wichtigen Laborwerte verfügbar (Tab. 1).
Gemäß den ESC-Leitlinien wird bei allen Patienten mit Verdacht auf AHF eine Messung der natriuretischen Peptide (BNP, NT-proBNP oder MR-proANP) empfohlen, um die Differenzierung zwischen einer AHF und nicht kardialen Ursachen der akuten Dyspnoe zu ermöglichen. Das NT-proBNP war mit 2600ng/l deutlich erhöht, was den hochgradigen klinischen Verdacht auf eine AHF bestätigt. Das hochsensitive kardiale Troponin T war mit 47ng/l leicht erhöht, gut passend zu einer AHF, und nicht als sicherer Hinweis auf eine koronare Ursache zu werten.
Die Entzündungsmarker waren im Normalbereich, sodass sich auch laborchemisch keine Hinweise auf einen systemischen Infekt ergaben.
Weitere Untersuchungen
Die nächste zu beantwortende Frage lautete: Was war der Trigger der AHF?
Die schnelle Identifizierung der Trigger der AHF ist essenziell, da dies oft eine kausale Therapie ermöglicht. Häufige Trigger der AHF sind durch das Akronym CHAMP zusammengefasst: akutes Koronarsyndrom, Hypertonie-Notfall, Arrhythmie, akute mechanische Ursache und Lungenembolie.
Da bei unserer Patientin weder die typische klinische Präsentation eines akuten Koronarsyndroms noch Ischämiezeichen im EKG vorlagen, war bei nur leicht erhöhtem hs-cTnT ein akuter Myokardinfarkt als Trigger der AHF sehr unwahrscheinlich. Mit den deutlich erhöhten Blutdruckwerten und der Tachyarrhythmie fanden sich gleich zwei sehr plausible Trigger für die AHF.
Ergänzend wurde bei dieser Patientin noch eine fokussierte Ultraschalluntersuchung der Lunge und der unteren Hohlvene durchgeführt, die einen Pleuraerguss rechts, Zeichen einer pulmonalvenösen Stauung (B-Linien) sowie eine dilatierte kaum atemvariable Vena cava inferior zeigte und damit die Diagnose AHF weiter sicherte.
Diagnose
Akute Herzinsuffizienz bei entgleister Hypertonie und Vorhofflimmern sowie anamnestisch bekannter chronischer Herzinsuffizienz mit mäßiggradig eingeschränkter Auswurffraktion (HFmrEF).
Die medikamentöse Behandlung
Schleifendiuretika sind ein Eckpfeiler in der Behandlung aller Patienten mit AHF. Als initiale Dosierung sind fast immer 40mg Furosemid i.v. sinnvoll. Aufgrund der ausgeprägten Hypertonie war bei dieser Patientin zusätzlich die Gabe von Nitroglycerin i.v. angezeigt.
Die Tachyarrhythmie war das zweite Therapieziel. Da die Patientin bisher nicht antikoaguliert war und die genaue Dauer des Vorhofflimmerns unklar war, wäre eine direkte Elektrokonversion mit einem zumindest moderaten Risiko für eine Thromboembolie verbunden gewesen. Dies müsste im Fall einer hämodynamischen Instabilität, sprich einem kardiogenen Schock, in Kauf genommen werden. Da unsere Patientin aber hämodynamisch stabil und sogar hypertensiv war, war neben der sofortigen Antikoagulation mit Heparin i.v. die Indikation zur primären Frequenzkontrolle gegeben.
Zur akuten Kontrolle der Herzfrequenz bei Patienten mit Vorhofflimmern sind Betablocker und Digoxin die Erstlinientherapien. Bei dieser Patientin mit hohen Blutdruckwerten konnte durch die repetitive Gabe von Betablockern schnell eine adäquate Frequenzkontrolle (<110/min) erreicht werden. Vor allem bei Patienten mit eher niedrigem Blutdruck, welche oft nur eine sehr niedrige Betablockerdosierung vertragen, ist es sinnvoll, diese mit einer adäquaten Anfangsdosis von 2x 0,5mg Digoxin i.v. zu kombinieren.
Monitoring
Es ist wichtig, den klinischen Zustand der Patienten in den 2 bis 4 Stunden nach Beginn der Behandlung sorgfältig zu überwachen. Die Überwachung sollte die Standardüberwachung der Herzfrequenz, des Rhythmus, der Atemfrequenz, der Sauerstoffsättigung und des Blutdrucks sowie die Bewertung von HF-relevanten Zeichen und Symptomen umfassen.
Bei unserer Patientin führte die Kombination von BiPAP mit Sauerstoff, Furosemid, Nitroglycerin und i.v. Betablocker zu einer schnellen Besserung der Atemnot, zu einem Anstieg der Sauerstoffsättigung, einer Abnahme der Atem- und Herzfrequenz sowie des Blutdrucks, sodass eine Verlegung auf die kardiologische Normalstation möglich war.
Schlussfolgerungen
Dieser Fall zeigt, wie wichtig eine rechtzeitige Diagnose, die Identifizierung der auslösenden Faktoren und die richtige Wahl der Initialtherapie für das Management und die Prognose der AHF sind. Die Behandlung von Patienten mit AHF, die auf das Management der auslösenden Faktoren und des phänotypischen Profils abzielt, hat sich als wirksam erwiesen und verhindert eine weitere Verschlechterung des Zustands bei Patienten mit AHF. Nach der initialen Stabilisierung erfolgt die weitere medikamentöse Therapie mit den Therapiebausteinen, welche für den vorliegenden Herzinsuffizienz-Phänotyp in den entsprechenden großen Outcome-Studien ihren Nutzen erwiesen haben. Für Patienten mit mäßiggradig reduzierter LVEF (<49%) sind dies Betablocker, ACE-Hemmer resp. Valsartan/Sacubitril, Aldosteronantagonisten und SGLT2-Inhibitoren.
Literatur:
1 Njoroge JN, Teerlink JR: Pathophysiology and therapeutic approaches to acute decompensated heart failure. Circ Res 2021: 128: 1468-86 2 Girerd N et al.: Integrative assessment of congestion in heart failure throughout the patient journey. JACC Heart Fail 2018; 6: 273-85 3 Ponikowski P et al.: 2016 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure: The Task Force for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure of the European Society of Cardiology (ESC) Developed with the special contribution of the Heart Failure Association (HFA) of the ESC. Eur Heart J 2016; 37: 2129-200
Das könnte Sie auch interessieren:
ESC-Guideline zur Behandlung von Herzvitien bei Erwachsenen
Kinder, die mit kongenitalen Herzvitien geboren werden, erreichen mittlerweile zu mehr 90% das Erwachsenenalter. Mit dem Update ihrer Leitlinie zum Management kongenitaler Vitien bei ...
ESC gibt umfassende Empfehlung für den Sport
Seit wenigen Tagen ist die erste Leitlinie der ESC zu den Themen Sportkardiologie und Training für Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen verfügbar. Sie empfiehlt Training für ...
Labormedizinische Fallstricke bei kardialen Markern
Bei Schädigung oder Stress des Herzmuskels werden kardiale Marker in den Blutkreislauf freigesetzt. Ihre labormedizinische Bestimmung spielt eine Schlüsselrolle in der Diagnostik, ...