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Hyperkaliämie bei HI-Patienten erfolgreich behandeln
Jatros
Autor:
Dr. Andreas Winter
Interne Abteilung<br> Ordensklinikum der Barmherzigen Schwestern, Linz<br> E-Mail: andreas.winter@ordensklinikum.at
30
Min. Lesezeit
28.02.2019
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<p class="article-intro">Der folgende Fall handelt von einem Patienten mit Hyperkaliämie und symptomatischer Herzinsuffizienz bei einer bekannten ischämischen Kardiomyopathie, dem wir an unserer Abteilung am Ordensklinikum der Barmherzigen Schwestern Linz durch die Gabe von Patiromer ermöglichen konnten, seine Herzinsuffizienzmedikation wieder einzunehmen. Dadurch hat sich die Lebensqualität des Patienten wieder verbessert.</p>
<hr />
<p class="article-content"><h2>Anamnese im Juli 2018</h2> <p>Im Juli 2018 wurde ein 74-jähriger Patient mit akutem Nierenversagen und Hyperkaliämie auf unserer Abteilung am Ordensklinikum der Barmherzigen Schwestern Linz aufgenommen. Der Patient gab an, seit einigen Tagen unter Rückenschmerzen zu leiden, und hatte deswegen kurzfristig Diclofenac eingenommen. Aufgrund der Verschlechterung seines Allgemeinzustandes wurde der Patient in unserer Notfallambulanz vorstellig.</p> <h2>Vorgeschichte des Patienten</h2> <p>Der Patient ist seit Juli 2014 an unserer Abteilung bekannt. Damals hatte er einen akuten Posterolateralinfarkt, worauf ihm ein „drug-eluting stent“ (DES) in die proximal verschlossene Arteria circumflexa (CX) implantiert wurde. In der gleichen Sitzung wurde auch ein subtotaler Verschluss des mittleren Ramus interventricularis anterior (RIVA) rekanalisiert und mit einem DES versorgt. Eine etwa 70 % ige proximale Stenose der rechten Koronararterie (RCA) wurde bei kleinem Versorgungsgebiet (Linksversorgungstyp) konservativ behandelt.<br /> Zum damaligen Zeitpunkt wurde auch ein Diabetes mellitus Typ 2 neu diagnostiziert und eine bereits mäßig eingeschränkte Nierenfunktion (Grad IIIa) festgestellt. Bei der Entlassung des Patienten bestand eine mittelgradig eingeschränkte linksventrikuläre Auswurffraktion (EF) von 40 %. Rehabilitative Maßnahmen wurden eingeleitet.<br /> Nach zwei Jahren der Stabilität unter optimaler Herzinsuffizienztherapie (AT-IIBlocker und Betablocker) kam es im Oktober 2016 im Rahmen eines Rehabilitationsaufenthalts zu einer Verschlechterung der Leistungsfähigkeit. Die EF lag zu dieser Zeit bei 32 %. Daraufhin wurde die Herzinsuffizienztherapie medikamentös um Spironolacton erweitert. Wegen der Verschlechterung der Leistungsfähigkeit und der Linksventrikelfunktion des Patienten erfolgte neuerlich eine Koronarangiografie. Im Zuge dieses Herzkatheters wurde eine nun proximale RCA-Stenose erfolgreich interveniert. Das Langzeitergebnis nach Stentimplantation in der proximalen CX und in der mittleren RIVA zeigte sich als zufriedenstellend (ohne Restenose). Dennoch konnte der Patient in der Folge keine Verbesserung der Leistungsfähigkeit feststellen.<br /> Im Dezember 2016 erfolgte zur Primärprophylaxe eine Einkammer-ICD-Implantation. Für eine kardiale Resynchronisationstherapie bestand bei einer QRS-Breite von 108ms keine Indikation. Zusätzlich wurde bei einer unverändert höhergradig eingeschränkten Linksventrikelfunktion und einem NYHA-Stadium III von Candesartan auf Sacubitril/Valsartan (mittlere Dosierung – Entresto<sup>®</sup> 49/51 mg) umgestellt. In vorsichtigen Schritten gelang auch die Steigerung auf die Zieldosis (2- mal täglich Entresto<sup>®</sup> 97/103 mg). Die Nierenfunktionsparameter waren stabil mit einem Kreatininwert von 1,65 mg/dl (Normbereich 0,67–1,17 mg/dl) und dementsprechend einer eGFR von 44 ml/min (MDRD). Der Kaliumwert lag bei 4,6 mmol/l (Normbereich 3,2–5,2 mmol/l). Im Jänner 2017 wurde einmalig 1000 mg Eisen(III)-Carboxymaltose parenteral bei einem Hämoglobinwert von 11,8 g/dl (Normalwert 13,0–17,5 g/dl), einem Ferritinwert von 50 ng/ml (Normbereich 20– 400 ng/ml) und einer Transferrinsättigung von 12,1 % (Normbereich 16–45 %) verabreicht. In weiterer Folge wurden regelmäßige Kontrollen des Patienten in der Herzinsuffizienzambulanz durchgeführt, die zeigten, dass die Therapie angeschlagen hatte – er wies eine stabile Situation auf (NYHA II).</p> <h2>Befunde des Patienten im Juli 2018</h2> <p>Dennoch kam der Patient wie eingangs erwähnt wieder in unsere Ambulanz. Zum Aufnahmezeitpunkt im Juli 2018 hatte der Patient ein akutes Nierenversagen mit einem Kreatininwert von 3,02 mg/dl (Normwert 0,67–1,17 mg/dl), einer eGFR (MDRD) von 22 ml/min, einem Harnstoffwert von 105 mg/dl (Normbereich 15–50 mg/dl) und einem Harnstoff/Blutharnstoff-Stickstoffwert (BUN) von 49 mg/dl (Normbereich 7–24 mg/dl). Der Kaliumwert lag bei 6,2 mmol/l (Normbereich 3,2–5,2 mmol/l). Die Harnanalyse zeigte im Spontanharn eine Eiweißausscheidung von 150 mg/dl (bekannte diabetische Nephropathie), sonst zeigten sich jedoch im Harn keine Auffälligkeiten. Die Blutgasanalyse (BGA) war in Ordnung. Somit konnte eine postrenale Ursache des akuten Nierenversagens mittels Sonografie des Retroperitoneums ausgeschlossen werden. Echokardiografisch bestand eine hochgradig eingeschränkte Linksventrikelfunktion mit einer EF von 30 %.</p> <h2>Weiterer Verlauf der Therapie</h2> <p>Der Patient wurde zur Blutdruck- und Herzrhythmuskontrolle auf unserer Überwachungsstation aufgenommen. Durch sofortiges Absetzen der Therapie mit NSAR (Diolofenac) und durch die Gabe von Diuretika konnte eine rasche klinische Besserung erzielt werden. Wegen der Hyperkaliämie und der Niereninsuffizienz war ein vorübergehendes Pausieren von Spirobene und Entresto erforderlich. Der Betablocker konnte in der vollen Dosierung beibehalten werden. Zusätzlich wurde aufgrund der Hyperkaliämie eine Therapie mit Patiromer 8,4 g (Veltassa<sup>®</sup>) einmal täglich eingeleitet. Da ausreichende Harnmengen erreicht werden konnten, war eine akute Hämodialysebehandlung nicht erforderlich. Auch die Nierenfunktionsparameter verbesserten sich. Bei Entlassung des Patienten lagen die Laborwerte für Kreatinin bei 1,88 mg/dl, für BUN bei 40 mg/dl, für Harnstoff bei 86 mg/dl und für Kalium bei 4,3 mmol/l. Die neurohumorale Therapie mit Sacubitril/Valsartan konnte in der niedrigeren Dosierung (Entresto 24/26 mg) wieder begonnen werden, ebenso konnte Spironolacton (25 mg Spirobene<sup>®</sup>) wieder eingesetzt werden. In der Folge wurde eine langsame, stufenweise Steigerung der Dosis von Entresto vorgenommen, wobei zumindest zweiwöchentliche Nierenfunktions- und Elektrolytkontrollen mit exakten Blutdruckaufzeichnungen durchgeführt wurden. Unser Ziel war es, wieder die maximal tolerable Dosis von Sacubitril/Valsartan zu erreichen, um die Herzinsuffizienz zu verbessern.</p> <h2>Diskussion</h2> <p>Die Etablierung einer maximalen neurohumoralen Therapie mit Betablockern, ACE-Hemmern (AT-II-Blockern bei ACEHemmer- Unverträglichkeit) bzw. mit Sacubitril/ Valsartan und mit Aldosteronantagonisten ist ein unumstrittener Baustein einer erfolgreichen Herzinsuffizienztherapie. Im Allgemeinen überwiegt der Benefit der optimierten Herzinsuffizienztherapie das Risiko von Nebenwirkungen. Das Auftreten einer Hyperkaliämie stellt jedoch eine bekannte und potenziell lebensbedrohliche Komplikation dar. Bei Patienten mit eingeschränkter Linksventrikelfunktion und reduzierter Nierenfunktion (kardiorenales Syndrom) sind daher unter neurohumoraler Therapie regelmäßige Laborkontrollen erforderlich. Kaliumwerte bis 5,0 mmol/l können auf jeden Fall toleriert werden, bei Werten über 5,5 mmol/l kann entweder Spironolacton reduziert oder alternativ ein nicht resorbierbares Kationenaustauschpolymer (Patiromer – Handelsname Veltassa<sup>®</sup>) eingesetzt werden. Bei einer milden Hyperkaliämie kann auch Resonium-A-Pulver verabreicht werden. Dieses ist jedoch nur für eine kurzzeitige Anwendung zugelassen. Eine dauerhafte Anwendung von Resonium ist wegen der Nebenwirkungen nicht zugelassen. Bei Kalium über 6,0 mmol/l müssen der ACEHemmer/ AT-II-Antagonist bzw. Sacubitril/ Valsartan und der Aldosteronantagonist pausiert werden. Die weitere Vorgehensweise sollte dann mit einem spezialisierten Zentrum besprochen werden.<br /> Zwei weitere Aspekte sind in Zusammenhang mit unserem Patientenfall anzusprechen: Die Begleiterkrankungen (Diabetes mellitus Typ 2, Depressionen, orthopädische Erkrankungen u.v.a.) stellen gerade bei Patienten mit Herzinsuffizienz eine interdisziplinäre Herausforderung dar. Vor allem nichtsteroidale Antirheumatika führen häufig zur kardialen Dekompensation und zu einer Verschlechterung der Nierenfunktionsparameter. Sie sind bei bekannter Herzinsuffizienz daher kontraindiziert. Eine individualisierte und gelegentlich auch engmaschige Kontrolle und Betreuung sind gerade bei Patienten mit gleichzeitiger Herz- und Niereninsuffizienz unbedingt erforderlich. Dies wird am besten im Rahmen von Disease-Management- Programmen (DMP) gewährleistet, wo Patienten im niedergelassenen Bereich mit Unterstützung vonseiten eines Herzinsuffizienzzentrums betreut werden.</p> <h2>Fazit</h2> <p>Primäres Ziel bei Herzinsuffizienz mit reduzierter Linksventrikelfunktion ist das Auftitrieren von Betablockern und RAASHemmern auf die maximale tolerierte Dosis. Schwere Hyperkaliämien treten dabei selten und meist nur bei gleichzeitiger Nierenfunktionseinschränkung auf und können durch regelmäßige Laborkontrollen vermieden werden. Bei milder Hyperkaliämie existiert nun eine wirksame und gut verträgliche Therapie mit dem Ionenaustauscher Patiromer, die meist eine Beibehaltung der neurohumoralen Therapie ermöglicht.</p></p>
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<p>beim Verfasser</p>
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