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ESC-Guidelines kompakt

Herzschrittmacher und kardiale Resynchronisation (CRT) – ein Praxisleitfaden

Die neuen Guidelines zeigen, dass sich die Herzschrittmachertherapie von einer reinen Synkopentherapie zu einer komplexen Technologie entwickelt hat, mit der die Bradykardie-, aber auch die Herzinsuffizienzsymptomatik erfolgreich behandelt werdenkann. Mitunter kann auch die Prognose der betroffenen Patienten verbessert werden.

Keypoints

  • Bradykardie = Herzfrequenz <60/min, Asystolie = fehlender Herzschlag ≥2sek

  • Abklärung mit Bildgebung (Echo!), Schlafapnoe-Screening (!), Labor (Borrelien!) und ev. Genetik (Pat. <50 Jahren)

  • Symptom-Ursachen-Korrelation essenziell für die Indikationsstellung

  • SM- und ILR-Indikation nach Synkope: je nach Klinik und Häufigkeit, struktureller Herzerkrankung und Schenkelblock im EKG

  • CRT-Indikation: stärkste Empfehlung bei Sinusrhythmus, Linksschenkelblock ≥150ms und optimaler Herzinsuffizienztherapie, unabhängig von der Schwere der Symptomatik

  • Sondenlose Herzschrittmacher bei fehlendem transvenösem Zugang oder hohem Infektionsrisiko

  • Stimulation des Reizleitungssystems („conduction system pacing“) bei erfolgloser CRT

  • Telemonitoring zur SM-Nachsorge empfohlen

Beim Kongress der European Society of Cardiology (ESC) im August 2021 wurden nach 8 Jahren neue „Guidelines on cardiac pacing and cardiac resynchronization therapy“ präsentiert. Das umfangreiche Dokument der neuen ESC-Schrittmacher(SM)-Guidelines umfasst im Wesentlichen 4 Grundpfeiler: Diagnostik und Abklärung vor Implantation, Indikationen inklusive kardialer Resynchronisationstherapie (CRT) und spezielle Indikationen, innovative Techniken (wie „sondenlose“ SM oder Stimulation des Reizleitungssystems) und praktische Empfehlungen für die Nachsorge von SM-Patienten.

Diagnostik und Abklärung

Eine Bradykardie wird im Supplement der Guidelines mit einer Herzfrequenz <60/min und eine Asystolie ≥2sek Dauer definiert. Je nach Häufigkeit des Auftretens soll bei entsprechender Symptomatik mit verschiedenen EKG-Methoden nach diesen Auffälligkeiten gesucht werden. Auch wird die Bedeutung der Symptom-Ursachen-Korrelation für die Indikationsstellung einer SM-Therapie hervorgehoben.

Im nächsten Schritt soll zwischen einer „intrinsischen“ (Erkrankung des Reizleitungssystems) und einer „extrinsischen“ oder „funktionellen“ Bradykardie (z.B. Vagus-induziert) unterschieden werden. Darüber hinaus wird erstmalig eine Empfehlung zur detaillierten Evaluierung der betroffenen Patienten definiert. Diese reicht von der Anamnese und der kardialen Bildgebung (v.a. echokardiografische Abklärung der linksventrikulären Funktion) über Schlafapnoe-Screening (Klasse-I-Empfehlung!) und Laboranalysen (Borrelien-Serologie!) bis hin zu einer genetischen Evaluierung bei Patienten <50 Jahren.

Ähnlich wie in den rezenten Herzinsuffizienz- und Vorhofflimmern-Guidelines der ESC wird für die Abklärung und die Indikationsstellung der SM-Therapie das „shared decision making“, d.h. die Einbeziehung des Patientenwunsches und die Einschätzung von Ärzten mehrerer Disziplinen, aber auch des nicht ärztlichen Personals (insbesondere „Pacing Nurses“), betont.

Indikationen der Schrittmachertherapie

Die Indikation zur SM-Therapie nach einer unerklärten Synkope ändert sich in den neuen Leitlinien in mehreren Bereichen: So soll nach einer Synkope bei einer Kardiomyopathie (LVEF <35%) prophylaktisch ein ICD implantiert werden, bei einem Schenkelblock im EKG richtet sich die Therapie nach Messungen der Überleitung in einer elektrophysiologischen Untersuchung (EPU) und bei seltenen Synkopen ohne Erklärung sollte großzügig ein Loop Recorder (ILR) implantiert werden.

Eine Sonderstellung haben sogenannte Reflex-Synkopen, bei denen der Stellenwert der Kipptisch-Untersuchung wieder aufgewertet wurde: Diese wird bei Patienten >40 Jahre in dieser Situation als 2. diagnostischer Schritt nach der Carotis-Massage empfohlen. Außerdem wird bei Nachweis eine Asystolie >3sek in einer dieser Untersuchungen eine Klasse-I-Empfehlung für eine DDD-SM-Implantation definiert.

Nachdem bei Empfehlungen für die CRT in der Vergangenheit beträchtliche Unterschiede zwischen SM- und Herzinsuffizienz-Guidelines publiziert wurden, entschlossen sich die Gesellschaften, bei den CRT-Indikationen enger zu kooperieren.

Die Schwere der Symptomatik (NYHA) wurde erstmalig aus den Indikationskriterien entfernt und die Cut-offs für die QRS-Breite wurden vereinheitlicht: So besteht aktuell bei einem kompletten Linksschenkelblock (LSB) mit einem QRS ≥150ms eine Klasse-I-, für alle Nicht-LSB-Morphologien und für einen LSB mit QRS 130–149ms eine Klasse-IIa-Indikation zur CRT-Implantation. Ob die CRT mit einer ICD-Therapie kombiniert werden soll, wird von der Genese der Kardiomyopathie (ischämisch/nicht ischämisch), vom Alter bzw. von Komorbiditäten der Patienten und von Bildgebungs-Kriterien („delayed enhancement“ im MRT) abhängig gemacht.

Abb. 1: Neu in den Herzschrittmacher-Guidelines 2021 (nach Glikson M et al.)1

Ein besonderes Augenmerk wird in den Empfehlungen auf die „Ablate and Pace“-Therapie gelegt, nachdem durch die CRT und die nachfolgende AV-Knoten-Ablation bei permanentem Vorhofflimmern zuletzt in mehreren Studien prognostische Vorteile gezeigt werden konnten. So wird in den SM-Guidelines in dieser Indikation nun erstmalig eine Klasse-I-Indikation bei HFrEF und eine Klasse-IIa-Indikation bei HFmrEF für eine CRT plus Ablation unabhängig von der QRS-Breite formuliert.

Genaue Empfehlungen für den optimalen Zeitpunkt der SM-Implantation ohne Rückbildung der Rhythmusstörung werden in den Richtlinien nach herzchirurgischen Operationen, nach Herzinfarkt und insbesondere nach TAVI-Implantationen aufgelistet: Nach einem herzchirurgischen Eingriff eine SM-Implantation bei einem AV-Block nach 5 Tagen, bei einem Sick-Sinus-Syndrom aber erst bei fehlender Erholung nach 6 Wochen empfohlen. Ähnlich wurde die Wartezeit bis zur SM-Implantation nach einem Infarktereignis auf 5 Tage verkürzt. Bei einem AV-Block oder wechselndem Schenkelblock nach einer TAVI-Implantation soll die Device-Implantation schon nach 24–48 Stunden erfolgen, bei einem neu aufgetretenem LSB oder einer anderen Überleitungsstörung wird ein ambulantes Monitoring oder eine EPU empfohlen.

Auswahl der Systeme und neue Techniken

Unverändert zu früheren Empfehlungen werden bei einer Sinusknoten-Erkrankung in erster Linie 2-Kammer-DDD-SM empfohlen. VVI-SM mit nur einer Elektrode im rechten Ventrikel sollten Patienten mit permanentem Vorhofflimmern, mit paroxysmalem AV-Block und nur niedrigem erwartetem Stimulationsanteil und Patienten mit ausgeprägten Komorbiditäten vorbehalten bleiben. Erstmalig wieder erwähnt und aufgewertet wurden einfacher zu implantierende VDD- (mit nur 1 Elektrode bei AV-Block) und AAI-SM-Systeme (bei Sick-Sinus-Syndrom)als zweite Wahl.

Ein weiteres Kapitel widmet sich innovativen SM-Techniken. Sogenannte „sondenlose“ Herzschrittmacher mit einer Stimulationskapsel im rechten Ventrikel werden erstmalig bei Patienten ohne Zugangsmöglichkeit über die Armvenen, aber auch bei hohem Infektionsrisiko empfohlen.

Darüber hinaus wird in den Guidelines erstmalig auf die Stimulation im Reizleitungssystem eingegangen. Durch Platzierung der rechtsventrikulären Elektrode am His-Bündel oder tief im ventrikulären Septum im Bereich des linken Tawara-Schenkels können durch Anschluss an das spezifische Reizleitungssystem sehr schmale stimulierte Kammerkomplexe erzeugt werden. Dadurch gelingt eine fast physiologische Kontraktion der Ventrikel und kann eine Verschlechterung der linksventrikulären Funktion durch eine SM-Stimulation verhindert werden. Solche Systeme werden in Zukunft eine bedeutende Rolle spielen, benötigen aber selbstverständlich besondere technische Voraussetzungen und auch Erfahrung des Implanteurs. Erstmalig werden sie auch als Alternative zur CRT empfohlen, wenn die Implantation einer Elektrode im Koronarsinus nicht erfolgreich ist oder aber nicht zu einer Verbesserung der Symptomatik führt. Einige Details zu diesen neuen Techniken sind noch unklar und sollen in speziellen Konsensus-Papieren in diesem Jahr noch genauer definiert werden.

Praktische Empfehlungen

Ein ganz neues Kapitel widmet sich in den aktuellen SM-Guidelines Empfehlungen bei der Implantation und der Betreuung der SM-Patienten in der täglichen Praxis. Bei der Device-Implantation werden die Gabe eines Antibiotikums mind. 1 Stunde vor der OP und die intraoperative Spülung der Loge vor dem Wundverschluss mit einem Antiseptikum empfohlen. Darüber hinaus soll - wenn möglich - eine duale Plättchen-Aggregations-Hemmung >1 Monat nach Koronar-Stenting für die Implantation unterbrochen und der Eingriff bei Fieber der Patienten verschoben werden.

Erstmalig wird in den Empfehlungen der ESC auch eine telemedizinische Nachsorge von SM-Patienten empfohlen. Besonders wenn Vor-Ort-Kontrollen schwierig zu organisieren sind oder für ein Aggregat technische Schwierigkeiten gemeldet worden sind, wird ein Telemonitoring der Patienten als Klasse I empfohlen. In diesem Fall müssen persönliche Kontrollen in der Praxis oder im Krankenhaus nur noch in größeren Abständen erfolgen (6–12-monatlich bei CRT und alle 18–24 Monate bei konventionellen SM).

Abgeschlossen wird das Dokument mit Empfehlungen der Umprogrammierung von SM und CRT-Geräten bei chirurgischen Eingriffen, MRT-Untersuchungen und Bestrahlungen. Die dabei sehr klar strukturierten Abbildungen erleichtern das klinische Management in speziellen Situationen signifikant.

Fazit

Insgesamt bietet das umfangreiche Dokument einen Überblick über das gesamte Spektrum der Herzschrittmachertherapie. Die große Anzahl von Empfehlungen zu Abklärung, Indikation, Implantation und Nachsorge von SM-Patienten wird durch übersichtliche Algorithmen veranschaulicht, die allesamt Relevanz für die tägliche Praxis haben.

1 Glikson M et al. for the ESC Scientific Document Group: 2021 ESC Guidelines on cardiac pacing and cardiac resynchronization therapy. Eur Heart J 2021; 42(35): 3427-520

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