© peterschreiber.media - stock.adobe.com

ESC Guidelines on cardiac pacing and cardiac resynchronization therapy

Herzen im Takt: ein kurzes Update der Schrittmacherindikation

Die Herzschrittmachertherapie ist seit Jahrzehnten eine unverzichtbare Säule der modernen Rhythmustherapie. Die Indikation zur Implantation eines permanenten Herzschrittmachers (PM) unterliegt klaren Leitlinien, sie ist jedoch in ständigem Wandel – getrieben durch technische Innovationen, differenzierte Pathophysiologie und zunehmend ältere, multimorbide Patienten. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die gegenwärtigen Indikationsstellungen unter Berücksichtigung der aktuellen europäischen Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) aus dem Jahr 2021.

Keypoints

  • Die moderne Schrittmachertherapie ermöglicht eine individualisierte, an die persönlichen Bedürfnisse und Erfordernisse jedes einzelnen Patienten angepasste Therapie.

  • Je nach kardialer Pathologie geben die ESC-Leitlinien über Indikation, Empfehlungsgrad und Art der Schrittmachertherapie Aufschluss.

Die Indikation zur Schrittmacherimplantation beruht primär auf dem Vorliegen einer symptomatischen Bradykardie oder einer hochgradigen Leitungsstörung mit prognostischer Relevanz. Differenziert wird dabei zwischen intrinsischer Erkrankung des Sinusknotengewebes und atrioventrikulären (AV) Leitungsstörungen. Essenziell ist das Vorliegen einer adäquaten Symptomatik (z.B. Synkopen, Schwindel, Belastungsintoleranz), die kausal mit einer Bradyarrhythmie verknüpft ist. Asymptomatische Bradykardien führen nur in ausgewählten Fällen zur Indikationsstellung – etwa bei einem AVBlock Grad II Typ Mobitz 2, AVBlock Grad III oder bei nachgewiesenen Pausen über 6 Sekunden nach Synkope, auch in Abwesenheit klinischer Zeichen. Eine genaue Anamnese, eine physikalische Untersuchung und eine kardiale Bildgebung sind unerlässlich.

Sinusknotensyndrom – Sick-Sinus-Syndrom

Das Sinusknotensyndrom stellt eine der häufigsten Indikationen für einen Herzschrittmacher dar. Laut ESC-Leitlinie ist bei symptomatischer bradykarder Herzrhythmusstörung eine Klasse-I-Indikation gegeben – häufig bei Patienten mit intermittierendem Vorhofflimmern, Tachykardie-Bradykardie-Syndrom oder Sinusarrest (Tab. 1). Eine Klasse-IIb-Indikation liegt bei Patienten mit Synkopen und dokumentierten asymptomatischen Pausen >6 Sekunden im Rahmen eines Sinusarrestes vor. Bei einem Viertel aller Patienten mit Sick-Sinus-Syndrom besteht das Risiko für ein Schrittmachersyndrom, das durch die atriale Stimulation vermieden werden kann. Bevorzugt werden atriale oder duale Systeme, je nach Integrität des AVKnotens.

Tab. 1: Empfehlungen zur Schrittmachertherapie bei Sinusknotendysfunktion

AVBlockierung – intermittierend bis zu totalem Block

Ein AVBlock Grad III stellt eine klare Klasse-I-Indikation für einen Herzschrittmacher dar – unabhängig von Symptomen. Genauso verhält es sich bei einem AVBlock Grad II Typ Mobitz2. Bei einem symptomatischen AVBlock Grad II Typ Wenckebach (Mobitz1) sollte eine Schrittmacherimplantation ebenfalls in Erwägung gezogen werden (Klasse-IIa-Empfehlung; Tab. 2). Besonderes Augenmerk liegt auf dem intermittierenden AVBlock: In diesen Fällen sind die dokumentierten Pausen, die Frequenz des Auftretens und der klinische Kontext entscheidend für die Indikationsstellung. Eine elektrophysiologische Untersuchung kann in Einzelfällen zur Differenzierung beitragen. Auch im Rahmen akuter kardialer Ereignisse sind AVBlockierungen von Bedeutung: Transient auftretende Leitungsstörungen im Kontext eines Myokardinfarkts – insbesondere inferior lokalisiert – können reversibel sein. Persistiert der AVBlock jedoch über 5 Tage, ist eine permanente Schrittmacherimplantation indiziert.

Tab. 2: Empfehlungen zur Schrittmachertherapie bei atrioventrikulärem Block (AVBlock)

Ebenso gilt dies für AVBlockierungen nach herzchirurgischen Eingriffen, etwa nach Klappenersatz.Auch hier empfiehlt sich ab Tag 5 eine Reevaluierung, da sich funktionelle Blöcke meist innerhalb einer Woche zurückbilden.

Schrittmacherindikation bei Vorhofflimmern

Bei permanentem Vorhofflimmern ergibt sich eine Schrittmacherindikation vor allem im Rahmen eines Tachykardie-Bradykardie-Syndroms oder bei unkontrollierter Herzfrequenz trotz antiarrhythmischer Medikation. In diesen Fällen kann eine AV-Knoten-Ablation mit vorangegangener Schrittmacherimplantation („pace and ablate“) in Erwägung gezogen werden. Die ESC-Leitlinien sehen hierfür eine Klasse-IIa-Indikation vor.

Entscheidend dafür ist eine sorgfältige Patientenselektion, insbesondere bei eingeschränkter systolischer Funktion, wenn eine biventrikuläre oder physiologische Stimulation vorzuziehen ist. Bei Vorhofflimmern mit begleitendem AVBlock Grad III besteht eine klare Klasse-I-Indikation zur ventrikulären Stimulation. Auch bei chronotroper Inkompetenz im Rahmen von Vorhofflimmern kann eine Schrittmacherimplantation zur Symptomlinderung indiziert sein, insbesondere bei belastungsabhängiger Leistungsminderung.

Reflexsynkopen und Schrittmacherimplantation

Patienten mit rezidivierenden Synkopen stellen oft eine Herausforderung dar. Eine Klasse-I-Indikation für einen Herzschrittmacher besteht bei Patienten über 40 Jahre mit schweren, rezidivierenden Synkopen mit symptomatischen Pausen >3 Sekunden oder asymptomatischen Pausen >6 Sekunden, aber auch bei Asystolien mit Synkopen im Rahmen einer Kipptischuntersuchung (Tab. 3).

Tab. 3: Empfehlungen zur Schrittmachertherapie bei Reflexsynkope

Bifaszikulärer Block und Synkope – ein Graubereich?

Patienten mit bifaszikulärem Block (z.B. Rechtsschenkelblock + linksanteriorem/linksposteriorem Hemiblock) und ungeklärter Synkope sind klinisch eine Herausforderung. Die ESC-Leitlinien klassifizieren diese Situation als Klasse-I-Indikation, insbesondere wenn ein infranodaler Block wahrscheinlich ist (Tab. 4). Eine invasive elektrophysiologische Diagnostik oder intermittierende Rhythmusüberwachung (z.B. mittels „looprecorder“) ist sinnvoll, um die prognostisch relevante Erregungsleitungsstörung zu belegen.

Tab. 4: Empfehlungen zur Schrittmachertherapie bei Schenkelblock

Alternierender Schenkelblock – prognostische Bedeutung

Ein alternierender Schenkelblock, definiert als wechselnder Rechtsschenkelblock (RSB) und Linksschenkelblock (LSB) im EKG, ist eine Klasse-I-Indikation zur Schrittmacherimplantation – selbst in Abwesenheit von Symptomen.

Indikation zur kardialen Resynchronisationstherapie

Für Patienten mit reduzierter linksventrikulärer Pumpleistung ≤35% im Sinusrhythmus, mit einer QRS-Dauer >150ms und Linksschenkelblock (LSB) trotz optimierter medikamentöser Therapie wirddie CRT-Implantation als Klasse-I-Indikation in den ESC-Leitlinien angeführt (Tab. 5). Eine physiologische Stimulation des Reizleitungssystems (His-Bündel-, „left bundlebranch[LBB]pacing“), im Rahmen eines höhergradigen AVBlocks oder als Alternative nach frustraner Implantation einer linksventrikulären Elektrode, sollte in diesem Setting bevorzugt werden (Abb. 1).

Abb. 1: Zusammenfassung der CSP-Indikationen bei atrioventrikulärem Block (nach Glikson M et al. 2025)

Tab. 5: Empfehlungen zur kardialen Resynchronisationstherapie (CRT) bei Patienten im Sinusrhythmus

Technische Aspekte – Auswahl des geeigneten Stimulationssystems

Die Auswahl des passenden Stimulationssystems orientiert sich an der zugrunde liegenden Rhythmusstörung, der anatomischen und funktionellen Integrität des Reizleitungssystems sowie an prognostischen Überlegungen. Grundsätzlich unterscheidet man Ein- und Zweikammer-Systeme sowie die kardiale Resynchronisationstherapie (CRT).

Ein Einkammer-Schrittmacher ist vor allem bei permanentem Vorhofflimmern indiziert. Bei erhaltenem Sinusrhythmus sollte, wann immer möglich, ein Zweikammer-System (DDD) bevorzugt werden, um eine adäquate atrioventrikuläre Synchronie zu gewährleisten und das Risiko eines Schrittmachersyndroms zu reduzieren.Besonders bei jüngeren Patient:innen oder hoher zu erwartender Stimulationslast im Ventrikel ist dies prognostisch von Bedeutung.

Die Indikation zu einer CRT besteht laut ESC-Leitlinie nicht nur bei Herzinsuffizienz mit Linksschenkelblock, sondern auch bei Patienten mit AVBlock und reduzierter linksventrikulärer Ejektionsfraktion (LVEF≤40%), wenn eine hohe ventrikuläre Stimulationsrate zu erwarten ist. Hier kann die primäre Implantation eines biventrikulären Systems dem Progress einer schrittmacherinduzierten Kardiomyopathie vorbeugen – auch ohne vorbestehende Herzinsuffizienzsymptomatik (Klasse-I-Empfehlung bei hoher Stimulationslast).

Zusätzlich gewinnt die direkte Stimulation des spezifischen kardialen Reizleitungssystems („LBBareapacing“, LBB[A]P, His-Bündel-„Pacing“) aufgrund ihrer physiologischeren Aktivierung zunehmend an Bedeutung. Sie ermöglicht eine nahezu natürliche, elektromechanisch koordinierte Erregungsausbreitung und bietet langfristig Vorteile gegenüber der konventionellen rechtsventrikulären apikalen Stimulation, insbesondere bei Patienten mit reduzierter Ejektionsfraktion und AVBlock.

„Leadless stimulation“ – aktueller Stellenwert & Perspektiven

Die sondenlose („leadless“) Schrittmacherstimulation stellt eine bedeutende Innovation in der kardialen Stimulationsmedizin dar. Während initial ausschließlich VVI-Systeme für die ventrikuläre Stimulation bei Vorhofflimmern oder eingeschränkten Zugangswegen zur Verfügung standen, sind mittlerweile duale „leadless“Systeme zugelassen, die eine atrioventrikuläre Synchronisation ermöglichen. Dabei fungieren diese funktionell als Zweikammer-Schrittmacher, so wie etwa das Aveir™ DR-System (Abbott) oder Micra™AV(Medtronic) mit VDD-Funktionalität.

Die Vorteile der „leadless“Technologie liegen in der vollständigen Vermeidung von Aggregattaschen und transvenösen Elektroden – und damit in einer signifikant reduzierten Rate an Infektionen, Sondenproblemen und Taschenkomplikationen. Insbesondere bei Patienten mit erhöhtem Infektionsrisiko, ständiger Cortisontherapie, Immunsuppression, venösen Zugangsproblemen, nach Explantation eines infizierten Systems oder bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz mit Dialysezugängen oder eingeschränkter Gefäßsituation stellt die „leadless“Technologie eine attraktive Alternative dar.

Mit der raschen Weiterentwicklung dieser Systeme und zunehmender klinischer Erfahrung wird ein neues Kapitel in der Schrittmachertherapie aufgeschlagen – eines, das minimalinvasiver, sicherer und individueller ist. Die „leadless“Stimulation wird künftig nicht nur eine Nischenlösung sein, sondern könnte sich als integraler Bestandteil eines modernen, patientenzentrierten „device management“ etablieren.

Glikson M et al.: 2021 ESC Guidelines on cardiac pacing and cardiac resynchronization therapy: developed by the Task Force on cardiac pacing and cardiac resynchronization therapy of the European Society of Cardiology (ESC) with the special contribution of the European Heart Rhythm Association (EHRA). Eur Heart J 2021; 42(35): 3427-520 Glikson M et al.: European Society of Cardiology (ESC) clinical consensus statement on indications for conduction system pacing, with special contribution of the European Heart Rhythm Association of the ESC and endorsed by the Asia Pacific Heart Rhythm Society, the Canadian Heart Rhythm Society, the Heart Rhythm Society, and the Latin American Heart Rhythm Society. Europace 2025; 27(4): 10.1093/europace/euaf050 Steinwender C et al.: State of the art: leadless ventricular pacing: a national expert consensus of the Austrian Society of Cardiology. J Interv Card Electrophysiol 2020; 57(1): 27-37

Back to top