
Gezielte Therapie bei HFpEF: die Rolle Inkretin-basierter Strategien
Autor: Dr. Johannes Gollmer
Klinische Abteilung für Kardiologie
Medizinische Universität Graz
E-Mail: johannes.gollmer@medunigraz.at
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Die Therapie der Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion (HFpEF) könnte bald um eine Säule ergänzt werden. Inkretin-basierte Ansätze mit GLP-1- und kombinierten GLP-1/GIP-Analoga zeigen vielversprechende Daten bei Patienten mit HFpEF und Adipositas. Dieser Beitrag fasst die aktuelle Evidenzlage zusammen und beleuchtet den möglichen klinischen Stellenwert.
Keypoints
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Übergewicht und insbesondere zentrale Adipositas sind wesentliche Treiber des metabolischen HFpEF-Subtyps.
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Semaglutid und Tirzepatid verbessern Symptomatik, Leistungsfähigkeit und Gewicht bei adipösen HFpEF-Patienten.
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Der Nutzen beruht auf multifaktoriellen Effekten, u.a. Gewichtsreduktion, antiinflammatorischen und hämodynamischen Wirkungen.
Die HFpEF ist ein heterogenes Syndrom mit hoher Morbidität und bislang limitierter therapeutischer Angriffsfläche. Zunehmend in den Fokus rückt ein metabolischer Phänotyp mit Adipositas und kardiometabolischen Komorbiditäten wie Typ-2-Diabetes, arterieller Hypertonie und chronischer Nierenerkrankung. In aktuellen kardiovaskulären Endpunktstudien bei Patienten mit HFpEF konnten hohe Raten an Adipositas verzeichnet werden (PARAGON 56,9%, DELIVER 44,5%, EMPEROR-Preserved 45%, FINEARTS-HF 41,7%).1–4 Eine rezente Analyse des PARAGON-Kollektivs zeigte, dass obwohl nur etwa die Hälfte der HFpEF-Patienten nach dem Body-Mass-Index als adipös eingestuft wurde, 96% eine zentrale Adipositas aufwiesen, gemessen am Taille-zu-Größe-Verhältnis (Verhältnis von Bauchumfang zur Körpergröße ≥0,5).5 Pathophysiologisch werden in diesem Phänotyp eine subklinische systemische Entzündung, mikrovaskuläre Dysfunktion, Fibrose, Volumenexpansion, Natriuretika-Mangel, Hypertonie und Nierenschädigung als Treiber der HFpEF diskutiert und eröffnen potenzielle Therapieansätze. Dass Inkretin-basierte Therapien effektiv in der Therapie der Adipositas sind, konnte mittlerweile vielfach gezeigt werden. Der erwartbare Gewichtsverlust ist dabei abhängig von Wirkstoff und Dosierung: für Semaglutid 2,4mg s.c. 1x/Woche ca. 12,5%, für Semaglutid 50mg oral täglich 12,7% und für Tirzepatid 15mg s.c. 1x/Woche 20,9%.6–9 Über die Therapie der Adipositas hinaus gibt es mittlerweile vielversprechende Daten für ihren Einsatz bei HFpEF mit Adipositas.
Inkretine: Physiologie und therapeutische Wirkmechanismen
GLP-1 (Glucagon-like Peptide-1) und GIP (Gastric Inhibitory Polypeptide) sind Darmhormone, die postprandial ausgeschüttet werden und die Insulinsekretion glukoseabhängig steigern. Neben ihren pankreatischen Effekten modulieren Inkretine zahlreiche andere Körperfunktionen, GLP-1-Rezeptoren finden sich u.a. in Gehirn, Herz, Nieren, Darm oder Leber. Die Gewichtsreduktion erfolgt über eine zentralnervös vermittelte Appetitreduktion sowie eine verzögerte Magenentleerung.10 Klinisch getestet wurden bei HFpEF mit Adipositas die subkutan verabreichten Wirkstoffe Semaglutid und Tirzepatid.
Klinische Datenlage bei Herzinsuffizienz
In den großen kardiovaskulären Endpunktstudien zu GLP-1-Rezeptor-Agonisten (GLP-1-RA) bei Typ-2-Diabetes (LEADER, SUSTAIN-6, REWIND) zeigte sich ein konsistenter Benefit hinsichtlich atherosklerotischer Ereignisse, aber uneinheitliche Ergebnisse zur Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz. Patienten mit HFpEF waren in diesen Studien meist unterrepräsentiert.
Die STEP-HFpEF-Studie testete die Gabe von 2,4mg Semaglutid s.c. pro Woche bei 529 symptomatischen, adipösen (BMI ≥30kg/m2) HFpEF-Patienten. In der Studie zeigte sich ein signifikanter Effekt auf den primären Endpunkt, zusammengesetzt aus Lebensqualität (KCCQ +7,8 Punkte) und Gewichtsreduktion (–10,7%). Auch die körperliche Leistungsfähigkeit (6-Minuten-Gehtest: +20,3m) sowie inflammatorische Marker (hsCRP: –43%) verbesserten sich in der Semaglutid-Gruppe signifikant.11 In einer gepoolten Metaanalyse von allen 3743 HFmrEF- und HFpEF-Patienten aus 4 RCTs mit Semaglutid (SELECT, FLOW, STEP-HFpEF, STEP-HFpEF DM) führte Semaglutid zu einer Reduktion des kombinierten Endpunkts von kardiovaskulärem Tod oder Herzinsuffizienzereignis (HR: 0,69; 95% CI: 0,53–0,89), ohne signifikanten Einfluss auf die kardiovaskuläre Mortalität allein.12
Der kombinierte GIP-/GLP-1-RA Tirzepatid konnte in der rezent publizierten SUMMIT-Studie bei 731 Patienten mit symptomatischer HFpEF und Adipositas (BMI ≥30kg/m2) positive Ergebnisse erzielen. In der getesteten Dosis von 15mg s.c. pro Woche wurde eine signifikante Reduktion des primären Endpunktes von kardiovaskulärem Tod und Herzinsuffizienzevents erreicht (HR: 0,62; 95% CI: 0,41–0,95). Allerdings konnte auch hier die Rate an kardiovaskulärem Tod allein nicht signifikant gesenkt werden. Zusätzlich zeigten sich eine Verbesserung der Lebensqualität (KCCQ +9,6 Punkte), eine Gewichtsreduktion (–11,6%), eine verlängerte 6-Minuten-Gehstrecke (+18,3 Meter) und eine Senkung inflammatorischer Marker (hsCRP –34,9%).13 Eine mechanistische Sekundäranalyse zeigte, dass die Therapie mit Tirzepatid hämodynamisch zu einer Reduktion des systolischen Blutdrucks, des geschätzten Blut- und Plasmavolumens sowie des Pulsdrucks führte. Weiterhin verbesserte die Therapie die eGFR nach 52 Wochen, reduzierte die Albuminurie und senkte Marker der Myokardschädigung und Herzbelastung (Troponin und NTproBNP).14
Eine rezent publizierte Metaanalyse von 6 randomisierten Studien mit insgesamt 8788 Herzinsuffizienzpatienten mit EF ≥40% zeigte, dass GLP-1-RA den kombinierten Endpunkt von kardiovaskulärem Tod bzw. Verschlechterung der Herzinsuffizienz signifikant senken (HR: 0,68; 95% CI: 0,51–0,89; p=0,006). Auch die Rate isolierter HF-Ereignisse wurde signifikant reduziert (HR: 0,56; 95% CI: 0,38–0,82; p=0,003), während kein signifikanter Effekt auf die kardiovaskuläre Mortalität allein festgestellt wurde (HR: 0,86; 95% CI: 0,67–1,12; p=0,27).15
Trotz der nachgewiesenen Wirksamkeit bei HFpEF zeigen GLP-1-RA ein spezifisches Nebenwirkungsprofil, das bei der klinischen Anwendung berücksichtigt werden sollte. In den STEP-HFpEF- und SUMMIT-Studien zeigten die untersuchten GLP-1-RA ein konsistentes Sicherheitsprofil mit gastrointestinalen Nebenwirkungen als häufigster Ursache für Therapieabbrüche. In der Studie STEP-HFpEF kam es unter Semaglutid bei 13,3% der Patienten zum Abbruch aufgrund unerwünschter Ereignisse (vs. 5,3% unter Placebo), in der SUMMIT-Studie bei 6,3% unter Tirzepatid (vs. 1,4% unter Placebo). Bei der Verschreibung müssen Kontraindikationen beachtet werden, welche u.a. eine persönliche oder familiäre Anamnese eines medullären Schilddrüsenkarzinoms (MTC) oder das Vorliegen eines multiplen endokrinen Neoplasie-Syndroms Typ 2 (MEN-2) umfassen. Auch bei Patienten, die eine schwere Pankreatitis erlitten haben, ist die Einleitung nicht empfohlen.
Die aktuell vorliegenden Daten zeigen, dass GLP-1-RA wie Semaglutid und Tirzepatid in der Behandlung von HFpEF mit begleitender Adipositas eine neue Therapiesäule darstellen sollten. Bei dieser symptomatischen Patientengruppe können sie Lebensqualität und körperliche Leistungsfähigkeit verbessern und sie reduzieren das Risiko für HF-Verschlechterungen, während ein Effekt auf die Mortalität bisher nicht gezeigt werden konnte.
PRAXISTIPP
Bei HFpEF-Patienten mit Adipositas und/oder Typ-2-Diabetes sollte der Einsatz von GLP-1-Rezeptor-Agonisten in Erwägung gezogen werden.
Literatur:
1 Solomon SD et al.: Angiotensin-neprilysin inhibition in heart failure with preserved ejection fraction. N Engl J Med 2019; 381(17): 1609-20 2 Solomon SD et al.: Dapagliflozin in heart failure with mildly reduced or preserved ejection fraction. N Engl J Med 2022; 387(12): 1089-98 3 Anker SD et al.: Empagliflozin in heart failure with a preserved ejection fraction. N Engl J Med 2021; 385(16): 1451-61 4 Solomon SD et al.: Finerenone in heart failure with mildly reduced or preserved ejection fraction. N Engl J Med 2024; 391(16): 1475-85 5 Peikert A et al.: Near-universal prevalence of central adiposity in heart failure with preserved ejection fraction: the PARAGON-HF trial. Eur Heart J 2025; 46(25): 2372-90 6 Wilding JPH et al.: Once-weekly semaglutide in adults with overweight or obesity. N Engl J Med 2021; 384(11): 989-1002 7 Garvey WT et al.: Two-year effects of semaglutide in adults with overweight or obesity: the STEP 5 trial. Nat Med 2022; 28(10): 2083-91 8 Knop FK et al.: Oral semaglutide 50mg taken once per day in adults with overweight or obesity (OASIS 1): a randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet 2023; 402(10403): 705-19 9 Jastreboff AM et al.: Tirzepatide once weekly for the treatment of obesity. N Engl J Med 2022; 387(3): 205-16 10 Hammoud R, Drucker DJ: Beyond the pancreas: contrasting cardiometabolic actions of GIP and GLP1. Nat Rev Endocrinol 2023; 19(4): 201-16 11 Kosiborod MN et al.: Semaglutide in patients with heart failure with preserved ejection fraction and obesity. N Engl J Med 2023; 389(12): 1069-84 12 Kosiborod MN et al.: Semaglutide versus placebo in patients with heart failure and mildly reduced or preserved ejection fraction: a pooled analysis of the SELECT, FLOW, STEP-HFpEF, and STEP-HFpEF DM randomised trials. Lancet 2024; 404(10456): 949-61 13 Packer M et al.: Tirzepatide for heart failure with preserved ejection fraction and obesity. N Engl J Med 2025; 392(5): 427-37 14 Borlaug BA et al.: Effects of tirzepatide on circulatory overload and end-organ damage in heart failure with preserved ejection fraction and obesity: a secondary analysis of the SUMMIT trial. Nat Med 2025; 31(2): 544-51 15 Waqas SA et al.: Efficacy of GLP-1 receptor agonists in patients with heart failure and mildly reduced or preserved ejection fraction: asystematic review and meta-analysis. J Card Fail 2025; 31(7): 1076-80
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