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Arterielle Hypertonie – ein interdisziplinäres Thema

<p class="article-intro">Ob durch die Brille des Neurologen, in den Augen des Endokrinologen oder aus Sicht des Schlafmediziners: Der Blutdruck geht alle etwas an. Und so füllten die interdisziplinären Vorträge den Hörsaal am 13. Zürcher Hypertonietag bis auf den letzten Platz.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Die arterielle Hypertonie ist ein bekannter Risikofaktor f&uuml;r die Atherosklerose und das Auftreten kardio- und zerebrovaskul&auml;rer Erkrankungen. Daneben ist vor allem die schlecht eingestellte Hypertonie eine der Hauptursachen zerebraler Mikroangiopathien, deren direkte Folge zerebrale Isch&auml;mien und Blutungen sein k&ouml;nnen, wobei das Auftreten von Isch&auml;mien im Vordergrund steht. &laquo;Das klinische Korrelat zerebraler Isch&auml;mien sind fokalneurologische Defizite&raquo;, sagte PD Dr. med. Nils Peters vom Universit&auml;tsspital Basel. Typischerweise findet man im MRI der Betroffenen sog. &laquo;white matter lesions &raquo;. &laquo;Diese sind vor allem deshalb von Bedeutung, weil sie mit dem Alter zunehmen &raquo;, so der Neurologe. In einer &auml;lteren Studie mit 3000 Personen mit einem Durchschnittsalter von 75 Jahren, die weder einen Schlaganfall noch eine TIA in der Vorgeschichte hatten, fanden sich bei 96 % der Studienteilnehmer im MRI Hinweise auf &laquo;white matter lesions&raquo;.<sup>1</sup> Eine aktuelle Studie konnte nun zeigen, dass das Fortschreiten der mikroangiopathischen Isch&auml;mien zu einer Abnahme der weissen Substanz und einer Gehirnatrophie f&uuml;hrte und mit einer Zunahme von Gangst&ouml;rungen bei &auml;lteren Menschen assoziiert war.<sup>2</sup> &laquo;Das Auftreten mikroangiopathischer Isch&auml;mien ist zudem die h&auml;ufigste Ursache f&uuml;r eine subkortikale Demenz, eine Unterform der vaskul&auml;ren Demenz&raquo;, sagte Peters. Diese f&uuml;hrt vor allem zu St&ouml;rungen der Exekutivfunktionen und weniger der mnestischen Funktionen und l&auml;sst sich daher gut von der Alzheimer- Demenz unterscheiden. Die Behandlung der Hypertonie als des wichtigsten modifizierbaren Risikofaktors f&uuml;r zerebrovaskul&auml;re Erkrankungen spielt aus Sicht des Neurologen sowohl in der Prim&auml;r- als auch in der Sekund&auml;rpr&auml;vention eine wichtige Rolle, um das Risiko f&uuml;r k&ouml;rperliche Behinderungen und kognitive Einschr&auml;nkungen zu minimieren. &laquo;Die kognitiven Folgen werden oftmals vergessen, weil initial die k&ouml;rperlichen Behinderungen im Vordergrund stehen&raquo;, so der Referent. Er erinnerte daran, dass einer von zehn Patienten nach einem Schlaganfall und jeder Dritte nach einem Schlaganfallrezidiv ein demenzielles Syndrom entwickelt.</p> <h2>Hypertonie und Schlafst&ouml;rungen</h2> <p>Sp&auml;testens seit der Einf&uuml;hrung der 24h-Blutdruckmessung weiss man, dass der Blutdruck nicht konstant ist, sondern zirkadianen Schwankungen unterliegt: mit h&ouml;heren Werten am Tag und niedrigeren in der Nacht. Das n&auml;chtliche Absinken des Blutdrucks hat dazu gef&uuml;hrt, dass der Begriff &laquo;Dipping&raquo; definiert wurde. Ein physiologisches Dipping liegt vor, wenn die n&auml;chtlichen Blutdruckwerte 10&ndash;20 % unter dem tags&uuml;ber gemessenen Blutdruck liegen. &laquo;Diese zirkadianen Schwankungen finden sich auch bei unbehandelten Hypertonikern, allerdings auf einem h&ouml;heren Niveau&raquo;, sagte PD Dr. med. Philipp Valko von der neurologischen Klinik am USZ. Wenn in der 24h-Blutdruckmessung das Dipping fehlt, ist dies hingegen auff&auml;llig. In diesen F&auml;llen sollte immer an die M&ouml;glichkeit einer Schlafst&ouml;rung gedacht werden. Der wichtigste Ausl&ouml;ser eines &laquo;Non-Dipping&raquo; ist das obstruktive Schlaf- Apnoe-Syndrom (OSAS). &laquo;Die Betroffenen k&ouml;nnen aufgrund der Apnoen im Minutentakt aufwachen, ohne dass sie etwas davon bemerken&raquo;, so der Neurologe.<br /> Wie eine &auml;ltere Untersuchung zeigte, kommt es w&auml;hrend der Apnoephasen zun&auml;chst zu einer Abnahme und anschliessend zu einem starken Anstieg der Sympathikusaktivit&auml;t und infolgedessen zu Blutdruckschwankungen.<sup>3</sup> &laquo;Diese repetitiven Sympathikusaktivierungen sind, so nimmt man an, verantwortlich f&uuml;r das erh&ouml;hte kardiovaskul&auml;re Risiko von Patienten mit einem OSAS&raquo;, erkl&auml;rte der Referent.<br /> Eine effektive Therapie, um den Apnoe- Hypopnoe-Index und den arteriellen Blutdruck bei OSAS-Patienten zu reduzieren, ist die therapeutische CPAP-Behandlung.<sup>4</sup></p> <p>Wie man heute weiss, ist die Behandlung des n&auml;chtlich erh&ouml;hten Blutdrucks ganz besonders wichtig.<sup>5</sup> &laquo;Die n&auml;chtliche Hypertonie ist im Vergleich zur Hypertonie w&auml;hrend des Tages der st&auml;rkere Pr&auml;diktor f&uuml;r kardiovaskul&auml;re Ereignisse&raquo;, sagte Valko. Zur h&auml;ufig gestellten Frage, ob man die Antihypertensiva am Abend verabreichen sollte, meinte Prof. Dr. med. Paolo Suter von der Klinik f&uuml;r Innere Medizin am USZ: &laquo;Mit Ausnahme der Betablocker, die einen negativen Einfluss auf die Melatoninsynthese haben, k&ouml;nnen alle Antihypertensiva am Abend gegeben werden. Wichtig ist, dass der Blutdruck in der Nacht nicht zu stark absinkt. Um das zu kontrollieren, ben&ouml;tigt man ein 24-Stunden- Profil.&raquo;</p> <h2>Diabetes und Hypertonie: Sweet News</h2> <p>Es waren die Zunahme von Todesf&auml;llen unter der intensiven Blutzuckerkontrolle in der ACCORD-Studie (2011) und das erh&ouml;hte kardiovaskul&auml;re (CV) Risiko unter bestimmten Antidiabetika, beispielsweise Rosiglitazon (2007), die die US-amerikanische Zulassungsbeh&ouml;rde FDA veranlassten, Studien &uuml;ber das CV Outcome zum Beweis der Sicherheit neuer Antidiabetika zu verlangen.<sup>6</sup> &laquo;Bis 2015 waren unsere Anspr&uuml;che an die Antidiabetika niedrig&raquo;, sagte Dr. med. Gurpreet Anand, Ober&auml;rztin an der Klinik f&uuml;r Endokrinologie, Diabetologie und Klinische Ern&auml;hrung am USZ. Von einem neuen Antidiabetikum wurde erwartet, dass es den Blutzucker effektiv senkt und bez&uuml;glich der CV Wirkung neutral ist. Umso &uuml;berraschter sei man von den Ergebnissen der EMPA- REG-OUTCOME-Studie gewesen.<sup>7</sup> Diese hatte gezeigt, dass das relative Risiko f&uuml;r schwere CV Ereignisse &ndash; vor allem Todesf&auml;lle &ndash; bei Patienten mit Typ-2-Diabetes und einem hohen CV Risiko durch die Einnahme des SGLT2-Inhibitors (SGLT2-I) Empagliflozin im Vergleich zu Placebo signifikant reduziert werden konnte (HR: 0,86; p=0,04). Die Behandlung mit Empagliflozin hatte zudem einen positiven Einfluss auf die Niereninsuffizienz und reduzierte die H&auml;ufigkeit Herzinsuffizienz- bedingter Hospitalisationen.<sup>1, 8</sup> &laquo;Die positiven kardiovaskul&auml;ren und renalen Effekte von Canagliflozin in der CANVAS-Studie<sup>9</sup> weisen darauf hin, dass es sich wahrscheinlich um einen Klasseneffekt der SGLT2-Inhibitoren handelt&raquo;, sagte Anand.<br /> Die vorteilhafte Wirkung der SGLT2- Hemmer auf Herz und Niere ist neben einer moderaten HbA<sub>1c</sub>-Senkung auf eine Blutdruckabnahme und Gewichtsreduktion zur&uuml;ckzuf&uuml;hren. Die Gewichtsabnahme ist das Resultat einer unabh&auml;ngig vom Blutzuckerspiegel induzierten Glukosurie und einer vermehrten Natrium- und Wasserausscheidung. Zu den potenziellen Mechanismen, die zu einer Blutdruckabnahme f&uuml;hren, geh&ouml;ren eine erh&ouml;hte renale Salzsensitivit&auml;t, neurohormonelle und direkte vaskul&auml;re Effekte der SGLT2-Hemmer sowie die Abnahme der renalen Fettakkumulation und -inflammation. Die pleiotropen Effekte, die mit einer Abnahme der CV Ereignisse assoziiert sind, wurden in einem Beitrag mit dem Titel &laquo;Unsweetening the heart&raquo; zusammengefasst, der Ende 2017 im &laquo;American Journal of Hypertension&raquo; erschienen ist (Abb. 1).<sup>10</sup> Bez&uuml;glich des Auftretens zerebrovaskul&auml;rer Ereignisse unter der Behandlung mit SGLT2-I sind die bislang verf&uuml;gbaren Daten widerspr&uuml;chlich. Auch das Risiko f&uuml;r nicht t&ouml;dliche Myokardinfarkte konnte in den Studien nicht reduziert werden. Diese Ergebnisse haben zu der Vermutung gef&uuml;hrt, dass die atherosklerotischen Prozesse unbeeinflusst und dass andere, zum Teil unbekannte Mechanismen f&uuml;r die vorteilhafte Wirkung der SGLT2-I verantwortlich sind. Unabh&auml;ngig von den neuen Antidiabetika gilt in der Diabetesbehandlung auch weiterhin, dass sich das Auftreten von makrovaskul&auml;ren Komplikationen nur durch eine langfristige glyk&auml;mische Kontrolle beeinflussen l&auml;sst. W&auml;hrend f&uuml;r die Behandlung von Hochrisikopatienten eine Behandlung mit SGLT2-I in Erw&auml;gung gezogen werden sollte, ist die Situation bei j&uuml;ngeren Patienten mit einem neu diagnostizierten Typ-2-Diabetes unklar. In die Outcome-Studien EMPA-REG OUTCOME und CANVAS wurden Hochrisikopatienten eingeschlossen. &laquo;Bei jungen Patienten w&auml;re ich etwas zur&uuml;ckhaltend&raquo;, so die Spezialistin.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Innere_1802_Weblinks_lo_innere_medizin_1802_s44_abb1.jpg" alt="" width="1419" height="1220" /></p></p> <p class="article-quelle">Quelle: 13. Zürcher Hypertonietag, 18. Januar 2018, Zürich </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Longstreth WT Jr et al.: Clinical correlates of white matter findings on cranial magnetic resonance imaging of 3301 elderly people. The cardiovascular health study. Stroke 1996; 27: 1274-82 <strong>2</strong> van der Holst HM et al.: White matter changes and gait decline in cerebral small vessel disease. Neuroimage Clin 2017; 17: 731-38 <strong>3</strong> Somers VK et al.: Sympathetic neural mechanisms in obstructive sleep apnea. J Clin Invest 1995; 96: 1897-904 <strong>4</strong> Becker HF et al.: Effect of nasal continuous positive airway pressure treatment on blood pressure in patients with obstructive sleep apnea. Circulation 2003; 107: 68-73 <strong>5</strong> Fagard RH et al.: Daytime and nighttime blood pressure as predictors of death and cause-specific cardiovascular events in hypertension. Hypertension 2008; 51: 55-61 <strong>6</strong> ACCORD Study Group: Long-term effects of intensive glucose lowering on cardiovascular outcomes. N Engl J Med 2011; 364: 818-28 <strong>7</strong> Zinman B et al.: Empagliflozin, cardiovascular outcomes, and mortality in type 2 diabetes. N Engl J Med 2015; 373: 2117-28 <strong>8</strong> Fitchett D et al.: Heart failure outcomes with empagliflozin in patients with type 2 diabetes at high cardiovascular risk: results of the EMPA-REG OUTCOME<sup>&reg;</sup> trial. Eur Heart J 2016; 37: 1526-34 <strong>9</strong> Neal B et al.: Canagliflozin and cardiovascular and renal events in type 2 diabetes. N Engl J Med 2017; 377: 644-57 <strong>10</strong> Pioli MR et al.: Unsweetening the heart: possible pleiotropic effects of SGLT2 inhibitors on cardio and cerebrovascular alterations in resistant hypertensive subjects. Am J Hypertens 2018; 31: 274-80</p> </div> </p>
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