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Vorhofflimmern (VHF)

Digitales VHF-Screening & Intervention: das Austrian Digital Heart Program

Da Vorhofflimmern häufig asymptomatisch ist und nur intermittierend auftritt, wird die Diagnose oft zu spät gestellt, wenn bereits Komplikationen aufgetreten sind. Daher liegt im frühzeitigen Erkennen (Screening) von Vorhofflimmern ein großes Potenzial zur Verbesserung der Krankheitslast.

Keypoints

  • Vorhofflimmern ist die häufigste anhaltende Herzrhythmusstörung beim Erwachsenen, jedoch wird sie häufig nicht erkannt.

  • Gewöhnliche Smartphones bieten eine digitale und eine breit anwendbare Screeningtechnologie (PPG-Messung) für die Früherkennung von Vorhofflimmern.

  • Das Austrian Digital Heart Program hat sich zum Ziel gesetzt, zu prüfen, ob ein Smartphone-basiertes Vorhofflimmern-Screening-undInterventionsprogramm zur Verbesserung des Outcomes auf Bevölkerungsebene führt.

Smartphones sind in der Bevölkerung weitverbreitet und haben sich zuletzt als nützliches Tool zum Vorhofflimmern-Screening erwiesen. Die zentrale Frage, ob ein Screening letztlich auch zu einem verbesserten Outcome führt, bleibt jedoch unbeantwortet. Das Austrian Digital Heart Program, das von der Abteilung für Kardiologie und Angiologie der Medizinischen Universität Innsbruck initiiert wurde und von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft mit rund 8 Millionen Euro gefördert wird, hat sich zum Ziel gesetzt, diese Frage mittels einer digitalen randomisierten Studie zu beantworten.

Das Problem

Vorhofflimmern (VHF) ist die häufigste anhaltende Herzrhythmusstörung und betrifft weltweit mehr als 59 Millionen Menschen. Die Anzahl von Patienten mit VHF über 55 wird sich von 2010 bis 2060 schätzungsweise mehr als verdoppeln. Interessant ist auch, dass unter allen europäischen Ländern Österreich die vierthöchste altersstandardisierte Inzidenz von VHF bei Männern (ca. 68 pro 100000) und die höchste bei Frauen (ca. 52 pro 100000) aufweist. VHF ist nicht nur ein bedeutender Risikofaktor für Schlaganfälle, sondern auch mit einem erhöhten Risiko für Herzinsuffizienz, Krankenhausaufenthalte, kognitive Beeinträchtigungen und Tod assoziiert. Somit ist Vorhofflimmern ein wichtiger Faktor, der zur Krankheitslast der Herz-Kreislauf-Erkrankungen beiträgt. Ein Hauptproblem liegt im rechtzeitigen Erkennen von VHF, unter anderem auch deshalb, weil es oft asymptomatisch ist und nur sporadisch auftritt. Vorstudien schätzen den Anteil der nicht identifizierten Personen mit VHF auf 13% bis 35%. Dabei haben Studien wie ASSERT gezeigt, dass auch sog. subklinisches VHF mit einem signifikant erhöhten Schlaganfallrisiko verbunden ist. Eine weitere Herausforderung ist die anschließende effektive Behandlung. Vorherige VHF-Screeningstudien haben sich sehr stark auf den Schlaganfall fokussiert. Zu den nachgelagerten Maßnahmen sollte aber auch die Behandlung von Risikofaktoren und Begleiterkrankungen gehören. Insgesamt ist es aber bisher noch keiner Studie gelungen, einen überzeugenden klinischen Nutzen für das Screening von VHF zu belegen. Es braucht deshalb neue Ansätze, die ein frühes und effektives Erkennen von VHF und die anschließende Einleitung einer individualisierten und effektiven Behandlung ermöglichen, die die Krankheitslast von VHF bedeutsam reduzieren.

Digitale Medizin als vielversprechender Ansatz

Digitale Screeningstrategien sind hierfür ein besonders vielversprechender Ansatz. Dies gilt insbesondere für die Verwendung von Smartphones, die in der Bevölkerung weitverbreitet sind (ca. bei 90% der Menschen). Mit eBRAVE-AF haben wir erstmals eine digitale randomisierte Studie zur diagnostischen Effizienz einer Smartphone-basierten VHF-Screeningstrategie in einer Population unter Risiko („at risk“) durchgeführt. eBRAVE-AF zeigt, dass eine digitale Screeningstrategie die Rate von neu diagnostiziertem, behandlungsrelevantem VHF im Vergleich zum Routine-Screening mehr als verdoppelt. Somit ist das Smartphone ein skalierbares diagnostisches Tool, um ein Screening auf Populationsebene durchzuführen. Ob die Anwendung einer digitalen VHF-Screeningstrategie jedoch auch zu einer Verbesserung des klinischen Outcomes führt, wurde bisher nicht untersucht. Diese zentrale Frage ist zu beantworten, bevor ein Screening mittels Smartphone empfohlen werden kann. Das Austrian Digital Heart Program, das von der Abteilung für Kardiologie und Angiologie der Medizinischen Universität Innsbruck ins Leben gerufen wurde, knüpft genau hier an (Abb. 1). Das Hauptziel besteht darin, eine Smartphone-basierte digitale VHF-Screening- und Interventionsstrategie zu entwickeln und in einer großen, digitalen und randomisierten Studie zu zeigen, dass damit die VHF-assoziierte Morbidität und Mortalität reduziert werden kann. Hierfür werden in enger Kooperation mit dem Austrian Institute of Technology und der Abteilung für Kardiologie der Medizinischen Universität Graz zunächst maßgeschneiderte Software- und Hardwarelösungen, um VHF besser zu erkennen und zu behandeln, entwickelt und in Pilotstudien getestet. Die entwickelten Tools werden letztlich in einer randomisierten klinischen Studie auf harte klinische Endpunkte untersucht. Besondere Merkmale dieser RCT sind unter anderem:

  1. Integration in das öffentliche Gesundheitssystem über ELGA,

  2. zentrumslose, digitale Studie,

  3. bevölkerungsweiter Ansatz,

  4. Anwendbarkeit auf allen gängigen Smartphones,

  5. Verwendung eines digitalen Interventionsmodules und

  6. Kosteneffektivitätsanalyse.

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Abb. 1: Das Austrian Digital Heart Program besteht aus vier „work packages“ mit dem Ziel, zu prüfen, ob ein Smartphone-basiertes Vorhofflimmern-Screening- und Interventionsprogramm zur Verbesserung des Outcomes auf Bevölkerungsebene führt

Wenn sich dieser Ansatz bewährt, könnten sich durch das Austrian Digital Heart Program die Früherkennung und die Behandlung von Vorhofflimmern grundlegend verbessern. Darüber hinaus kann dieses Studienprogramm als „blue print“ für weitere Projekte der digitalen Medizin in der Kardiologie und darüber hinaus dienen.

Erstpublikation in Cardio News Austria 1-2/2024 in adaptierter Form

bei den Verfassern

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