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Die konservative Therapie der frischen Achillessehnenruptur

Achillessehnenrupturen sind nicht nur ein Problem für den betreffenden Patienten, sondern auch für die Gesellschaft. Es betrifft zumeist Personen in ihren aktiven Jahren. Wenn sie nicht suffizient behandelt werden, begleitet sie das Problem das ganze Leben.1

Akute Achillessehnenrupturen treffen typischerweise junge, aktive Erwachsene. Die Inzidenz hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen und lag in einer der letzten Studien aus Dänemark bei 37/100000 Einwohnern. Das Verhältnis Männer zu Frauen beträgt 5:1.

Pathogenese

Zu den Ursachen für das Auftreten einer Achillessehnenruptur wurden zahlreiche Theorien aufgestellt:2 Histologische Studien konnten degenerative Veränderungen in Präparaten darstellen. Die Anzahl der Kollagenfibrillen nimmt im Laufe des Alters ab, weswegen das Alter ebenfalls als prädisponierender Faktor angesehen wird. Cortisoninjektionen in Rattensehnen verursachten Sehnennekrosen und eine verlängerte Heilung, sodass die Anwendung von Cortison als Risikofaktor anerkannt ist. Demgegenüber konnten allerdings prospektive und retrospektive Studien den Kausalzusammenhang zwischen dem Gebrauch von Kortikosteroiden und der akuten Achillessehnenruptur nicht beweisen.3 Fluorchinolone werden als Risikofaktor für das Auftreten von Achillessehnenrupturen angesehen: In einer Kohortenstudie mit 6,4 Millionen Menschen konnte gezeigt werden, dass durch die Verwendung von Chinolonen das Risiko, eine Achillessehnenruptur zu erleiden, verdoppelt wird.4 Auch die Gefäßversorgung der Achillessehne wird als Kofaktor für das Auftreten einer traumatischen Achillessehnenruptur angesehen, insbesondere da der am häufigsten betroffene zentrale Anteil der Achillessehne (etwa 4–8 cm oberhalb des Fersenbeins) nur über einen Ast der peronealen Arterie versorgt wird, während der muskulotendinöse Übergang bzw. auch der Übergang der Achillessehne in das Fersenbein von der Arteria tibialis versorgt und den angrenzenden Strukturen werden. Neuere Studien konnten allerdings zeigen, dass sich die Blutversorgung der Achillessehne proportional zur Zunahme der Muskelmasse verbessert, was der Gefäßtheorie widerspricht.5

Insgesamt ist die Genese der Achillessehnenruptur bis dato immer noch nicht eindeutig geklärt. Da allerdings die Mehrzahl der Studien atraumatische Ursachen betont und degenerative Veränderungen, das Alter und auch die Geschlechterverteilung wesentliche Hinweise auf atraumatische Einflüsse sind, muss schon festgehalten werden, dass eine hundertprozentig traumatische Ursache für eine Achillessehnenruptur eine Seltenheit darstellt.

Neben der direkten Durchtrennung durch scharfe Gegenstände ist die exzentrische Belastung beim Sport bzw. im täglichen Leben als Ursache anerkannt. Das alleinige Weglaufen beim Sport, ohne dass ein Hinweis auf eine (Über-)Streckung des Knies und gleichzeitig eine massive Dorsalextension beim Weglaufen besteht, ist als traumatische Ursache nicht ausreichend.

Diagnostik

Die Diagnostik der akuten Achillessehnenruptur beruht hauptsächlich auf der klinischen Untersuchung, wobei in unseren Breiten der Thompson-Test am weitesten verbreitet ist: Dabei wird in Bauchlage und bei gestrecktem Knie die Wadenmuskulatur quer komprimiert und die dadurch verursachte Plantarflexion wird im Seitenvergleich beurteilt. Der Matles-Test ist weniger bekannt: Bei ihm wird in Bauchlage und bei rechtwinklig gebeugtem Kniegelenk die sich spontan einstellende Stellung der Fußsohle im Seitenvergleich beurteilt. Bei intakter Achillessehne steht der Fuß in etwa 10–20° Plantarflexion, bei Ruptur aber in Neutralstellung oder leichter Dorsalextension.

Basis der konservativen Therapie ist die Ultraschalluntersuchung. In dieser wird einerseits die Diagnose bestätigt und andererseits anhand dreier Kriterien die Eignung für eine konservative Therapie bestimmt.6 Diese Kriterien sind:

  1. Der Abstand der Sehnenenden in Neutralstellung des oberen Sprunggelenkes darf nicht mehr als 10 mm betragen.

  2. Es muss eine Adaptation der Sehnen­enden bis 20° Plantarflexion erfolgen. Dies zu beurteilen ist am besten mit einem angelegten Goniometer möglich, um eine Hyperflexion zu vermeiden. Denn in nahezu jedem Fall ergibt sich bei endgradiger Plantarflexion (z. B. 40°) eine Sehnenadaptation. Diese Stellung kann jedoch nicht in einer Orthese gewährleistet werden. Ein MRT kann diese Information nicht liefern.

  3. Ein interponierendes Rupturhämatom muss ausgeschlossen werden.

  4. Proximale Rupturen am muskulotendinösen Übergang sind für die operative Therapie schlecht geeignet und eine Domäne der konservativen Therapie.

Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann über eine konservative Therapie nachgedacht werden, wobei bei der Indikationsstellung besonders auf die notwendige Compliance des Patienten geachtet werden muss, ebenso wie auf die sportliche Aktivität und den sportlichen Leistungsanspruch, und auch internistische Zusatzerkrankungen müssen in die Überlegungen einbezogen werden. Im Besonderen soll auf die Möglichkeit des schleichenden Achillessehnenrisses, insbesondere bei internistischen Zusatzerkrankungen oder ausgedehnten degenerativen Veränderungen, hingewiesen werden. Bei diesen Zustandsbildern fehlt, obwohl ein akutes Ereignis berichtet wird, sehr häufig das ausgedehntere typische Hämatom; dies ist hochverdächtig auf einen auf rein degenerativer Basis beruhenden Achillessehnenriss. Diese Rupturen sind der funktionellen Therapie weniger zugänglich; ein endoskopisch gestützter Flexor-hallucis-Transfer ist hier eine minimalinvasive Möglichkeit.

Konservative Therapie

Nach Diagnosestellung und Entschluss zur konservativen Therapie kann sofort eine (pneumatische) Orthese in der maximal möglichen Flexionsstellung angelegt werden. Dazu werden 3 Fersenkeile im Ausmaß von etwa 1–1,5cm an der Ferse beigelegt. Der Patient erhält initial Stützkrücken. Ein Längenausgleich für die gesunde Seite muss verordnet werden und der Patient erhält die Erlaubnis, innerhalb der ersten Tage nach der Verletzung bereits mit der zunehmenden Belastung bis zur Vollbelastung zu beginnen. Die rasche Vollbelastung und anschließende frühzeitig beginnende Physiotherapie können das funktionelle Ergebnis erheblich verbessern. Hüfner et al. empfehlen die Physiotherapie ab der 3. Woche initial mit Gangschulung, um eine Außenrotationsfehlhaltung der Hüfte zu vermeiden.7

Twaddle und Mitarbeiter haben ein funktionelles Konzept beschrieben, bei welchem der Fuß in den ersten 10 Tagen in Plantarflexionsstellung von 20° Grad gegipst wird.8 Es wird dann auf ein abnehmbares Unterschenkelbrace gewechselt und der Patient wird angehalten, stündlich 5 Minuten die Bewegungen zu üben. Dazu soll er das Bein frei hängen lassen, er darf aktiv bis an die Neutralstellung dorsal extendieren (Plantarflexion nur passiv). In der 6. Woche wird mit der Belastungbegonnen, in der 8. Woche wird die Orthese entfernt und mit Vollbelastung ohne Krücken begonnen. Beim Vergleich mit einer offen operierten Kontrollgruppe wurde nach 26 Monaten eine durchschnittliche Umfangsminderung der operierten Seite um 7mm in beiden Gruppen festgestellt. Nach 52 Wochen war die konservativ-funktionell behandelte Gruppe mit einer Umfangsdifferenz von 2mm besser als die operierte Gruppe mit 5mm.8 Dass dieses Konzept in der österreichischen Bevölkerung nicht realisierbar ist, liegt auf der Hand. Es zeigt aber, dass eine gewisse begrenzte Bewegung ab der mittleren Heilungsphase einen positiven Effekt ausüben kann.

Bezüglich der Heilung der Achillessehne haben Heinemeier et al. festgestellt, dass der zentrale Anteil der Achillessehne bis etwa zum 20. Lebensjahr geformt wird und sich dann nicht mehr regeneriert. Die peripheren Strukturen der Achillessehne sind sehr wohl in der Lage, Struktur, Zusammensetzung und mechanische Eigenschaften anzupassen, was die zentralen Strukturen anscheinend nicht können.9

Die Sehnenheilung selbst verläuft in 3Stufen: Die inflammatorische Phase dauert etwa 10–14 Tage. Es bildet sich ein Sehnenkallus, dieser geht dann in die proliferative Phase über. In dieser proliferativen Phase kann durch vorsichtige mechanische Belastung das Ergebnis verbessert werden. Die Phase des Remodelings startet etwa nach 4–12 Wochen und kann bis zu einigen Jahren dauern.

Betrachtet man die Ergebnisse, so wird in der Literatur eine Rerupturrate von 2,8% nach der operativen Therapie und von 6,6% nach der konservativen Therapie berichtet.8,10–12 Eine Metaanalyse zeigt allerdings eine Rerupturrate von 3–5% nach der operativen Therapie und von 9–13% nach der konservativen Therapie.13 Bezüglich der Rerupturrate ist also die operative Therapie der konservativen Therapie überlegen. Die anderen Komplikationen, wie Infektion, Wundheilungsstörungen, Beinvenenthrombosen etc., erreichen in der Literatur allerdings ein Ausmaß bis zu 34% nach operativer Therapie, im Vergleich zu 8% bei konservativer Therapie. Bezüglich der funktionellen Ergebnisse gibt es Mitteilungen, welche die operative Therapie etwas besser darstellen. Metaanalysen zeigen dies dann allerdings nicht.

Bezüglich dieser Ergebnisbewertung muss allerdings kritisch angemerkt werden, dass als Zielgröße zumeist die Reruptur als Endpunkt angenommen wird. Vergleichende Untersuchungen der Wadenumfänge, welche sehr gut die Funktionalität repräsentieren, finden sich nur wenige. Anhand der eigenen Beurteilung der Ergebnisse nach operativer und konservativer Therapie von Achillessehnenrupturen und deren Beurteilungen im Rahmen der AUVB kann ich aus der Erfahrung von über 50 beurteilten Achillessehnenrupturen feststellen, dass die weiter oben angeführten Kriterien für eine nicht operative Behandlung sehr häufig nicht eingehalten werden. Deswegen sind die sich im Rahmen der Begutachtung darstellenden funktionellen Ergebnisse der konservativen Therapie teilweise deutlich schlechter als in der Literatur angegeben. Dass die weiter oben angeführten Einschlusskriterien genau beachtet werden sollten, kann somit nur betont werden.

Zusammenfassung

  • Die konservative Therapie der Achillessehnenruptur ist eine anerkannte Option, welche allerdings die Einhaltung der weiter oben angeführten Einschlusskriterien voraussetzt.

  • Proximale Rupturen am muskulotendinösen Übergang können sehr gut konservativ behandelt werden.

  • Werden die Einschlusskriterien nicht erfüllt, ist die operative Therapie indiziert. Hier wird der minimalinvasiven Achillessehnennaht, z.B. mit dem Dresdner Instrumentarium, der Vorzug gegenüber dem offenen Vorgehen gegeben.

  • Die konservative Therapie der Achillessehnenruptur hat eine etwa 2- bis 3-fach höhere Rerupturrate als die operative Therapie.

  • Die operative Therapie hat eine deutlich höhere Rate an sonstigen Komplikationen (laut Literatur bis zu 4- bis 5-fach).

  • Eine frühzeitige Vollbelastung und eine kontrollierte vorsichtige Bewegungstherapie ab etwa der 3.–4. Woche aus der Orthese unter Vermeidung einer Dorsalextension scheint der rein konservativen immobilisierenden Therapie überlegen zu sein.

Ergänzung: Aktuelles Nachfragen bei Prof. Rammelt in Dresden ergab, dass in Dresden inzwischen 90% der Patienten minimalinvasiv operativ und dann im Weiteren funktionell mit Orthese, frühzeitiger Vollbelastung und nach einigen Wochen beginnender vorsichtiger Physiotherapie behandelt werden.

1 Barfod KW: Dan Med J 2014; 61(4): B4837 2 Niek van Dijk C et al. (eds.): Achilles tendon rupture. DJO Publications 2008 3 Gill SS et al.: JBJS Am 2004; 86-A: 802-6 4 Wise BL et al.: Am J Med 2012; 125(12): 1228.e23-8 5 Wang JH-C: J Biomech 2006; 39(9): 1563-82 6 Hüfner T et al.: Unfallchirurg 2010; 113: 699-704 7 Hüfner T et al.: Foot Ankle Int 2002; 23(7): 614-8 8 Twaddle BC, Poon P: Am J Sports Med 2007; 35(12): 2033-8 9 Heinemeier KM et al.: FASEB J 2013; 27(5): 2074-9 10 Keating JF, Will EM: JBJS Br 2011; 93(8): 1071-8 11 Nilsson-Helander K et al.: Am J Sports Med 2010; 38(11): 2186-93 12 Willits K et al.: JBJS Am 2010; 92(17): 2767-75 13 Khan RJ, Carey Smith RL: Cochrane Database Syst Rev 2010; (9): CD003674

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