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Der neue ÖGP-Präsident im Gespräch

„Ich möchte die Früherkennung von Lungenkrebs intensivieren“

Im Rahmen der letztjährigen Generalversammlung der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP) wurde Prim. Univ.-Prof. Dr. Bernd Lamprecht, Linz, zum neuen ÖGP-Präsidenten gewählt. Im Interview spricht er über seine Pläne für die nächsten zwei Jahre und wichtige Maßnahmen zur Gesundheitsförderung.

Der renommierte Lungenexperte Prim. Univ.-Prof. Dr. Bernd Lamprecht leitet seit 2013 die Universitätsklinik für Innere Medizin mit Schwerpunkt Pneumologie und Infektiologie am Kepler Universitätsklinikum in Linz, seit 2015 ist er wissenschaftlicher Leiter der pneumologischen Rehabilitation der Rehaklinik Enns. Mit Februar 2022 erhielt Lamprecht die Professur für den Lehrstuhl für Innere Medizin mit Schwerpunkt Pneumologie an der Johannes Kepler Universität (JKU) Linz, seit Oktober 2023 ist Lamprecht zudem Dekan für Lehre und Studierende der medizinischen Fakultät der JKU. Lamprecht bringt seine Expertise auch bei diversen Institutionen ein. So ist er aktuell unter anderem Vorstandsmitglied der Krebshilfe OÖ, Mitglied des Obersten Sanitätsrates im Gesundheitsministerium, Vorstandsmitglied und Primarärzte-Vertreter der Ärztekammer Oberösterreich und Vorstandsmitglied der Austrian Lung Cancer Study Group.

Im Gespräch mit JATROS Pneumologie & HNO erzählt Lamprecht über die Schwerpunkte seiner Forschungstätigkeit, welche besonderen Ziele er während seiner ÖGP-Präsidentschaft verfolgt und welche Entwicklungen der medizinischen Versorgung ihm Freude und Sorgen bereiten.

Herr Univ.-Prof. Lamprecht, warum haben Sie sich für die Laufbahn als Mediziner entschieden und welche Beweggründe haben Sie zur Pneumologie gebracht?

B. Lamprecht: Die Medizin ist mir schon sehr früh und anhaltend bisheute als eine sehr erfüllende und sinnstiftende Tätigkeit erschienen. Sicherlich begründet auch auf einem gewissen naturwissenschaftlichen Interesse, das seit der Schulzeit besteht. Die Pneumologie habe ich dann während meiner Turnusausbildung in Salzburg als ein sehr spannendes internistisches Sonderfach kennengelernt, sodass mir dann die Entscheidung für dieses Fach recht leicht gefallen ist.

Welche sind für Sie die spannendsten Seiten an Ihrem Fachgebiet? Was könnte junge Mediziner:innen dazu motivieren, sich für das Fachgebiet zu entscheiden?

B. Lamprecht: Aus meiner Sicht ist besonders spannend, dass dieses Teilgebiet der Inneren Medizin einen sehr bunten Mix anbietet zwischen einerseits konservativer Medizinund anderseits interventionellen Behandlungs- und diagnostischen Möglichkeiten. Und dass der Bogen, den die Pneumologie letztlich hier spannt, wirklichsehr weit ist. Erreicht von der Allergologie bis hin zur pneumologischen Onkologie, von der Behandlung der Ventilationsstörungen hin zur pneumologischen Infektiologie.

Die Pneumologie bietet damit für viele Kolleginnen und Kollegen mit Interesse an Innerer Medizin die Möglichkeit, sich in einzelnen Nischen tatsächlich zu vertiefen und zu spezialisieren, ohne den Gesamtüberblick über dieses abgesteckte Gebiet der Inneren Medizin gänzlich zu verlieren.

Sie sind auch in der Forschung sehr aktiv. Welche wissenschaftlichen Schwerpunkte werden in Ihrem Tätigkeitsbereich gesetzt?

B. Lamprecht: Im Bereich meiner Klinik haben wir uns drei größere Schwerpunkte gesetzt. Wir behandeln – und daher forschen wir auch in diesemBereich – sehr viel im Bereich der pneumologischen Infektiologie. Da geht es u.a. um Tuberkulose und nichttuberkulöse Mykobakterien. Ein weiteres Forschungsgebiet sind Lungenkarzinomerkrankungen und obstruktive Ventilationsstörungen. Diesbezüglich konnten wir zum Beispiel einen Beitrag zum Verständnis der Epidemiologie der COPD leisten.

Welche Innovationen bzw. Entwicklungen in der Pneumologie der letzten Zeit sind aus Ihrer Sicht besonders bemerkenswert?

B. Lamprecht: Einen bemerkenswerten Fortschritt haben wir zum Beispiel in der Behandlung der zystischen Fibrose verzeichnen dürfen. Genauso aber auch bei Lungenfibrose und in einem atemberaubenden Tempo natürlich beim Lungenkarzinom, wo wir de facto alle paar Monate neue Entwicklungen beobachten und auch rasch in Anwendung bringen können. Wichtige Stichworte dazu sind die Targeted Therapy oder die Immuntherapie, auch neoadjuvante Therapieansätze. Besonders hervorheben möchte ich die Behandlung des schweren Asthmas mit Biologika. Hier steht uns inzwischen eine große Palette an Therapiemöglichkeiten zur Verfügung und wir können dadurch sehr gezielt in die Entzündungskaskade eingreifen.

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Abb.: Prim. Univ.-Prof. Bernd Lamprecht leitet seit 2013 die Universitätsklinik für Innere Medizin mit Schwerpunkt Pneumologie und Infektiologie am Kepler Universitätsklinikum (KUK) – hier ist er mit der 2019 am Dach des Klinikums installierten Pollenfalle zu sehen

Welche wissenschaftlichen bzw. therapeutischen Meilensteine erhoffen Sie sich in der nahen Zukunft?

B. Lamprecht: Persönlich hoffe ich, dass wir bei der Früherkennung einen Schritt vorwärts machen, daneben aber weiterhin nicht die Prävention außer Acht lassen. Denn Prävention ist noch besser als die Reparaturmedizin. Im Bereich von Lungenschädigungen liegt ein gewisses Hoffnungspotenzial auch in Stammzelltherapien. Das wäre eine Möglichkeit, geschädigtes Gewebe auch wieder zu erneuern und nicht nur den Verlauf der Erkrankung zu modellieren. Hier habe ich gewisse Hoffnung,dass wir das in den nächsten Jahren durchaus schrittweise erleben werden.

Die Folgen der Covid-19-Pandemie sind nach wie vor spürbar, Stichwort Long Covid. Welche Maßnahmen müssen Ihrer Meinung nach gesetzt werden, um Betroffene mit postinfektiösen Infektionssyndromen ausreichend versorgen zu können?

B. Lamprecht: Eine wesentliche Maßnahme war für mich, dass eine gemeinsame Leitlinie vieler Fachgesellschaften unter der Federführung der Österreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin ausgearbeitet wurde. Diese Handlungsempfehlungen beziehen sich auf mehrere postvirale Zustände. Daneben glaube ich, dass das Vorhaben des Gesundheitsministeriums, ein Kompetenzzentrum einzurichten und auch die Forschung in diesem Bereich der postviralen Zustände zu intensivieren, jedenfalls angebracht ist. Auch deshalb, weil wir ja durchaus an-nehmen müssen, dass das nicht das letzte pandemische Geschehen ist, mit dem wir konfrontiert sind. Da sollten wir in Zukunft noch besser vorbereitet sein. Eine positive Auswirkung der Pandemie ist sicherlich, dass man der Infektiologie wieder einen höheren Stellenwert beimisst und auch Förderungen und Ressourcen für diesen Bereich in Aussicht stellt. Ich denke hier auch an das inter-universitäre Ignaz Semmelweis Institut, dass zwischen den etablierten medizinischen Universitäten gegründet wurde und das Expertise in diesem Bereich bündeln helfen soll.

Sie haben kürzlich die Präsidentschaft der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie übernommen. Welche Projekte liegen Ihnen in dieser Funktion besonders am Herzen?

B. Lamprecht: Besonders am Herzen liegen mir die Bemühungen, die Lungenkrebsfrüherkennung zu intensivieren und hier seitens der wissenschaftlichen Gesellschaft einen Beitrag zu leisten, dass eine Umsetzung in absehbarer Zeit möglich wird. Viele Rahmenbedingungen der Lungenkrebsfrüherkennung sind bereits durch Studien geklärt; das heißt konkret, dass wir die Risikopopulation ziemlich genau eingrenzen können. Wir wissen auch, mit welchen Methoden und in welchen Intervallen Untersuchungen sinnvoll sind. Für Österreich ist aber noch die Klärung darüber notwendig, welche Leistung an welchem Ort von wem er-bracht werden soll, wie hier die Abstimmungsprozesse und letztlich wohl auch die Kostenübernahme exakt aussehen sollen. Und vor allem braucht es, denke ich, eine Vorgabe, wie mit den Befunden umzugehen ist, die im Rahmen eines Früherkennungsprogrammes erhoben werden. Die Umsetzung braucht einen hohen Grad an Standardisierung, damit die Qualität gesichert ist.

Neben der Lungenkrebsfrüherkennung ist es mir ein Anliegen, die individuelle Gesundheitskompetenz der Menschen weiter zu verbessern – gerade in einer Phase des Fachkräftemangels und der gleichzeitig starken Beanspruchung des Gesundheitssystems erscheint mir das vorrangig wichtig.

Wie möchten Sie dieses Anliegen der verbesserten Gesundheitskompetenz konkret umsetzen?

B. Lamprecht: Es geht in erster Linie darum, in der Bevölkerung Awareness für Symptome und Erkrankungen zu schaffen – und vor allem aber auch Motivation zur Prävention und Früherkennung. Es laufen bereits Awareness-Programme, die auch von der ÖGP unterstützt werden. Dabei geht es beispielsweise darum, Menschen bezüglich der Risiken von inhalativen Noxen wie Zigarettenrauch zu sensibilisieren oder sie darüber aufzuklären, bei bestimmten Symptomen Spezialistinnen und Spezialisten zu kontaktieren, damit Erkrankungen zumindest frühzeitig erkannt werden, Stichwort Lungenfibrose.

Welche konkreten Maßnahmen zur Förderung des Nachwuchses setzt die ÖGP?

B. Lamprecht: Die ÖGP hat als wissenschaftliche Gesellschaft ein seit vielen Jahren gut funktionierendes Förderprogramm, indem wir Stipendien, aber auch Preise und Fördermöglichkeiten ausloben, um jungen Kolleginnen und Kollegen schmackhaft zu machen, sich in der Pneumologie mit speziellen Fragestellungen auseinanderzusetzen, sich auch in Teilbereichen zu spezialisieren, gegebenenfalls auch Techniken im Ausland zu erwerben und diese dann hier zu etablieren. Das möchten wir natürlich auch in den nächsten Jahren unbedingt in dieser Form fortsetzen.

Gibt es Entwicklungen in der Medizin, die Sie mit Sorge verfolgen?

B. Lamprecht: Die Fortschritte sehe ich prinzipiell sehr positiv. Ein wenig Sorge bereitet mir der Fachkräftemangel. Ein Schlagwort wäre in diesem Zusammenhang Babyboomer im Sinne von Generationen, die in das krankheitsgefährdete Alter kommen und denen eine reduzierte Anzahl von Leistungserbringern gegenübersteht. Das ist eine Situation, die wir so in der Vergangenheit noch nicht erlebt haben. Für die nahe Zukunft bedeutet das möglicherweise, dass sich diese hohen Ansprüche an das Gesundheitssystem eben etwas verändern und/oder wir uns Hilfestellungen holen müssen – durch mehr Gesundheitskompetenz, durch digitale Unterstützungslösungen und auch durch eine gelingende Patientenlenkung, von der wir leider noch ein Stück entfernt sind.

Wie beurteilen Sie den zunehmenden Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Medizin?

B. Lamprecht: Ich würde diese Entwicklung auch im Lichte des Fachkräftemangels einmal prinzipiell sehr positiv bewerten, wenn sie eine Entlastung der Tätigkeit von Ärztinnen und Ärzten bringt. Ich denke, gerade bei Mustererkennung oder beim Erfassen von Therapiemöglichkeiten durch die kombinatorische Analytik von histologischen Befunden, klinischen Informationen, Anamneseinformationen oder Komedikation. Ich kann mir vorstellen, dass wir viel Unterstützung und auch Zeitersparnis durch solche Lösungen erhalten können. Daher glaube ich, dass die künstliche Intelligenz in der Medizin aus Forschersicht ein sehr, sehr spannendes Gebiet ist.

Vielen Dank für das Gespräch!
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