
Masern in Österreich
Autor:
Dr. David Springer
Zentrum für Virologie
Medizinische Universität Wien
E-Mail: david.springer@meduniwien.ac.at
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Masern sind eine hoch ansteckende Viruserkrankung. Fälschlich als harmlose Kinderkrankheit abgetan, können Masern schwerwiegende Komplikationen verursachen und sogar tödlich verlaufen. In Österreich, das 2018 sogar den Eliminationszustand erreicht hatte, kam es 2024 zum größten Ausbruch seit 24 Jahren.
Vor der Einführung der Masernimpfungen erkrankte beinahe jeder Mensch, meist in der Kindheit, an Masern. Bis in die 1970er-Jahre gab es weltweit über 2 Millionen Maserntodesfälle jährlich.1 Dies änderte sich jedoch, als die hocheffektive Impfung breit verfügbar wurde. In den USA etwa gab es in den 1960er-Jahren noch über 500000 Fälle jährlich;durch die Impfung konnte die Rate innerhalb weniger Jahrzehnte auf wenige 100 Fälle pro Jahr gesenkt werden.2 Weltweit wurden somit allein in den Jahren 2000 bis 2018 durch die Masernimpfung über 23 Millionen Menschenleben gerettet.3 Doch leider gilt das nicht für alle Regionen der Welt. Weltweit erkrankten allein im Jahr 2023 immer noch über 10,3 Millionen Menschen an Masern, 107000 Menschen starben an deren Folgen. Besonders stark betroffen waren hier Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen.4
Symptomatik und mögliche Folgen
Masern beginnen meist mit Fieber, Husten, Schnupfen und einer Bindehautentzündung, bevor meist einige Tage später ein makulopapulöser Hautausschlag auftritt. Einer von fünf Masernerkrankten entwickelt Komplikationen, darunter Mittelohrentzündungen, Lungenentzündungen oder auch Enzephalitiden. In der Folge muss einer von fünf Erkrankten daher hospitalisiert werden, und etwa einer von tausend Erkrankungsfällen endet tödlich. Eine besonders tragische Spätfolge der Masern ist die subakute sklerosierende Panenzephalitis (SSPE), die über Jahre hinweg zu einer progressiv verlaufenden, neurologischen Schädigung führt und schließlich tödlich endet. Doch selbst eine überstandene Masernvirusinfektion kann das Immunsystem noch für 2 bis 3 Jahre schwächen. Durch die Zerstörung von B- und T-Zellen wird nämlich das Antikörpergedächtnis gegen andere Krankheitserreger erheblich reduziert. Dies führt dazu, dass Betroffene noch Jahre nach den Masern anfälliger für andere Infektionskrankheiten sind.1
Die hohe Ansteckungsrate macht Masern besonders gefährlich. Eine infizierte Person kann 12 bis 18 nichtimmune Personen anstecken. Deshalb ist eine Durchimpfungsrate von mindestens 95% mit zwei Dosen erforderlich, um Masern nachhaltig einzudämmen.1 Auch in Österreich konnte die Masernzirkulation durch erfolgreiche Impfprogramme eingedämmt werden. Seit dem Jahr 2000 gab es typischerweise weniger als 150 Masernfälle jährlich, mit größeren Ausbrüchen 2008 und 2015.5,6 2018 verlieh die WHO Österreich daher den Eliminationsstatus.
Während der Covid-Pandemie wurde 2021 und 2022 nur jeweils ein Fall bestätigt – wohl aufgrund der Reisebeschränkungen und weiterer gesundheitspolitischer Maßnahmen.
Rückkehr der Masern 2023
2023 kehrten die Masern jedoch im großen Stil nach Österreich zurück und verursachten 186 Fälle.5 Noch schlimmer wurde es 2024 mit 542 bestätigten Masernfällen – der größte Ausbruch in Österreich seit 24 Jahren! 120 Personen mussten hospitalisiert werden, davon 4 intensivmedizinisch betreut.5 Seit Jahresbeginn 2025 kam es bereits zu 53 bestätigten Fällen (Stand 26.2.2025).5 Die Altersspanne der Erkrankten reicht von 0 bis 68 Jahre, es sind also nicht nur Kinder betroffen.7 Die allermeisten Erkrankten (rund 94%) mit erhebbarem Impfstatus waren nicht gegen Masern geimpft (interne Daten bzw. AGES).
Das Zentrum für Virologie der Medizinischen Universität Wien dient als Referenzlabor für Masern und bestätigt Masernverdachtsfälle mittels PCR, Serologie und Sequenzierung. Durch eine Analyse der Genomsequenz konnten allein im Jahr 2024 über 21 verschiedene Masernsequenzen festgestellt werden, die somit unabhängigen Einschleppungen entsprechen. Dies zeigt, dass die Immunität in der österreichischen Bevölkerung 2024 also besonders häufig herausgefordert wurde. Tatsächlich kam es im letzten Jahr auch in weiteren europäischen und zentralasiatischen Ländern zu größeren Ausbrüchen. Ursache sind unter anderem während der Pandemie verpasste Impfungen – laut WHO betrifft dies rund 40 Millionen Kinder.8
Immunitätslücken bei Erwachsenen
Basierend auf Daten einer umfassenden Antikörperstudie konnten wir zudem zeigen, dass es in Österreich bei Kindern und jungen Erwachsenen große Immunitätslücken bezüglich Masern gibt und in manchen Geburtsjahrgängen sogar 11 bis 22% der Personen nicht ausreichend Antikörper gegen Masern aufweisen – also nicht oder nur unzureichend geimpft sind.7 Gleichzeitig zeigt sich, dass die aktuell bestehende Herdenimmunität derzeit noch zu großen Teilen dadurch gestützt wird, dass fast jeder vor der Einführung der Masernimpfung geborene Mensch in Österreich eine Masernerkrankung durchgemacht hat.7 Zwangsläufig wird dieser Anteil durch den demografischen Wandel immer kleiner – was die Bedeutung einer ausreichenden Durchimpfungsrate stetig vergrößert.
Fazit
Der einzige Wirt für das Masernvirus ist der Mensch, und es existiert eine hochwirksame Impfung – optimale Bedingungen, um die Masern nicht nur lokal zu eliminieren, sondern endgültig aus der Welt zu schaffen. Dies ist bereits bei den Pocken gelungen. Sollte dies jemals auch bei den Masern gelingen, dann wäre jetzt der richtige Zeitpunkt, um bestehende Impflücken zu schließen und Impfraten zu steigern.
Literatur:
Moss WJ: Measles. Lancet 2017; 390(10111): 2490-502
CDC: Measles Cases and Outbreaks. 2025; https://www.cdc.gov/measles/data-research/index.html; zuletzt aufgerufen am 20. 3. 2025
Patel MK et al.: Progress Toward Regional Measles Elimination – Worldwide, 2000-2018. MMWR Morb Mortal Wkly Rep 2019; 68(48): 1105-11
WHO: Measles cases surge worldwide, infecting 10.3 million people in 2023. 2025; https://www.who.int/news/item/14-11-2024-measles-cases-surge-worldwide--infecting-10.3-million-people-in-2023 ; zuletzt aufgerufen am 20. 3. 2025
AGES: Masern; https://www.ages.at/mensch/krankheit/krankheitserreger-von-a-bis-z/masern ; zuletzt aufgerufen am 19. 3. 2024
Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz: Statistics and case numbers of notifiable diseases in Austria; https://www.sozialministerium.at/Themen/Gesundheit/Uebertragbare-Krankheiten/Statistiken-und-Fallzahlen.html ; zuletzt aufgerufen am 20. 3. 2025
Springer DN et al.: Increasing immunity gaps on a wide population level in the light of recent measles outbreaks in Austria (accepted for publication). Eurosurveillance 2025
WHO: Nearly 40 million children are dangerously susceptible to growing measles threat. 2022; https://www.who.int/news/item/23-11-2022-nearly-40-million-children-are-dangerously-susceptible-to-growing-measles-threat ; zuletzt aufgerufen am 20. 3. 2025
Das könnte Sie auch interessieren:
ALLGEMEINE+ auf universimed.com
Ab sofort finden Sie alle Inhalte von ALLGEMEINE+ auf unserem Portal universimed.com! Sie müssen nichts weiter tun - die Log-in-Daten bleiben dieselben.
„Gegen HIV brauchen wir mehr als Medikamente“
Dr. Florian Breitenecker setzt sich als Allgemeinmediziner vor allem für ganzheitliche, bio-psycho-soziale Medizin ein, in der Stigmatisierung keinen Platz hat. Sein ...
Cholesterinsenkung
Die Publikation der 4S-Studie, die erstmals die Reduktion kardiovaskulärer Endpunkte durch eine Statintherapie zeigte, liegt nun 30 Jahre zurück. Seitdem wurden die therapeutischen Ziele ...