
Hypoglossusnervstimulation in Österreich
Autorin:
Dr. Birte Bender
Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde
Medizinische Universität Innsbruck
E-Mail: birte.bender@tirol-kliniken.at
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Für die Therapie des obstruktiven Schlafapnoesyndroms (OSAS) stehen konservative, apparative und operative Methoden zur Verfügung.Das Hauptproblem der CPAP-Therapie („Continuous positive airway pressure“-Therapie) liegt in der unregelmäßigen Nutzung – mit anderen Worten: in der Therapieadhärenz. Die Hypoglossusnervstimulation ist eine neue Alternative zur Behandlung des mittelschweren bis schweren OSAS bei limitierter Adipositas, Maskenunverträglichkeit und ungünstigen Voraussetzungen für eine herkömmliche chirurgische Therapie.
Keypoints
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Die selektive Hypoglossusnervstimulation mit dem Inspire-System ist ein zuverlässiges chirurgisches Verfahren mit einer niedrigen Nebenwirkungsrate.
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Die Therapie ist für ausgewählte Patienten mit OSAS bei CPAP-Versagen und -Intoleranz geeignet.
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Die nachhaltige OSAS-Kontrolle spiegelt sich auch in den patientenrelevanten Endpunkten einer normalisierten Tagesschläfrigkeit und verbesserten Tagesaktivität wider.
Die funktionelle Druckluftschienung der oberen Atemwege während des Schlafes mittels CPAP stellt seit über 30 Jahren die Goldstandardtherapie beim OSAS dar. Allerdings liegen die Therapieadhärenz und die Compliance aus medizinischen und psychologischen Gründen bei meist nur 30–70%.1,2 Als minimalinvasive Alternative bei mittelschwerer bis schwerer obstruktiver Schlafapnoe steht seit etwa 10 Jahren die Hypoglossusnervstimulation zur Verfügung.
Durch ein vollständig implantierbares System wird die Atemwegsdurchgängigkeit durch Stimulation des N. hypoglossus, und dadurch die gezielte Aktivierung der Muskeln der oberen Luftwege, im Schlaf verbessert.
Der Neurostimulator setzt sich aus einem Atemsensor, dem Schrittmacheraggregat und einer Stimulationselektrode zusammen (Abb.1). Nach operativer Platzierung der Stimulationselektrode an Protrusorästen des N. hypoglossus (Abb. 2) und Überprüfung der gewünschten Zungenbewegung erfolgt die Implantation eines Piezo-Atemsensors im Interkostalraum. Dieser zeichnet die Druckschwankungen eines jeden Atemzyklus (Inspiration und Exspiration) auf, um die elektrische Nervenstimulation zu synchronisieren. Sowohl das Elektrodenkabel als auch das Sensorkabel werden mit einem Führungsdraht unter der Haut getunnelt und bis zur rechten Brustseite geführt, wo sie am dort platzierten Schrittmacher (Impulsgenerator) fixiert werden. Durch die muskulöse Verbindung von Zunge und Weichgaumen über den M. palatoglossus wird bei Stimulation nicht nur eine Protrusion der Zunge, sondern auch eine Öffnung des Atemweges auf Höhe des Velopharynx erreicht.
Abb. 1: Postoperative Röntgen-Thorax-Aufnahme mit implantierten Systemkomponenten (Stim = Stimulationselektrode, Sens = Sensorelektrode)
Abb. 2: Aufzweigung der Hypoglossusfasern unter mikroskopischer Sicht (GSM = Glandula submandibularis, XII = Hauptstamm des N. hypoglossus, l-XII = laterale Hypoglossusfasern, m-XII = mediale Hypoglossusfasern, C-I = C1-Nerv der Ansa cervicalis, MH = M. mylohyoideus)
Seit 2015 werden an der Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde Innsbruck Hypoglossusschrittmacherimplantationen durchgeführt. Die Zuweisung erfolgt hauptsächlich durch das Schlaflabor der Klinik für Neurologie. Bisher haben in Tirol 21 Patienten diese Therapie erhalten, die mittlerweile auch an anderen Zentren (Salzburg, Graz, Wien) angeboten wird. Nach vorheriger Prüfung der Einschlusskriterien und Durchführung einer Schlafvideoendoskopie zum Ausschluss eines kompletten konzentrischen Kollapses im Velum wird die Implantation in einer rund dreistündigen Sitzung durchgeführt.
Postoperative Komplikationen wurden bis auf leichte Wundheilungsstörungen nur sehr selten beobachtet. Nach einer Einheilungsphase von 4 bis 8 Wochen wird das System aktiviert und nach einer weiteren Testphase schließlich im Schlaflabor therapeutisch im Rahmen einer Polysomnografie titriert.
Entwicklungen der letzten Jahre
Seit Juni 2017 steht das neue Modell Inspire IV™ zur Verfügung, welches deutlich kleiner, flacher und somit leichter ist und eine MRT-Kompatibilität für Kopf und Extremitäten besitzt. Auch die Implantationstechnik wurde weiterentwickelt und es sind seit Mai 2021 statt der üblichen drei Inzisionen nur noch zwei Inzisionen notwendig, da die Sensorelektrode im Bereich des Pulsgenerators im zweiten bis dritten Interkostalraum positioniert wird. Dadurch entstehen kürzere OP-Zeiten und für den Patienten eine bessere Wundheilung durch den Wegfall der oft als schmerzhaft empfundenen thorakalen Inzision.
Aktuelle Studienlage und Leitlinien-Empfehlungen
Zur Leistungsfähigkeit der Therapie in der Routineanwendung liegen u.a. Veröffentlichungen zu Untersuchungen an großen Kohorten bis 1800 Patienten und einem Kontrollzeitraum von drei Jahren vor.3,4 Alle Studien belegen konsistent, dass die Methode nachhaltig den Schweregrad der Schlafapnoe reduziert und die Lebensqualität der Betroffenen anhaltend verbessert sowie exzessive Tagesschläfrigkeit signifikant reduziert.5,6 Vergleichende Studien zeigen eine deutliche Überlegenheit gegenüber klassischen chirurgischen Verfahren, die bislang bei CPAP-Intoleranz angewandt wurden.7–9 Eine 2020 veröffentlichte Studie, in der die Stimulationstherapie mit Nichtbehandlung verglichen wurde, wies erhebliche positive Effekte auf den OSA-Schweregrad wie auch die Lebensqualität über einen Nachsorgezeitraum von 12 Monaten nach.10 Die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) hat die Methode 2017 in die S3-Leitlinie aufgenommen.11 Das Behandlungsverfahren wird zur Therapieoptimierung bei geeigneten Patienten mit OSAS empfohlen, wenn die Erstlinientherapie CPAP nicht toleriert wird oder keine ausreichende Reduktion des OSAS-Schweregrades bzw. der klinischen Symptomatik erreicht werden kann.
Finanzierung in Österreich
Die Beantragung eines eigenen medizinischen Einzelleistungscodes (MEL-Codes) über das Bundesministerium für Gesundheit wurde in den letzten Jahren mehrfach aufgrund mangelnder Evidenzlage abgewiesen, obwohl bereits mehr als 150 von Experten begutachtete Publikationen dazu vorliegen. Somit erfolgt die Finanzierung über den Krankenhausträger und den Tiroler Gesundheitsfonds. Eine erneute Beantragung ist für das Jahr 2023 vorgesehen.
Literatur:
1 Rotenberg BW et al.: Trends in CPAP adherence over twenty years of data collection: a flattened curve. J Otolaryngol Head Neck Surg 2016; 45(1): 43 2 Schoch OD et al.: Baseline predictors of adherence to positive airway pressure therapy for sleep apnea: a 10-year single-center observational cohort study. Respiration 2014; 87(2): 121-8 3 Suurna MV et al.: Impact of body mass index and discomfort on upper airway stimulation: ADHERE registry 2020 update. Laryngoscope 2021; doi: 10.1002/lary. 29755 4 Steffen A et al.: Long-term follow-up of the German post-market study for upper airway stimulation for obstructive sleep apnea. Sleep Breath 2020; 24(3): 979-84 5 Kompelli AR et al.: The outcomes of hypoglossal nerve stimulation in the management of OSA: a systematic review and meta-analysis. World J Otorhinolaryngol Head Neck Surg 2018; 5(1):41-8 6 Costantino A et al.: Hypoglossal nerve stimulation long-term clinical outcomes: a systematic review and meta-analysis. Sleep Breath 2020; 24(2): 399-411 7 Huntley C et al.: Comparison of traditional upper airway surgery and upper airway stimulation for obstructive sleep apnea. Ann Otol Rhinol Laryngol 2021; 130(4): 370-6 8 Huntley C et al.: Comparing upper airway stimulation to transoral robotic base of tongue resection for treatment of obstructive sleep apnea. Laryngoscope 2019; 129(4): 1010-3 9 Yu JL et al.: Transoral robotic surgery versus upper airway stimulation in select obstructive sleep apnea patients. Laryngoscope 2019; 129(1): 256-8 10 Mehra R et al.: Upper airway stimulation versus untreated comparators in positive airway pressure treatment-refractory obstructive sleep apnea. Ann Am Thorac Soc 2020; 17(12): 1610-9 11 Mayer G et al.: German S3 Guideline nonrestorative sleep/sleep disorders, chapter „sleep-related breathing disorders in adults,“ short version: German Sleep Society (Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin, DGSM). Somnologie 2017; 21(4): 290-301