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64. Österreichischer HNO-Jahreskongress 2020

HNO-Kongress: Was gibt es Neues?

Aufgrund der Coronavirus-Pandemie fand auch der 64. Jahreskongress der Österreichischen Gesellschaft für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie vom 14. bis 18.September 2020 virtuell statt. Wie jedes Jahr spannte sich der Themenbogen von der Rhinologie bis hin zur Otologie und Phoniatrie.

Beurteilung der CRS-Krankheitskontrolle durch nasale Symptome

Das Europäische Positionspaper bezüglich Rhinosinusitis und Polyposis nasi (EPOS 2012) empfiehlt, dass die Krankheitskontrolle der chronischen Rhinosinusitis (CRS) anhand der Qualität des Schlafes, der nasalen und kraniofazialen Unbehaglichkeitssymptome sowie der Nutzung von CRS-bezogenem Gebrauch von Antibiotika und systemischen Steroiden beurteilt wird. Dr. Marlene Speth, Aarau/CH, und Kollegen untersuchten daraufhin, welche dieser Krankheitsmanifestationen mit von Patienten empfundener Krankheitskontrolle assoziiert sind.

Eine prospektive Querschnittstudie schloss 76 CRS-Patienten ein, die in der Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenkrankheiten, Hals- und Gesichtschirurgie des Kantonsspitals Aarau, Schweiz, vorstellig wurden. Patienten beurteilten ihre gesamte CRS-Krankheitskontrolle als „überhaupt nicht“, „ein bisschen“, „etwas“, „sehr“ oder „komplett“. Beurteilungen wie „gar nicht“, „ein wenig“, „ein bisschen“ wurden als schlechte Krankheitskontrolle gewertet. Die Patienten bewerteten außerdem die Belastungen durch nasale und kraniofaziale Unbehaglichkeitssymptome sowie schlechten Schlaf mittels einer visuellen Analogskala (VAS) von 0 bis 100. Zuzüglich wurden die Anzahl der CRS-bezogenen Antibiosen und der systemische Steroidgebrauch in den letzten drei Monaten erhoben. Patienten füllten zusätzlich den Sinonasal Outcome Test 22 (SNOT-22) aus.

Von den Patienten beurteilte schlechte CRS-Krankheitskontrolle war nur assoziiert mit den nasalen VAS-Werten (OR=1,09; 95% CI: 1,03–1,15; p=0,002), aber nicht mit Schlaf oder VAS-Werten der kraniofazialen Unbehaglichkeit, CRS-bezogenem Antibiotikagebrauch oder CRS-bezogenem Gebrauch systemischer Steroide (p>0,05 in allen Fällen). Ein VAS-Wert der nasalen Symptome von >35 konnte sehr genau die von Patienten empfundene schlechte CRS-Krankheitskontrolle mit einer Sensitivität von 91,4% und einer Spezifität von 83,3% vorhersagen. Bei zusätzlicher Evaluation des SNOT-22 war nur die nasale Obstruktion mit schlechter CRS-Krankheitskontrolle assoziiert (OR=2,97; 95% CI: 1,33–6,61; p=0,008).

Nasale Obstruktion ist die primäre Krankheitsmanifestation, die CRS-Patienten bemerken. Ein einfaches nasales Symptom auf der VAS kann sehr genau diejenigen Patienten identifizieren, welche das Gefühl einer schlechten Krankheitskontrolle haben.

Quelle:
Speth MM et al.: Nasale Symptome, im Vergleich zu anderen Krankheitsmanifestationen, können von Patienten empfundene Krankheitskontrolle von CRS vorhersagen. Abstract FV 1; 64. Österreichischer HNO-Kongress 2020

Bedeutung von Hyposmie in der CRS-Krankheitskontrolle

Das EPOS 2012 empfiehlt, dass Hyposmie als Teil der CRS-Kontrolle beurteilt wird. Anhand einer Querschnittstudie mit 308 CRS-Patienten (CRS mit nasalen Polypen [CRSwNP]: 102 Patienten; CRS ohne nasale Polypen [CRSsNP]: 206 Patienten) ohne vorausgehende Sinusoperation wurde die Bedeutung von Hyposmie im Kontext der nasalen Obstruktion untersucht. Mittels des SNOT-22 wurde der Leidensdruck bei nasaler Obstruktion und Hyposmie von jedem Patienten beurteilt. Die Belastung durch Nasensekret wurde anhand der Rubriken „zähes Nasensekret“ sowie „zähes posteriores Sekret“ des SNOT-22-Tests bewertet. Patienten sollten ihre CRS-Symptomkontrolle als „gar nicht“, „ein bisschen“, „etwas“, „sehr“ oder „total“ einstufen.

Von den CRSwNP-Patienten hatten nur 4,9% einen Hyposmiewert >1, aber eine nasale Obstruktion oder einen Sekretwert weniger oder gleich 1. Von den CRSsNP-Patienten hatten nur 1,9% einen Hyposmiewert >1, aber ebenso nasale Obstruktionswerte und Sekretflusswerte weniger oder gleich 1.

Die CRS-Symptomkontrolle war signifikant mit nasaler Obstruktion, Hyposmie und Sekretfluss bei CRSwNP- sowie CRSsNP-Patienten (p<0,05 in allen Fällen) bei univariater Analyseassoziiert. Anhand von multivarianterer Regressionsanalyse konnten alle nasalen Symptome in Betracht gezogen werden, allerdings waren nur nasale Obstruktion und nasaler Sekretfluss (aber nicht Hyposmie) signifikant assoziiert mit der CRS-Krankheitskontrolle.

Hyposmie tritt selten ohne nasale Obstruktion oder Sekretfluss auf, daher kann es obsolet sein, diese für die CRS-Krankheitskontrolle zu erheben. Außerdem war Hyposmie nicht mit der von Patienten berichteten Krankheitskontrolleassoziiert, wenn man den Leidensdruck von nasaler Obstruktion und Sekretfluss in Betracht zieht.

Quelle:
Speth MM et al.: Sezieren von nasalen Symptomen der chronischen Rhinosinusitis um die Bedeutung von Hyposmie in der Krankheitskontrolle zu bestimmen. Abstract FV7; 64. Österreichischer HNO-Kongress 2020

Der Sniffin’-Sticks-Parosmie-Test

Die Parosmie ist eine häufig vernachlässigte Symptomatik, die sich aber deutlich auf die Lebensqualität der Betroffenen auswirken kann. In den meisten Fällen wird die veränderte Riechwahrnehmung als unangenehm beschrieben, die Intensität ist dabei häufig reduziert. Parosmie wird jedoch auch als positives Zeichen für eine mögliche Regeneration angesehen. Derzeit existieren zahlreiche Tests zur Bestimmung der quantitativen Riechleistung, eine objektive Messmethode zur Erfassung von qualitativen Riechstörungen war bisher nicht verfügbar.

Auf Basis einer etablierten Testmethode wurde daher ein Verfahren zur Bestimmung von qualitativen Riechstörungen entwickelt, der Sniffin’-Sticks-Parosmie-Test (SSPT). Der Test erfasst die Intensität und Hedonik von angenehmen und unangenehmen Duftstoffen anhand von Schätzskalen (VAS-Intensität 0 bis 10 bzw. Hedonik –4 bis +4). Die aktuelle Multicenterstudie wurde mit 179 Teilnehmern in vier konsekutiven Experimenten durchgeführt. Die hierarchische Clusteranalyse wurde verwendet, um die potenziellen Duftstoffe in unterscheidbare Hedonik-Klassen einzustufen. Die Reproduzierbarkeit der Hedonik-Einschätzungen wurde mithilfe von Bland-Altman Plots und Berechnung der Übereinstimmung von Ergebnissen nach wiederholter Messung analysiert. Zu den bereits etablierten Duftstoffen der Sniffin’ Sticks wurden noch weitere 24 Duftstoffe hinzugenommen, um den Test erweitern zu können.

Die resultierenden 40 Items ließen sich mittels Clusteranalyse in hedonisch unangenehm, indifferent und angenehm klassifizieren. Für die Erfassung der Hedonie bzw. Anhedonie erwiesen sich 11 gegensätzliche Duftstoffpaare als geeignet. Die Analyse der Reproduzierbarkeit ergab eine hohe Test-Retest-Reliabilität mit guter Übereinstimmung der Testergebnisse.

Der entwickelte SSPT kann daher als neues Messinstrument bei qualitativen Riechstörungen eingesetzt werden und bei Bedarf auch den zeitlichen Verlauf einer Parosmie objektiv erfassen.

Quelle:
Renner B et al.: Bestimmung qualitativer Riechstörungen: der Sniffin’ Sticks Parosmie Test (SSPT). Abstract FV 26; 64. Österreichischer HNO-Kongress 2020

Langzeithörerhalt nach Cochleaimplantation mit elektrisch-akustischer Stimulation

Die Zielsetzung dieser Arbeit lag in der Beurteilung der Langzeitstabilität und des Resthörerhalts nach Cochleaimplantation mitelektrisch-akustischer Stimulation (EAS).

Der lang- und kurzfristige Hörerhalt (HP) von 18 EAS-Personen (21 Ohren) wurde evaluiert. Kurzzeitergebnisse wurden definiert als Nachuntersuchungen, die weniger als 12 Monate nach der Operation stattfanden, im Vergleich zu Langzeitergebnissen, die mehr als 12 Monate nach der Operation stattfanden.

Der mittlere Beobachtungszeitraum in der Kurzzeitgruppe betrug 4±3,0 Monate (0–7). In der Langzeitgruppe betrug die mittlere Beobachtungszeit 28,4±15,0 Monate (12–58). Eine vollständige Insertion war bei allen 18 Probanden mit Implantat möglich. In der Kurzzeitgruppe wurde bei 50% der untersuchten Probanden eine vollständige HP, bei 33,3% eine partielle HP und bei 8,3% eine minimale HP erreicht. Ein Proband verlor das Gehör vollständig. In der Langzeitgruppe wurde bei 50% der Ohren eine vollständige HP erreicht, bei 40% eine partielle HP und bei 10% der Ohren eine minimale HP beobachtet. Keiner der Probanden verlor sein Gehör vollständig. Probanden, die EAS verwendeten, zeigten nach der Operation bessere Worterkennungswerte (Mittelwert bei 65dB: 55,3±18,4; Mittelwert bei 80dB: 68,1±12,2) als Probanden, die nur elektrische Stimulation verwendeten (Mittelwert bei 65dB: 38,3±18,1; Mittelwert bei 80dB: 60,0±16,4).

Die Studie bestätigte, dass das Gehör weitgehend und langfristig erhalten werden kann. Infolgedessen konnten die meisten Probanden von der elektrisch-akustischen Stimulation profitieren. Probanden mit postoperativem funktionellem Tieffrequenz-Hörvermögen zeigten einen größeren Nutzen in Wort-Sprachtests. Darüber hinaus zeigen die Ergebnisse, dass die EAS-Implantation eine sichere, effektive und vor allem stabile Behandlungsoption darstellt (längste Beobachtungszeit mit 58 Monaten).

Quelle:
Sprinzl GM et al.: Langzeit-Hörerhalt bei elektrisch-akustischen Cochlea-Implantat-Kandidaten. Abstract FV 23; 64.Österreichischer HNO-Kongress 2020

Cochleaimplantation bei Kindern und Jugendlichen mit einseitiger Taubheit

In den letzten Jahren hat sich die Versorgung einer einseitigen Taubheit mit einem Cochleaimplantat (CI) bei Erwachsenen als probate Alternative zur konventionellen Hörgeräteversorgung (CROS-Versorgung) etabliert. Aufgrund der hohen Patientenzufriedenheit und der sehr guten audiologischen Resultate erwachsener Patienten in den Bereichen Sprachverständlichkeit im Störgeräusch und Schalllokalisation ist der logische nächste Schritt, auch einseitig ertaubte Kinder mit einem CI zu rehabilitieren, zumal Kinder mit einseitiger Hörschädigung auch zusätzliche Beeinträchtigungen wie diverse Verhaltensauffälligkeiten und Sprachentwicklungsstörungen aufweisen können, was in erheblichen Schulproblemen (bis zu 1–2 Grad schlechtere Benotung) resultieren kann.

Seit Juni 2013 wurden am Universitätsklinikum St. Pölten 18 Kinder und Jugendliche im Alter von 2 bis 17 Jahren aufgrund einer einseitigen Surditas und Normakusis des Gegenohrs mit einem CI versorgt. Es wurden präoperativ und nach einer sechsmonatigen Rehabilitationsphase postoperativ die Hörschwelle mit und ohne CI, die Sprachverständlichkeit im Störgeräusch (Oldenburger Kindersatztest OLKISA) und die Schalllokalisation mit und ohne CI evaluiert. Zudem wurde erhoben, wie regelmäßig der Audioprozessor getragen wird.

Es zeigten sich nach CI-Versorgung eine Verbesserung der Sprachverständlichkeitsschwelle im OLKISA im Störgeräusch von durchschnittlich 2,25dB (0,4 bis 5,4db) sowieeine Verbesserung der Schalllokalisation. 16 von 18 Patienten sind „daily user“ mit einer Tragezeit der Sprachprozessoren von mindestens neun Stunden täglich.

Die hohe Patientenzufriedenheit sowie die Verbesserungen der Schalllokalisation und der Sprachverständlichkeit im Störschall bekräftigen die Ansicht, dass eine Cochleaimplantation bei einseitiger Taubheit auch bei Kindern und Jugendlichen eine erfolgreiche Rehabilitationsmaßnahme sein kann und bei fehlenden Kontraindikationen anderen Methoden vorzuziehen ist.

Quelle:
Gradl B et al.: Cochleaimplantation bei Kindern und Jugendlichen mit einseitiger Taubheit. Abstract P6; 64.Österreichischer HNO-Kongress 2020

Erste Ergebnisse zur neuen Bonebridge BCI602

Im Rahmen dieser Untersuchung wurdeüber die allerersten chirurgischen Erfahrungen, die audiologischen Vorteile und die Zufriedenheit mit der neuen Bonebridge BCI602 berichtet.

Zwölf Probanden (13 Ohren;M/CHL n=8; CHL/Atresie n=2; SSDn=2) im Durchschnittsalter von33,17±21,67 erhielten die BCI602. Die Operationszeit lag zwischen 18 und 45 Minuten (Mittelwert 28,63±7,8), wobei eine schwierige Sophono-Explantation mit exzessiver Osseointegration am längsten dauerte. Es traten weder chirurgische noch postoperative Komplikationen auf. Eine vollständige transmastoidale Implantation war bei allen Patienten ohne Lift und Exploration von Dura und Sinus möglich (bis auf einen Fall). Der mittlere „functional gain“ (FG) in der M/CHL-Kohorte betrug bei Aktivierung 25,94±6,69 und stieg nach drei Monaten signifikant auf 37,75±4,40dBSPL an (<0,0001) (SSD mittlerer FG 32,5±23,57; n=2). Die mittlereSpracherkennung in Ruhe der M/CHL-Gruppe bei Aktivierung und drei Monate nach der Operation verbesserte sich signifikant von 74,38±18,02% auf 85,63±17,82%
(=0,0002; <0,0001). Die Patienten berichteten von einer hohen Zufriedenheit und verbesserten Lebensqualität, einhergehend mit einer mittleren Tragezeit von 10,13 Stunden pro Tag, was zu einem durchschnittlichen Batteriewechsel von ca. einmal pro Woche führte (alle 8,29±0,49 Tage).

Diese frühen Ergebnisse der neuen Bonebridge BCI602 zeigten ein signifikant verbessertes audiologisches Ergebnis, begleitet von hoher Patientenzufriedenheit, verbesserter Lebensqualität und erhöhter Trage- bzw. Hörzeit. Präoperativ war keine Operationsplanung notwendig und es gab keine Größen- oder Positionseinschränkungen während der Operation (jüngster Patient zwei Jahre). Auf der Grundlage dieser Ergebnisse kann die Bonebridge BCI602 für die gegebenen Indikationen und insbesondere für schwierige anatomische und chirurgische Fälle sehr empfohlen werden.

Quelle:
Sprinzl GM et al.: Erste Chirurgische Erfahrungen und frühe Audiologische Ergebnisse mit dem neuen Aktiven Transkutanen Knochenleitungsimplantat: Bonebridge BCI 602.Abstract P8; 64. Österreichischer HNO-Kongress 2020

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