Virushepatitis
Autor:
Dr. David J. M. Bauer
4. Medizinische Abteilung mit Gastroenterologie, Hepatologie, Endoskopie und Ambulanz
Klinik Ottakring
Wien
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Virale Hepatitiden sind weltweit ein bedeutendes gesundheitspolitisches Problem. Es wird eine globale Mortalität von 1,19 Millionen Personen/Jahr geschätzt. Die WHO erklärte 2017 die Elimination von viralen Hepatitiden bis 2030 zum globalen Gesundheitsziel, definiert durch Reduktion der Neuinfektionen um 90% und damit Reduktion der Mortalität um 65%.1
Keypoints
Bitte achten Sie auf den Impfschutz für Hepatitis A und B, insbesondere bei Reisenden und anderen Risikogruppen.
Alle Patient*innen mit aktiver Hepatitis B (HBs-Ag-positiv/HBV-PCR-positiv) oder aktiver Hepatitis C (HCV-PCR-positiv) sollten an einem Behandlungszentrum vorgestellt werden.
Jeder Mensch, der mit Hepatitis B lebt, sollte zumindest einmal auf Hepatitis D getestet werden.
Hepatitis A
Eine Übertragung der Hepatitis A findet meist über den fäkal-oralen Weg statt, typischerweise durch verunreinigte Lebensmittel oder Wasser. Im Zusammenhang mit Impfprogrammen und verbesserten Hygienebedingungen sind die meisten Infektionen in Österreich mit Reisen in Endemiegebiete und Länder mit schlechteren Hygienebedingungen oder Risikoverhalten assoziiert.2
Dennoch kommt es in Europa immer wieder zu Ausbrüchen. So war ein Ausbruch 2014 mit verunreinigten gefrorenen Beeren assoziiert3 und ein Ausbruch 2016 unter Männern, die Sex mit Männern haben, konnte mit einer EuroPride in Amsterdam in Verbindung gebracht werden.4 Klinisch präsentiert sich eine HAV-Infektion zumeist still oder als akute Hepatitis, einhergehend mit Müdigkeit, Gelbsucht, Bauchschmerzen und Übelkeit, welche fast nur bei Immunsupprimierten einen protrahierten Verlauf nimmt.
Eine spezifische Therapie steht nicht zur Verfügung, sodass die Prävention durch Impfungen entsprechend dem Österreichischen Impfplan5 ab dem 13. Lebensmonat und insbesondere von Reisenden und Risikogruppen wichtig ist. In österreichischen Daten sind Lebertransplantationsraten und die Mortalität gering.6
Hepatitis B
Die Diagnose und die Therapie der Hepatitis-B(HBV)-Infektion sind von großer Bedeutung, da diese sowohl weltweit als auch in Österreich die häufigste und mit der höchsten Mortalität assoziierte virale Lebererkrankung ist. Die Übertragung findet durch nahe Haushaltskontakte (geteilte Rasierer oder Zahnbürsten, bei losem Kontakt besteht kein Risiko), Geschlechtsverkehr, kontaminierte Nadeln oder vertikal statt.
Im Gegensatz zur Hepatitis A kann die Hepatitis B nach der akuten Phase, welche mit Problemen wie Müdigkeit, Gelbsucht, Bauchschmerzen, Übelkeit bis hin zum akuten Leberversagen einhergehen, aber auch still verlaufen kann, in einem bedeutsamen Anteil der Erkrankten chronifizieren. Die chronische Hepatitis B ist dann bis zur Entstehung der Leberzirrhose oder des hepatozellulären Karzinoms asymptomatisch, wobei in wenigen Fällen extrahepatische Manifestationen – Beteiligung des blutbildenden Systems, von Gelenken, Gefäßen oder der Nieren – auftreten.7
Es gilt daher, die Hepatitis B vor der Entstehung solcher Folgen zu diagnostizieren und jene Patienten, die ein erhöhtes Risiko für die Entstehung von Leberfibrose und hepatozellulärem Karzinom haben, zu identifizieren und ihnen eine Therapie zu ermöglichen.
Daher sollte jeder Mensch, der mit Hepatitis B lebt, einem/einer Hepatolog*in zur Evaluierung einer Therapie vorgestellt werden. Die Diagnostik der Hepatitis B gilt als involviert, ist aber im Grunde simpel. Jede/r Patient*in, der/die HBs-Antigen-oder HBV-DNS-positiv ist, hat eine aktive Hepatitis-B-Infektion. Wer Kontakt mit dem Hepatitis-B-Virus hatte, ist in der Regel HBs- und HBc-Antikörper-positiv. Nach der Impfung entsteht ausschließlich eine HBs-Antikörper-Positivität, da diese nur das HBs-Antigen enthält.
Der Hepatitis-B-Impfschutz (z.B. nach der im Österreichischen Impfplan ab dem 3. Lebensmonat empfohlenen Impfung)5 sollte zumindest alle 10 Jahre überprüft werden.
Zur Therapie werden derzeit hauptsächlich zwei Substanzen verwendet: Tenofovir und Entecavir, wobei Tenofovir in zwei verschiedenen Verbindungen – Tenofovirdisoproxilfumarat (TDF) und Tenofoviralafenamid (TAF) – zur Verfügung steht. Alle genannten Pharmaka bieten ein exzellentes Verträglichkeitsprofil und virale Resistenzen sind äußerst selten. Obwohl eine Therapie die im Blut gemessene Viruslast deutlich senkt oder sogar zu negativen PCR-Ergebnissen führt, kommt es nur in wenigen Fällen (∼1/1000/Patientenjahr)8 zu einer funktionellen Heilung der Hepatitis-B-Infektion (also Verlust des HBs-Antigens), sodass derzeit für die meisten Patient*innen eine lebenslange Therapie notwendig ist. Eine Übertragung kann nur stattfinden, wenn Hepatitis-B-Virus im Blut nachzuweisen ist. Neue Therapieansätze mit dem Ziel einer kompletten Heilung der Hepatitis B sind Gegenstand aktueller Forschung, aber ein erwiesen erfolgreiches Therapiekonzept zeichnet sich noch nicht ab.
Eine weitere Besonderheit der Hepatitis B ist die Notwendigkeit einer Reaktivierungsprophylaxe vor manchen geplanten Chemo- und Immuntherapien. Diese betrifft sowohl Menschen, die mit Hepatitis B leben, aber keine (andere) Therapieindikation haben (also HBs-Antigen- oder HBV-DNA-positiv sind),als auch jene, die in der Vergangenheit Kontakt mit dem Virus hatten (also lediglich HBc-Antikörper-positiv sind).9
Hepatitis D
Eine Infektion mit Hepatitis D (HDV)kann nur bei Patient*innen, die auch mit Hepatitis B infiziert sind, stattfinden. Kommt es zu einer zeitgleichen Infektion, ist die resultierende akute Hepatitis schwerer, führt aber auch öfter zu einer Ausheilung, während eine sequenzielle Infektion mit zuerst Hepatitis B und dann Hepatitis D zu einer milderen akuten Hepatitis mit dafür höheren Chronifizierungsraten führt.
Die chronische Hepatitis-B/D-Koinfek-tion stellt die aggressivste Form der chronischen Hepatitis dar. Bis 2020 stand zur Therapie ausschließlich pegyliertes Interferon alpha, mit den bekanntermaßen zahlreichen Nebenwirkungen, zur Verfügung. Seither ist mit Hepcludex® ein besser verträgliches Medikament zugelassen.
Beide Optionen, sowohl in der Mono- als auch in der Kombinationstherapie, führen nur bei einem kleineren Teil der Patient*innen zur Ausheilung der Infektion, verbessern aber die Entzündungsaktivität und wahrscheinlich die Prognosen bei einem Großteil der Patient*innen.10,11 Da effektive Therapien zur Verfügung stehen, sollte jeder Mensch, der mit Hepatitis B lebt, nach jedem Risikoevent, auf jeden Fall aber zumindest einmalig, auf Hepatitis-D-Antikörper oder Hepatitis-D-DNS getestet werden.
Hepatitis C
Sie ist die einzige klassische Virushepatitis. Die Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus führt nicht zu einer schweren akuten Hepatitis. Nach der Hepatitis B ist die Hepatitis C die zweithäufigste chronische Viruserkrankung.12 Trotz langjähriger Bemühungen steht keine Impfung gegen die Hepatitis C zur Verfügung.
Unspezifische Symptome wie Müdigkeit und Abgeschlagenheit werden oft bis zur Entstehung einer Leberzirrhose oder des subsequenten hepatozellulären Karzinomsnicht erkannt. Risikogruppen für eine Infektion mit der Hepatitis C sind Menschen mit intravenösem oder nasalem Drogengebrauch13 sowie Männer, die Sex mit Männern haben.14
Seit etwa 2015 sind moderne direktwirkende antivirale Medikamente gegen Hepatitis C zugelassen, die Kosten werden seit 2017 auch flächendeckend von den österreichischen Krankenkassen übernommen. Derzeit wird in der Erstlinie nur Sofosbuvir/Velpatasvir von der Österreichischen Gesundheitskasse erstattet. Die Therapie muss wegen der Erstattungan einem Therapiezentrum stattfinden. Aufgrund der hohen Effektivität mit 95–99% Ausheilungsraten und der ausgezeichneten Verträglichkeit sollte jeder Person mit Hepatitis C (also allen, die HCV-PCR-positiv sind) eine solche Therapie angeboten werden. Derzeit laufen viele auf Risikogruppen ausgerichtete Projekte:
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Das AKH Wien bietet eine HCV-Hotline an (Tel.: 06509676543), unter welcher Patient*innen direkt mit dem/der Behandler*in Kontakt aufnehmen können.15
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Im neunerhaus, einer Einrichtung für Armutsgefährdete und Obdachlose, werden Therapien für Nichtversicherte angeboten.16
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Ein anderes Projekt bietet Patient*innen, bei welchen die letzte HCV-PCR an Krankenhäusern in Ostösterreich noch positiv war, eine Therapie an.17
Weitere Strategien, um möglichst allen Menschen, die mit Hepatitis C leben, die Möglichkeit zu geben, eine Leberzirrhose zu vermeiden, wären, systematisch allen Patient*innen, die zwar Hepatitis-C-Antikörper-positiv sind, aber nie HCV-PCR-negativ getestet wurden, eine HCV-PCR und subsequent, wenn nötig, eine Therapie anzubieten bzw. an Justizvollzugsanstalten, wo Hepatitis C gehäuft vorkommt, aber wegen der Erstattung Therapien nur vereinzelt möglich sind, flächendeckend Screening und Therapiekonzepte einzuführen.
Hepatitis E
Hepatitis E ist in Österreich weniger häufig, jedoch gibt es auch in Europa Regionen (Südwestfrankreich, Schottland, zentralwestliches Polen und Tschechische Republik), in welchen etwa 50% der Erwachsenen Kontakt mit dem Virus hatten.18
Die Übertragung von Hepatitis E erfolgt hauptsächlich durch kontaminiertes verunreinigtes Wasser und Lebensmittel wie rohes Fleisch. Hepatitis E ist eine akute Erkrankung, die in der Regel ohne Komplikationen verläuft, aber in seltenen Fällen, und insbesondere bei Immunsupprimierten oder bei Schwangeren, kann sie zu schwerwiegenden Komplikationen wie Leberversagen oder Chronifizierung führen. Die Infektionszahlen in Österreich sind gering und obwohl es immer wieder zu schweren Verläufen kommt, ist die Sterblichkeit niedrig.19 Im Falle der Chronifizierung stehen neben einer etwaigen Modifizierung der immunsuppressiven Therapie Ribavirin und Interferon zur Verfügung.20
Literatur:
1 World Health Organization Global Hepatitis Report, 2017. https://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/255016/9789?sequence=1 ; zuletzt aufgerufen am 15.3.2023 2 Koff RS: Hepatitis A. Lancet 1998; 351(9116): 1643-9 3 Severi E et al.: Hepatitis A outbreaks. Lancet Infect Dis 2015; 15(6): 632-4 4 Freidl GS et al.: Hepatitis A outbreak among men who have sex with men (MSM) predominantly linked with the EuroPride, the Netherlands, July 2016 to February 2017. Euro Surveill 2017; 22(8):30468 5 Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK): Impfplan Österreich 2022. https://www.sozialministerium.at/impfplan ; zuletzt aufgerufen am 15.3.2023 6 Bauer D et al.: Recent outbreaks of severe hepatitis A virus infections in Vienna. Eur J Clin Microbiol Infect Dis 2021; 40(2): 335-44 7 Jeng WJ et al.: Hepatitis B. Lancet 2023; doi: 10.1016/S0140-6736(22)01468-4 8 Song A et al.: Functional cure for chronic hepatitis B: accessibility, durability, and prognosis. Virol J 2021; 18(1):114 9 European Association for the Study of the Liver: EASL 2017 Clinical Practice Guidelines on the management of hepatitis B virus infection. J Hepatol 2017; 67(2): 370-98 10 Jachs M et al.: Response-guided long-term treatment of chronic hepatitis D patients with bulevirtide-results of a „real world“ study. Aliment Pharmacol Ther 2022; 56(1): 144-54 11 Lampertico P et al.: Bulevirtide with or without pegIFNα for patients with compensated chronic hepatitis delta: from clinical trials to real-world studies. J Hepatol 2022; 77(5): 1422-30 12 BMASGK: HIV/AIDS, Hepatitis B und C in Österreich. Wien: 2019; https://www.sozialministerium.at/dam/jcr:7135b1b2-dfe4-4413-8bb0-136b98d9451c , zuletzt aufgerufen am 20.3.2023 13 Chromy D et al.: Hepatitis C virus RNA is commonly detectable in rectal and nasal fluids of patients with high viremia. Clin Infect Dis 2020; 71(5): 1292-9 14 Jachs M et al.: Outcomes of an HCV elimination program targeting the Viennese MSM population. Wien Klin Wochenschr 2021; 133(13-14): 635-40 15 Steininger L et al.: Direct patient-physician communication via a hepatitis C hotline facilitates treatment initiation in patients with poor adherence. Wien Klin Wochenschr 2021; 133(9-19): 452-60 16 Schwarz M et al.: “Let’s end hepatitis C in Vienna” – the first HCV elimination program targeting homeless and people without medical insurance in Vienna. Jahrestagung ÖGGH 2020; Abstract #P61 17 Bauer DJ et al.: ELIMINATE: a PCR record-based HCV macro-elimination project in Austria. UEGW 2022 18 Mansuy JM et al.: Hepatitis E virus antibodies in blood donors, France. Emerg Infect Dis 2011; 17(12): 2309-12 19 Bauer DJM et al.: Low mortality despite temporary liver dysfunction in severe courses of acute hepatitis E. Wien Klin Wochenschr 2023;135(3-4): 57-66 20 European Association for the Study of the Liver: EASL Clinical Practice Guidelines on hepatitis E virus infection. J Hepatol 2018; 68(6): 1256-71
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