© © iStockphoto.com/Hailshadow

EASL: International Liver Congress (ILC) 2021

Innovative Ansätze im Kampf gegen die chronische Hepatitis B

Im Gegensatz zur Hepatitis C kann eine einmal chronifizierte Hepatitis B zwar medikamentös gut kontrolliert, dabei jedoch nur in Ausnahmefällen im Sinne von Virusfreiheit ohne Dauertherapie geheilt werden. Innovative Ansätze wie der Einsatz von „small interfering RNA“ sollen die Situation verbessern.

Aktuell ist nicht einmal klar, was „Heilung“ im Kontext einer Hepatitis-B(HBV)-Infektion überhaupt bedeuten soll. Das heute in seltenen Fällen erreichte Maximalziel ist die durch den Verlust des Oberflächenantigens HBsAg mit Anti-HBs-Serokonversion charakterisierte „funktionelle Heilung“ („functional cure“), also eine medikamentenfreie Kontrolle der Infektion durch das Immunsystem des Patienten. Doch selbst in diesem Zustand bleiben Bruchstücke des Virus, nämlich integrierte HBV-DNA und cccDNA („covalently closed circular DNA“), im Körper nachweisbar, deren pathologische Bedeutung noch nicht vollständig geklärt ist. Der ultimative Schritt in Richtung Heilung wäre schließlich die „sterilizing cure“, bei der auch die cccDNA verschwindet. Die aktuell im Management der HBV-Infektion zumeist eingesetzten Nukleos(t)id-Analoga (NUC) unterdrücken zwar die Virusreplikation, haben aber keinen Einfluss auf die cccDNA. Im Gegensatz dazu können Interferon-Therapien die cccDNA unterdrücken, haben jedoch keinen direkten Einfluss auf die Virusreplikation und werden obendrein regelhaft schlecht vertragen. Es werden also dringend Strategien auf Basis neuer Wirkmechanismen gesucht.

VIR-2218

Diese zielen unter anderem darauf ab, jene Mechanismen außer Kraft zu setzen, mit denen sich HBV der Immunabwehr entzieht. Ein neues Konzept in diesen Bemühungen ist der Einsatz von „small interfering RNA“ (siRNA), die die Transkription viraler Proteine – auch von cccDNA und integrierter DNA – stört. Im Rahmen des diesjährigen virtuellen ILC hat Prof. Dr. Ed Gane von der University of Auckland in Neuseeland klinische Daten zu VIR-2218 vorgestellt, einer siRNA, die am X-Gen des Virus angreift und die Produktion der viralen Proteine X, Polymerase, S und Core bei allen zehn bekannten Genotypen von HBV stört. Damit soll VIR-2218 gleichzeitig direkt antiviral wirken und den Immun-Escape des Virus stören.

In einer der Phase-II-Studien wurden unabhängig vom HBeAg-Status nichtzirrhotische Patienten mit viraler Suppression eingeschlossen und an den Tagen 1 und 29 mit subkutanem VIR-2218 oder Placebo behandelt. HBeAg-negative Teilnehmer erhielten 20, 50, 100 oder 200mg, bei den HBeAg-positiven Patienten wurden die Dosierungen 50 oder 200mg untersucht. Die Kohorten bestanden aus jeweils vier oder acht Teilnehmern, die im Verhältnis 3:1 zu Verum oder Placebo randomisiert wurden. Ausgewertet wurde im Hinblick auf Sicherheit, HBsAg-Spiegel und andere virale Marker. Das Follow-up erstreckte sich für alle Teilnehmer über 12 Wochen nach der zweiten Dosierung und über weitere 32 Wochen für Patienten, die einen vordefinierten Rückgang des HBsAg erreichten.

Insgesamt erhielten 24 Patienten (18 HBeAg– und 6 HBeAg+) VIR-2218. Die Therapie wurde gut vertragen, es kam zu keinen Anstiegen der Transaminasen und kein Patient brach die Therapie wegen eines unerwünschten Ereignisses ab. In allen Verum-Gruppen wurde eine signifikante und dosisabhängige Reduktion des HBsAg beobachtet, die bei den meisten Teilnehmern zu Woche 16 – also acht Wochen nach der zweiten Injektion – am ausgeprägtesten war. HBeAg-positive Patienten sprachen in ähnlichem Ausmaß an wie HBeAg-negative. Unter der Maximaldosis von 200mg VIR-2218 kam es bei HBeAg+ Patienten auch zu einem Rückgang von qHBeAg und HBcrAg. Für einen möglichen klinischen Einsatz in der Zukunft wird VIR-2218 unter anderem in Kombination mit therapeutischen Antikörpern gegen HBV untersucht.

NUC-Therapie reduziert Risiko für extrahepatische Karzinome

Eine weitere im Rahmen des ILC vorgestellte Arbeit bedeutet gute Nachrichten für alle Patienten, die unter den heute gebräuchlichen NUC-Therapien stehen. Eine chronische HBV-Infektion ist unter anderem mit einem erhöhten Risiko für extrahepatische Karzinome assoziiert. Koreanische Forscher konnten nun anhand der Analyse von Krankenversicherungs-Datenbanken zeigen, dass unter NUC-Therapien das Risiko auch für extrahepatische Krebserkrankungen abnimmt.

Gane E et al.: Safety and antiviral activity of VIR-2218, an X-targeting RNAi therapeutic, in participants with chronic hepatitis B infection: week 48 follow-up results. ILC 2021; Abstract No. OS-44Lee D et al.: Nucleos(t)ide analogue treatment is associated with lower risk of extrahepatic malignancy in chronic hepatitis B patients: a landmark study using nationwide claim data. ILC 2021; Abstract NO. OS-691

Back to top