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Autoimmune Lebererkrankungen – Standard of Care und Optionen zur Zweitlinientherapie
Jatros
Autor:
Ass.-Prof. Dr. Sandra Beinhardt
Klin. Abt. für Gastroenterologie und Hepatologie Universitätsklinik für Innere Medizin III Medizinische Universität Wien
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Michael Trauner
30
Min. Lesezeit
23.03.2017
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<p class="article-intro">Die Inzidenz der autoimmunen Lebererkrankungen ist deutlich steigend<sup>1, 2</sup> – nur ein Teil dieses Anstieges ist der verbesserten Diagnose zuzuschreiben, sodass dieser „Krankheits-Cluster“ einen relevanten Anteil im Rahmen der klinischen Hepatologie einnimmt. Von therapeutischer Relevanz sind, insbesondere bei therapierefraktären Patienten, Overlap-Syndrome, welche im Rahmen aller autoimmunen und immunmediierten Lebererkrankungen auftreten können (Abb. 1).<sup>3, 4</sup></p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>AIH: Therapie mit Steroiden und ­Azathioprin mit dem Ziel einer tiefen biochemischen und histologischen Remission; 2nd Line: MMF, 3rd Line: CNI; Relaps bei 90 % , Erfordernis ­lebenslanger Therapie zu evaluieren</li> <li>PBC: „response-guided therapy“ mit UDCA; Non-Responder: Add-on-­Therapie mit FXR oder PPAR; bislang enttäuschende Ergebnisse mit Biologikatherapie</li> <li>PSC: nach wie vor Therapie mit UDCA; in Zukunft möglicherweise Therapie mit NU, darmspezifische Therapie/Biologikatherapie</li> </ul> </div> <h2>Autoimmunhepatitis (AIH)</h2> <p>Die rezenten EASL Clinical Practice Guidelines<sup>5</sup> (CPG) empfehlen die bekannte gewichtsabhängige (0,5–1mg/kgKG) Steroid-Induktionstherapie, gefolgt von Azathioprin-Add-on (bis 2mg/kg/d) nach Abfall der Transaminasen bzw. bei ikterischem Verlauf von Bilirubin sowie als Standard-Zweitlinientherapie Mycophenolat-Mofetil (MMF) bei Azathioprin-Into­leranz. Bei be­kannt hohen Azathioprin-Unverträglichkeitsraten mag jedoch der Zweitlinientherapie mit Budesonid (3x3mg/d) als Standard-Agens bei nicht zirrhotischen Patienten neben MMF im Zuge der rezenten EASL-CPG zu wenig Platz eingeräumt worden sein. Insgesamt benötigen 10–20 % der AIH-Patienten aufgrund von „Non-Response“ therapeutische Alternativen und somit ein Zweitlinien-Agens. Diskutiert wurde bisher neben der Anwendung von Cyclosporin<sup>6</sup> und Everolimus<sup>7</sup> unter anderem auch diejenige von Tacrolimus. Tacrolimus als „latest kid on the block“ in der Reihe der Second-Line-Optionen bei Steroid-Non-Response wurde auch rezent in einer „case series study“ bewertet.<sup>8</sup> Die Ergebnisse waren schlussendlich wenig befriedigend, da weder eine Reduktion der TA noch ein signifikanter Abfall der IgG-Spiegel erzielt werden konnte. Darüber hinaus musste im Rahmen der Langzeitbeobachtung ein Kreatinin-Anstieg verzeichnet werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Infekt_1701_Weblinks_s24.jpg" alt="" width="1417" height="1069" /></p> <h2>Remission – Therapiebeendigung</h2> <p>Die rezenten EASL CPG verfeinern den Begriff „Remission“ – die Empfehlungen beinhalten nun eine 3-jährige Therapie­dauer, kombiniert mit zumindest 2-jähriger biochemischer Remission. In einer Studie von Hartl J et al<sup>9</sup> konnte aufgezeigt werden, dass selbst Patienten nach 2-jähriger Remission (28/288) immerhin noch zu 46 % relapsierten. Jene 54 % , die in nachhaltiger Remission verblieben, zeigten zu Therapieende ALT-Spiegel <0,5xULN bzw. IgG-Levels <12g/l (1.380 IU/ml). Zu diskutieren ist auf Grundlage dieser Studie die Wertigkeit der Leberbiopsie, da bei 5/11 Patienten mit „normaler“ Histologie ein Relaps zu verzeichnen war. Ähnliche Ergebnisse präsentierten Dhaliwal HK et al:<sup>10</sup> 42 % der Patienten in biochemischer Remission wurden histologisch mit persistierender Entzündungsaktivität evaluiert. Obwohl im Normbereich, hatten diese Patienten höhere ALT-Werte (24 vs. 18IU/ml). Wenngleich die Fallzahlen aus beiden Studien niedrig waren, scheint die Notwendigkeit des Erreichens einer „deep remission“ (biochemische Marker: niedriger Normbereich) vor Therapiebeendigung durch diese Studien untermauert zu sein.</p> <h2>Primär biliäre Cholangitis (PBC)</h2> <p>Die Standardtherapie der PBC (Abb. 2) basiert auf Ursodeoxycholsäure (UDCA, 13–15mg/KG/d); auch hier ist eine suffiziente Therapie durch das biochemische Ansprechen charakterisiert (Bilirubin <1mg/dl; ALP <1,5x ULN, AST <1,5 ULN). Zu berücksichtigen ist auch hier das Risiko der Entwicklung eines hepatozellulären Karzinoms (HCC). Wenngleich nur 10 % PBC-Patienten männlich sind, weisen männliche UDCA-Responder ein ähnlich hohes Risiko auf, an einem HCC zu erkranken, wie weibliche UDCA-Non-Responder. Das höchste Risiko für HCC-Entwicklung ­haben männliche UDCA-Non-Responder (kumulative HCC-Inzidenz 30 % ).<sup>11</sup> Männliche UDCA-Non-Responder mit PBC-Diagnose stellen somit ein Kollektiv mit bisher unbefriedigenden Therapieoptionen dar. Bei Nichtansprechen stehen im Rahmen der Zweitlinientherapien neben Budesonid (3–9mg/d) und Mycophenolat-Mofetil (MMF, 1,5g/d) nun sowohl PPAR (Fenofibrat [200mg/d]/Bezafibrat [400mg/d]) als auch der FXR-Ligand Obeticholsäure (Ocaliva®) zur Verfügung. Ocaliva® erhielt zuletzt ein positives Voting (FDA/EMA) als Zweitlinientherapeutikum in der Behandlung der PBC, da im Rahmen der doppelblinden, placebokontrollierten Phase-III-Studie POISE<sup>12</sup> eine signifikante Reduktion (p<0,001) der alkalischen Phosphatase (ALP) mittels 12-monatiger Verabreichung von Obeticholsäure (OS) sowohl im Titrations-Arm mit 5–10mg/d (ALP –113±14U/l) als auch im Fixdosis-Arm mit 10mg/d (ALP –130±15U/l), verglichen mit dem Placebo-Arm (ALP –14±15U/l), nachgewiesen werden konnte. In einer explorativen Sekundäranalyse wurde im Placebo-Arm im 12-monatigen Verlaufszeitraum ein Anstieg der Bilirubin-Spiegel festgestellt, während Bilirubin bei Patienten unter OS signifikant sank (p<0,001). Der primäre Studienendpunkt (ALP <1,67xULN+ALP-Reduktion >15 % + Bilirubin <ULN) wurde von 46 % (5–10mg/d) bzw. 47 % (10mg/d) der Patienten erreicht (Placebo: 10 % ). Als wichtige Nebenwirkung muss das Auftreten von Pruritus erwähnt werden (Placebo: 38 % ; Titrations-Arm: 56 % , 10mg-Arm: 68 % ); dieses scheint somit deutlich dosisabhängig zu sein. Im Titrations-Arm war das Auftreten von Pruritus insgesamt zu managen, sodass nur 1 % der Patienten die Studie wegen dieser Nebenwirkung abbrach. Erwähnenswert ist auch der Einfluss von Ocaliva® auf das Lipidprofil (HDL-Cholesterin und Triglyzeride ; LDL-Cholesterin ), welcher jedoch im Rahmen der PBC-Therapie im Gegensatz zur NASH-Therapie untergeordnet bewertet werden kann.</p> <p>Hinsichtlich der PPARs Fenofibrat (200mg/d) bzw. Bezafibrat (400mg/d) fehlen derzeit Daten von kontrollierten Studien; bisher verfügbare Erkenntnisse wurden aus kleineren, unkontrollierten Studien gezogen; eine kontrollierte Studie aus Frankreich (BEZURSO) steht kurz vor dem Abschluss. Symptomorientiert (Pruritus) konnte eine Verbesserung verzeichnet werden; als Nebenwirkung musste jedoch sowohl ein Kreatinin- als auch ein Bilirubin-Anstieg verzeichnet werden. In einer retrospektiven Studie von Cheung et al,<sup>13</sup> die UDCA mit Fenofibrat kombinierte, konnte ein deutlicher ALP-Rückgang aufgezeigt werden – jedoch bei gleichzeitigem Anstieg von Bilirubin. Dieser zeigte sich v.a. bei zirrhotischen PBC-Patienten als ausgeprägt. Die endgültigen Daten der derzeit laufenden BEZURSO-Studie (NCT01654731) werden daher mit großem Interesse erwartet.</p> <p>Insgesamt präsentiert sich die Studienlandschaft hinsichtlich der PBC-Therapie insbesondere im Bereich des Gallensäurentransports, des Gallensäurenmetabolismus sowie des Signaling kompetitiv. Neben den bereits erwähnten FXR-Liganden (steroidal: OCA, INT-767; nicht steroidal: LJN452, FXR450, Px-104/GS-9674; GUT-restricted: Fexaramine) und PPARs (Elafibranor [PPARα/δ], MBX-8025 [PPARδ]) sind hier auch der rekombinante Fibroblast-Growth-Faktor FGF-19 (Down-stream-Signal von FXR: NGM282), Biologika (Ustekinumab [IL12&23], Rituximab [CD20], FFP104 [CD40]) sowie ASBT-Inhibitoren (Gallensäure-Resorptionsblockade im Ileum) zu erwähnen.</p> <p>Die Zukunft wird zeigen, welcher dieser zurzeit in der Pipeline befindlichen Wirkstoffe in der Therapie der PBC von Relevanz sein wird.</p> <h2>Primär sklerosierende Cholangitis (PSC)</h2> <p>Die frühe Erkennung der PSC stellt nach wie vor eine klinische Herausforderung dar, da die späte Diagnose den therapeutischen Erfolg limitiert („PSC als Zirrhose des Gallenganges“, M. Manns). Das Screening von Langzeit-IBD-Patienten mittels MRCP zeigte, dass IBD-Patienten eine 3-fach erhöhte PSC-Prävalenz aufweisen (8 % ). 65 % dieser Patienten präsentierten sich im Rahmen dieses Screenings bereits mit subklinischen Zeichen der PSC; dies trotz fehlender Auslenkung biochemischer PSC-Marker.<sup>14</sup> Obwohl es hinsichtlich Langzeitüberleben keine Evidenz zu einer UDCA-Therapie bei PSC gibt, zeigen sich die rezenten CPG (EASL/AASLD) ­gegenüber UDCA offen. Dies gründet auf der Beobachtung, dass nach Absetzen von UDCA eine biochemische und klinische Verschlechterung zu verzeichnen war. Somit wurde trotz fehlender Evidenz ein Revival von UDCA in der PSC-Therapie beobachtet.</p> <p>Darüber hinaus wurde neben UDCA zuletzt nor-UDCA (NU, seitenkettenverkürztes UDCA-Derivat) in Studien untersucht (Abb. 2). NU ist resistent gegenüber der Konjugation, unterliegt dem cholehepatischen Shunting, gefolgt von intrahepatischer Anreicherung und konsekutiven antifibrotischen, anticholestatischen und antiinflammatorischen Effekten. Unsere Gruppe konnte in einer placebokontrollierten, multizentrischen Phase-II-Studie<sup>15</sup> (NU: 500 vs. 1.000 vs. 1.500mg/d – 12 Wochen) eine signifikante Abnahme der ALP im Vergleich zur Placebogruppe aufzeigen. Eine Phase-III-Studie ist auf Grundlage der ermutigenden Ergebnisse in Planung. Neben dieser vielversprechenden Option befinden sich derzeit auch FXR-Liganden, Antibiotika (Vancomycin) als Modifikatoren der GUT-Dysbiose, PPARs sowie RARs (Retinoidsäurerezeptor-Agonisten) im wissenschaftlichen Fokus. Einen vielversprechenden Ansatz stellt hier u.a. Vedolizumab (Entyvio®) als α4β7-Integrin-Blocker (Homing-Kontrolle von GUT-„primed“ Lymphozyten in der Leber) dar. Welcher dieser vielfältigen Ansatzpunkte schließlich in die Therapie der PSC Einzug finden wird, muss auch hier mittels kontrollierter Studien ermittelt werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Infekt_1701_Weblinks_s26.jpg" alt="" width="1417" height="1118" /></p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Gronbaek L et al: J Hepatol 2014; 60: 612-7 <strong>2</strong> Boonstra K et al: Liver Int 2014; 34: e31-8 <strong>3</strong> Boberg KM et al: J Hepatol 2011; 54: 374-85 <strong>4</strong> Trivedi PJ, Hirschfield GM: Aliment Pharmacol Ther 2012; 36: 517-33 <strong>5</strong> CPG, J Hepatol 2015; 36: 971-1004 <strong>6</strong> Alvares F et al: J Hepatol 1999; 31: 929-38 <strong>7</strong> Ytting H, Larson FS: Scand J Gastro 2015; 50: 1025-31 <strong>8</strong> Than NN et al: Scan J Gastro 2016; 51: 329-36 <strong>9</strong> Hartl J et al: J Hepatol 2015; 62: 642-6 <strong>10</strong> Dhaliwal HK et al: Am J Gastroenterol 2015; 110: 993-9 <strong>11</strong> Trivedi PJ et al: Gut 2016; 65: 321-9 <strong>12</strong> Nevens F et al: New Engl J Med 2016; 375: 631-43 <strong>13</strong> Cheung et al: Aliment Pharmacol Ther 2016; 43: 283-93 <strong>14</strong> Lunder et al: Gastroenterology 2016; 151: 660-9 <strong>15</strong> Trauner et al: EASL ILC 2016; Abstract LBO2</p>
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</p>
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