
„Es droht ein Sozialversicherungs-Supergau“
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Peter Husslein
em. Vorstand der Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Wien
E-Mail: ph@husslein.at
aufgezeichnet von: Felicitas Witte
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Dass die Jungen die Alten finanzieren, funktioniert schon lange nicht mehr. Das Umlagesystem ist gescheitert. Statt immer mehr Kinder zu fordern, die die Pensionen finanzieren, braucht es ein zusätzliches, selbst verantwortetes Pensionssystem.
Ich finde es problematisch, pauschal mehr Kinder zu fordern, so wie manch ein Politiker es tut. Wir brauchen nicht mehr Kinder, sondern weniger, und vor allem die, die wirklich erwünscht sind. Das derzeitige Hauptargument für mehr Kinder ist, dass damit das Pensions- und das übrige Sozialsystem gesichert sind. Die arbeitende Bevölkerung wird mit Abgaben belastet, die der Staat vorerst für andere verwendet, also beispielsweise die jetzigen Rentner. Im Gegenzug finanziert der Staat später den jetzt Zahlenden ihre Pensionen bis ans Lebensende.
Umlagesystem haben die Politiker dieses System genannt, was sich in dem Satz zusammenfassen lässt: „Die Jungen finanzieren die Alten.“ Das klingt extrem solidarisch, ist aber Ausdruck eines patriarchalischen Staatsdenkens. Die Bürger sind offenbar nicht verantwortungsvoll genug, um sich darum zu kümmern, wer ihre Behandlungen im Falle einer Krankheit bezahlt und wovon sie im Alter leben sollen. Deshalb muss der ach so fürsorgliche Staat das in die Hand nehmen.Die Wahrheit ist, dass das schon lange so nicht mehr funktioniert.
Mittlerweile schießt Österreich einen beträchtlichen Teil aus dem Staatsbudget zur Pensionsfinanzierung zu, mit dramatisch steigender Tendenz. 2020 betrug der Budgetzuschuss im Pensionssystem rund 22,8 Milliarden, bis 2033 sollen es 33 Milliarden sein.1 Die naheliegende Erklärung ist die stetige Zunahme der Lebenserwartung. Im Jahr 1869 waren nur 5,2% der Bevölkerung über 65 Jahre, heute sind es 19,6% – das ist jeder Fünfte!2 Um den Zusammenbruch des Systems zu verhindern, wird krampfhaft – und weitgehend vergeblich – versucht, das Pensionsalter zu erhöhen und die Pensionen so wenig wie möglich an die Inflation anzupassen, und vor allem ständig gepredigt, dass mehr Kinder geboren werden müssten.
Die arbeitende Bevölkerung soll wachsen, um mehr Geld ins System zu spülen, mit dem dann die Pensionen der ständig steigenden Zahlälterer Menschen bezahlt werden. Das ist aber langfristig ein hoffnungsloses Unterfangen mit beträchtlichem Nebenwirkungspotenzial.
Bekommen Familien nur deshalb Kinder, weil damit später die Pensionen gesichert sein sollen, wird möglicherweise die sozial falsche Bevölkerungsschicht motiviert, die die notwendige Produktivität vermissen lässt und stattdessen enorme zusätzliche Sozialkosten verursacht. Eltern stehen unter dem gesellschaftlichen Druck, Karriere zu machen und gleichzeitig eine kinderreiche Familie haben zu müssen. Die Folgen schultern zurzeit vor allem die Frauen. Sie kümmern sich um Haushalt und Familie, arbeiten – wenn überhaupt – nur halbtags und hängen ihre Karriere an den Nagel. Die arbeitende und damit zahlende Bevölkerung durch Zuzug von außen aufzufüllen birgt das Risiko, Leute anzuziehen, die auf großzügige Sozialunterstützung in unserem Land hoffen. Das Umlagesystem ist gescheitert, und in naher Zukunft droht ein Sozialversicherungs-Supergau.
Die Lösung: Das System muss durch ein selbst verantwortetes, individuelles Pensionssystem ergänzt werden. Es bekommen nur die Familien Kinder, die sich diese wünschen. Das erhöht die Chance, dass die Kinder sich besser in den gesellschaftlichen Produktionsprozess integrieren lassen. Weniger Kinder bedeuten weniger Kindergärten, Schulen und andere Bildungseinrichtungen. Mit den vorhandenen Mitteln können diese wesentlich effizienter gestaltet werden, und es bleibt Geld für die Unterstützung des privaten Pensionssystems übrig. Weniger Menschen bedeutet, dass insgesamt weniger sozialer Bedarf entsteht: also weniger Behandlungen pro Person und weniger Pensionen, die insgesamt ausgezahlt werden müssen, was dem staatlichen Budget weitere Ersparnisse bringt. Weniger Menschen verursachen zudem weniger Umweltbelastung. Sollten mehr Arbeitskräfte benötigt werden, kann dies durch kontrollierten Zuzug gedeckt werden. Das sind dann aller Wahrscheinlichkeit nach motivierte Arbeitskräfte, die kommen, weil sie gut bezahlte Arbeit suchen und nicht, um ein allzu großzügiges Sozialsystem auszunutzen. Der Staat braucht weniger Geld, um Sozialleistungen bereitzustellen, und kann Sozialabgaben auf die Arbeitsleistung reduzieren. Das ermöglicht den Arbeitgebern, höhere Löhne zu zahlen. Jeder muss allerdings einen beträchtlichen Teil seiner Pension selbst finanzieren. Zum einen geht das dann durch die höheren Löhne, zum anderen mit staatlicher Unterstützung, wobei das Geld durch den Wegfall zahlreicher Sozialleistungen verfügbar wäre. Jeder Beschäftigte könnte außerdem innerhalb eines vorgegebenen Spielraums selbst entscheiden, wann er oder sie in Pension geht.
Natürlich muss es eine geringe staatliche Pension zur Verhinderung von inakzeptabler Armut geben. Unerwünschter Zuzug wird mehr oder weniger von selbst reduziert, weil es für nicht Arbeitswillige oder nicht Arbeitsfähige wenig Unterstützung gibt. Das neue System würde die Eigenverantwortung jedes Bürgers stärken und den überbordenden und in der heutigen Form langfristig nicht finanzierbaren Wohlfahrtsstaat zurückdrängen. Man kann argumentieren, dass so ein System die kulturelle Identität einer Gesellschaft gefährdet, aber diese Gefahr besteht auch jetzt schon.
Literatur:
1 Bundesministerium für Finanzen 2 Statistik Austria: Bevölkerung nach Alter/Geschlecht. https://www.statistik.at/statistiken/bevoelkerung-und-soziales/bevoelkerung/bevoelkerungsstand/bevoelkerung-nach-alter/geschlecht ; zuletzt abgerufen am 5.10.2023
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