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Orale Kontrazeption mit reinen Progestagenen

Sichere Verhütung mit geringen Risiken

<p class="article-intro">Zunehmend werden reine Progestagenpräparate in den Markt für orale Kontrazeptiva eingeführt. Warum sie in vielen Fällen den Kombinationen mit Östrogenen vorzuziehen sind und für welche Frauen sie geeignet sind, erklärt Prof. Christian Egarter, Wien.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><strong>Welche Vorteile haben reine Progestagenkontrazeptiva im Vergleich zu Kombinationspr&auml;paraten?</strong><br /> <br /> <strong>C. Egarter:</strong> Grunds&auml;tzlich bergen sie weniger Risiken als die Kombinationspr&auml;parate. Bei den Pillen der 3. und 4. Generation &ndash; Drospirenon und Desogestrel in Kombination mit einem &Ouml;strogen &ndash; ist das Hauptproblem ein erh&ouml;htes Risiko f&uuml;r ven&ouml;se Thromboembolien. Dieses ist bei den reinen Progestagenen nicht vorhanden. Zudem senken jene Wirkstoffe, die eine geringere androgene Wirkung aufweisen, auch das arterielle Risiko, zum Beispiel in Bezug auf Herzinfarkte und Schlaganf&auml;lle. Dazu muss man allerdings sagen, dass das kardiovaskul&auml;re Risiko in dieser Altersgruppe &ndash; meist handelt es sich ja um junge Frauen &ndash; ohnehin extrem niedrig ist.<br /> <br /> <strong>Wie sieht es konkret mit dem Risiko f&uuml;r Thrombosen unter Drospirenon und Desogestrel aus? Die europ&auml;ische Arzneimittel-Agentur EMA hat ja eine Warnung f&uuml;r die Substanzen ausgesprochen.</strong><br /> <br /> <strong>C. Egarter:</strong> Die bezieht sich nur auf die Kombinationen mit &Ouml;strogenen &ndash; und auch dies ist in meinen Augen nicht 100 % ig gekl&auml;rt. Denn die Hersteller der Pr&auml;parate mussten nach Markteinf&uuml;hrung gro&szlig;e prospektive Studien vorlegen; in diesen zeigte sich diese Erh&ouml;hung des Thromboserisikos nicht. Dennoch hat die EMA eine Warnung f&uuml;r die Kombinationspr&auml;parate herausgegeben. Diese basiert auf einer d&auml;nischen Datenbank, aus deren Daten ein Kollege ein erh&ouml;htes VTE-Risiko errechnet hat. Diese Datenbank ist allerdings gar nicht zu dem Zweck angelegt worden, Arzneimittelnebenwirkungen zu erfassen, sondern bev&ouml;lkerungsbezogene Gesundheitsdaten. Da sind sicher noch einige Fragen offen.<br /> <br /><strong> F&uuml;r welche Frauen sind reine Progestagene geeignet? Auch f&uuml;r Risikogruppen wie &auml;ltere und/oder &uuml;bergewichtige Patientinnen?</strong><br /> <br /> <strong>C. Egarter:</strong> Grunds&auml;tzlich f&uuml;r alle Frauen, vor allem auch f&uuml;r solche mit zus&auml;tzlichen Risikofaktoren. Dazu z&auml;hlen unter anderem bereits erlittene ven&ouml;se Thromboembolien, kardiovaskul&auml;re Krankheiten, Diabetes mellitus, aber auch Kopfschmerzen oder Migr&auml;ne mit und ohne Aura. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat die Empfehlung gegeben, bei diesen Frauen haupts&auml;chlich die reinen Progestagene einzusetzen.<br /> Sie kommen auch infrage, wenn Frauen &Ouml;strogen nicht vertragen, und sie sind zur Empf&auml;ngnisverh&uuml;tung in der Stillzeit geeignet, denn sie ver&auml;ndern weder die Milchbildung noch die Milchqualit&auml;t.<br /> <br /><strong> Gibt es auch Kontraindikationen f&uuml;r die Progestagenkontrazeptiva?</strong><br /> <br /> <strong>C. Egarter:</strong> Eigentlich nicht. Die einzige Kontraindikation ist, wenn die Patientin &uuml;ber l&auml;ngere Zeit &ndash; &uuml;ber Wochen &ndash; Schmierblutungen hat. Dann sollte man entweder das Pr&auml;parat wechseln oder sich &uuml;berlegen, ob man nicht auf eine andere Verh&uuml;tungsmethode umsteigt. Eine M&ouml;glichkeit sind in diesen F&auml;llen zum Beispiel hormonfreie Kupferspiralen.<br /> <br /><strong> Mit den Schmierblutungen nennen Sie auch eine der unerw&uuml;nschten Wirkungen der reinen Progestagenkontrazeptiva. Welche k&ouml;nnen noch auftreten?</strong><br /> <br /><strong> C. Egarter:</strong> Das Problem bei diesen Pr&auml;paraten ist, dass die Frauen keinen normalen Zyklus mehr haben, weil die Pillen durchgehend eingenommen werden. Dadurch kommt es im g&uuml;nstigsten Fall zu einer Amenorrh&ouml;. Anwenderinnen, bei denen diese eintritt, sind in der Regel die zufriedensten. Im ung&uuml;nstigen Fall treten Schmierblutungen auf, die unter Umst&auml;nden erheblich st&ouml;ren. In naher Zukunft kommt ein neues reines Progestagen&shy;pr&auml;parat mit Drospirenon auf den Markt, das &auml;hnlich wie die Kombinationspr&auml;parate konzipiert ist. Auf drei Wochen Hormoneinnahme folgen vier Tage Pause in Form von hormonfreien Placebotabletten. Dies hat einen g&uuml;nstigen Effekt auf Zwischenblutungen; ein normaler Zyklus wird aber meist trotzdem nicht hergestellt.<br /> <br /> Ein weiterer Nachteil der &auml;lteren Ges&shy;tagenpr&auml;parate war, dass sie nur bei rund einem Drittel der Anwender&shy;innen die Ovulation unterdr&uuml;ckt haben. Zwei Drittel hatten also einen Eisprung, mit der M&ouml;glichkeit, schwanger zu werden. Aufgrund anderer Ver&auml;nderungen, etwa des Zervixschleims, kam es dennoch nicht zur Schwangerschaft. Zudem mussten die Pillen immer mehr oder weniger zur selben Zeit eingenommen werden, um sicher zu wirken. Wir wissen aber, dass die meisten Frauen von Zeit zu Zeit die Einnahme ihrer Pille vergessen oder sie zu unterschiedlichen Zeitpunkten einnehmen. Bei den &auml;lteren Progestagenen war dies ein Problem. Bei den neuen Substanzen ist das nicht mehr so, da sie die Ovulation sicher unterdr&uuml;cken. Das neue Pr&auml;parat mit reinem Drospirenon zeigt hier eine gr&ouml;&szlig;ere Flexibilit&auml;t in der Einnahme und ist offenbar auch nach 24 Stunden sicher in Bezug auf die Verhinderung der Ovulation.<br /> <br /><strong> Vor allem sehr junge Frauen und M&auml;dchen halten die Pille oft eher f&uuml;r ein Sch&ouml;nheitsprodukt f&uuml;r bessere Haut und Haare als f&uuml;r ein Medikament. Was sagen Sie diesen Patientinnen?</strong><br /> <br /> <strong>C. Egarter:</strong> In diesen F&auml;llen sind die reinen Progestagene sicher nicht die Mittel der ersten Wahl. F&uuml;r die positiven Wirkungen der Kontrazeptiva auf Haut und Haare ist der &Ouml;strogenanteil verantwortlich. Im Gegenteil: Wenn in den Gestagenpr&auml;paraten noch eine partielle androgene Wirkung vorhanden ist, dann k&ouml;nnen sie die Haut eher ung&uuml;nstig beeinflussen, zum Beispiel eine bestehende Akne verschlimmern. Es gilt daher immer, im Gespr&auml;ch mit der Patientin abzukl&auml;ren, welche Erwartungen sie neben der Empf&auml;ngnisverh&uuml;tung an die Pille hat und welche Risikofaktoren m&ouml;glicherweise vorliegen, die die Verordnung eines Pr&auml;parates beeinflussen.<br /> <br /><strong> Vielen Dank f&uuml;r das Gespr&auml;ch!</strong></p></p>
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