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Sichere Verhütung mit geringen Risiken
Jatros
30
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14.07.2016
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<p class="article-intro">Zunehmend werden reine Progestagenpräparate in den Markt für orale Kontrazeptiva eingeführt. Warum sie in vielen Fällen den Kombinationen mit Östrogenen vorzuziehen sind und für welche Frauen sie geeignet sind, erklärt Prof. Christian Egarter, Wien.</p>
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<p class="article-content"><p><strong>Welche Vorteile haben reine Progestagenkontrazeptiva im Vergleich zu Kombinationspräparaten?</strong><br /> <br /> <strong>C. Egarter:</strong> Grundsätzlich bergen sie weniger Risiken als die Kombinationspräparate. Bei den Pillen der 3. und 4. Generation – Drospirenon und Desogestrel in Kombination mit einem Östrogen – ist das Hauptproblem ein erhöhtes Risiko für venöse Thromboembolien. Dieses ist bei den reinen Progestagenen nicht vorhanden. Zudem senken jene Wirkstoffe, die eine geringere androgene Wirkung aufweisen, auch das arterielle Risiko, zum Beispiel in Bezug auf Herzinfarkte und Schlaganfälle. Dazu muss man allerdings sagen, dass das kardiovaskuläre Risiko in dieser Altersgruppe – meist handelt es sich ja um junge Frauen – ohnehin extrem niedrig ist.<br /> <br /> <strong>Wie sieht es konkret mit dem Risiko für Thrombosen unter Drospirenon und Desogestrel aus? Die europäische Arzneimittel-Agentur EMA hat ja eine Warnung für die Substanzen ausgesprochen.</strong><br /> <br /> <strong>C. Egarter:</strong> Die bezieht sich nur auf die Kombinationen mit Östrogenen – und auch dies ist in meinen Augen nicht 100 % ig geklärt. Denn die Hersteller der Präparate mussten nach Markteinführung große prospektive Studien vorlegen; in diesen zeigte sich diese Erhöhung des Thromboserisikos nicht. Dennoch hat die EMA eine Warnung für die Kombinationspräparate herausgegeben. Diese basiert auf einer dänischen Datenbank, aus deren Daten ein Kollege ein erhöhtes VTE-Risiko errechnet hat. Diese Datenbank ist allerdings gar nicht zu dem Zweck angelegt worden, Arzneimittelnebenwirkungen zu erfassen, sondern bevölkerungsbezogene Gesundheitsdaten. Da sind sicher noch einige Fragen offen.<br /> <br /><strong> Für welche Frauen sind reine Progestagene geeignet? Auch für Risikogruppen wie ältere und/oder übergewichtige Patientinnen?</strong><br /> <br /> <strong>C. Egarter:</strong> Grundsätzlich für alle Frauen, vor allem auch für solche mit zusätzlichen Risikofaktoren. Dazu zählen unter anderem bereits erlittene venöse Thromboembolien, kardiovaskuläre Krankheiten, Diabetes mellitus, aber auch Kopfschmerzen oder Migräne mit und ohne Aura. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat die Empfehlung gegeben, bei diesen Frauen hauptsächlich die reinen Progestagene einzusetzen.<br /> Sie kommen auch infrage, wenn Frauen Östrogen nicht vertragen, und sie sind zur Empfängnisverhütung in der Stillzeit geeignet, denn sie verändern weder die Milchbildung noch die Milchqualität.<br /> <br /><strong> Gibt es auch Kontraindikationen für die Progestagenkontrazeptiva?</strong><br /> <br /> <strong>C. Egarter:</strong> Eigentlich nicht. Die einzige Kontraindikation ist, wenn die Patientin über längere Zeit – über Wochen – Schmierblutungen hat. Dann sollte man entweder das Präparat wechseln oder sich überlegen, ob man nicht auf eine andere Verhütungsmethode umsteigt. Eine Möglichkeit sind in diesen Fällen zum Beispiel hormonfreie Kupferspiralen.<br /> <br /><strong> Mit den Schmierblutungen nennen Sie auch eine der unerwünschten Wirkungen der reinen Progestagenkontrazeptiva. Welche können noch auftreten?</strong><br /> <br /><strong> C. Egarter:</strong> Das Problem bei diesen Präparaten ist, dass die Frauen keinen normalen Zyklus mehr haben, weil die Pillen durchgehend eingenommen werden. Dadurch kommt es im günstigsten Fall zu einer Amenorrhö. Anwenderinnen, bei denen diese eintritt, sind in der Regel die zufriedensten. Im ungünstigen Fall treten Schmierblutungen auf, die unter Umständen erheblich stören. In naher Zukunft kommt ein neues reines Progestagen­präparat mit Drospirenon auf den Markt, das ähnlich wie die Kombinationspräparate konzipiert ist. Auf drei Wochen Hormoneinnahme folgen vier Tage Pause in Form von hormonfreien Placebotabletten. Dies hat einen günstigen Effekt auf Zwischenblutungen; ein normaler Zyklus wird aber meist trotzdem nicht hergestellt.<br /> <br /> Ein weiterer Nachteil der älteren Ges­tagenpräparate war, dass sie nur bei rund einem Drittel der Anwender­innen die Ovulation unterdrückt haben. Zwei Drittel hatten also einen Eisprung, mit der Möglichkeit, schwanger zu werden. Aufgrund anderer Veränderungen, etwa des Zervixschleims, kam es dennoch nicht zur Schwangerschaft. Zudem mussten die Pillen immer mehr oder weniger zur selben Zeit eingenommen werden, um sicher zu wirken. Wir wissen aber, dass die meisten Frauen von Zeit zu Zeit die Einnahme ihrer Pille vergessen oder sie zu unterschiedlichen Zeitpunkten einnehmen. Bei den älteren Progestagenen war dies ein Problem. Bei den neuen Substanzen ist das nicht mehr so, da sie die Ovulation sicher unterdrücken. Das neue Präparat mit reinem Drospirenon zeigt hier eine größere Flexibilität in der Einnahme und ist offenbar auch nach 24 Stunden sicher in Bezug auf die Verhinderung der Ovulation.<br /> <br /><strong> Vor allem sehr junge Frauen und Mädchen halten die Pille oft eher für ein Schönheitsprodukt für bessere Haut und Haare als für ein Medikament. Was sagen Sie diesen Patientinnen?</strong><br /> <br /> <strong>C. Egarter:</strong> In diesen Fällen sind die reinen Progestagene sicher nicht die Mittel der ersten Wahl. Für die positiven Wirkungen der Kontrazeptiva auf Haut und Haare ist der Östrogenanteil verantwortlich. Im Gegenteil: Wenn in den Gestagenpräparaten noch eine partielle androgene Wirkung vorhanden ist, dann können sie die Haut eher ungünstig beeinflussen, zum Beispiel eine bestehende Akne verschlimmern. Es gilt daher immer, im Gespräch mit der Patientin abzuklären, welche Erwartungen sie neben der Empfängnisverhütung an die Pille hat und welche Risikofaktoren möglicherweise vorliegen, die die Verordnung eines Präparates beeinflussen.<br /> <br /><strong> Vielen Dank für das Gespräch!</strong></p></p>
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